Wochenrückblick KW 49

10.12.2012

Wilex und Agennix: Entlassungen nach Fehlschlägen

Bitterer Jahresausklang für Agennix und die Wilex AG: Nach dem Phase III-Fehlschlag mit dem Krebsmedikament Rencarex muss Wilex Mitarbeiter entlassen, Agennix gab die Schließung seines Standortes in Martinsried bekannt.

Mit dem Scheitern des Krebsmedikaments Talactoferrin wird bei Agennix das Geld knapp.Lightbox-Link
Mit dem Scheitern des Krebsmedikaments Talactoferrin wird bei Agennix das Geld knapp.Quelle: Agennix
In beiden Fällen versuchen die Münchener Unternehmen, mit den Anfang Dezember bekannt gewordenen Umstrukturierungen die Folgen gescheiterter Medikamentenstudien abzufangen. Wilex will so die operativen Kosten deutlich senken. Die Maßnahmen treffen vor allem den Standort München, hier wird rund ein Viertel der Mitarbeiter gehen müssen – bis zu 19 Stellen sind betroffen. Die US-Niederlassungen kommen zunächst wohl ungeschoren davon. „Für uns als Vorstand ist der Personalabbau schmerzlich, denn die Mitarbeiter haben ihr Bestes bei der Entwicklung unseres Produktportfolios gegeben. Wir sind überzeugt, dass wir mit angepassten Kostenstrukturen und einem zukunftsträchtigen Geschäftsmodell mittelfristig wieder auf den Pfad der Wertsteigerungen zurückkehren werden“, sagte Olaf G. Wilhelm, Vorstandsvorsitzender von Wilex. Zum Stichtag 30. November hatte der Krebsspezialist nach eigenen Angaben noch ausreichend Mittel, um das Unternehmen bis in das zweite Quartal 2014 zu finanzieren. Im Oktober musste die Wilex AG bekanntgeben, dass der Antikörper Girentuximab bei der Behandlung von Nierentumoren nicht die erwartete Wirkung zeigt.

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Wochenrückblick: Agennix: Teurer Fehlschlag

Noch ernster ist die Lage beim Medikamentenhersteller Agennix, hier reichen die Reserven nur noch bis ins erste Quartal 2013. Nach der Schließung des Standortes in Houston und der Entlassung von 37 Mitarbeitern wird jetzt auch der Standort in Martinsried aufgegeben, weitere sechs Angestellte verlieren so ihren Job. Im vergangenen August musste der Krebsspezialist zwei Phase III-Studien mit dem Wirkstoff Talactoferrin gegen Lungenkrebs abbrechen, der sich als unwirksam erwiesen hatte. „Die Fähigkeit der Gesellschaft zur Unternehmensfortführung ist unmittelbar gefährdet“, warnten die Verantwortlichen nach der Vorlage der Neunmonatszahlen Ende November. In den ersten neun Monaten 2012 fiel ein Verlust von 117,1 Mio. Euro an. „Gelingt es der Gesellschaft nicht, frühzeitig im ersten Quartal 2013 weitere Finanzmittel zu beschaffen, kann eine Liquidation beziehungsweise die Insolvenz nicht ausgeschlossen werden“, warnte Agennix in einer Pressemitteilung.

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Gericht: geheimer Forschungsvertrag zwischen Bayer und Uni Köln legal

Die Universität Köln muss die Details eines Forschungsabkommens mit dem Pharmakonzern Bayer nicht offenlegen.

Das erklärte das Verwaltungsgericht Köln in einem am 6. Dezember veröffentlichten Urteil und lehnte damit eine Klage des Vereins Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) ab. Der Verband wollte Details zu einem Kooperationsvertrag zwischen der Universität Köln und dem Pharmakonzern Bayer erfahren. Seit vier Jahren kooperieren die Partner in der Herz- und Krebsforschung, außerdem unterstützt der Konzern die Ausbildung von Doktoranden. Bayer soll die Zusammenarbeit jedes Jahr eine sechsstellige Summe wert sein.

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CBG-Verantwortliche befürchten, dass die Uniklinik nicht im Interesse der Allgemeinheit, sondern für den Pharmakonzern forscht, und verlangten Einsicht in die Verträge. Das lehnte die Universität Köln unter Hinweis auf die Forschungsfreiheit und den Schutz von Geschäftsgeheimnissen ab. Schließlich könne aus den Verträgen abgeleitet werden, welche Schwerpunkte die Forschergruppen setzen, wie weit der Forschungsstand bei konkreten Vorhaben sei und ob das Vorhaben im Zweifel interessant für Dritte sei, so die Hochschule. Das Verwaltungsgericht Köln schloss sich dieser Argumentation an. Dass sich der Verein CBG mit diesem Urteil zufrieden gibt, darf bezweifelt werden. Der Verbandsvorsitzende Phillipp Mimkes  richtet sich Medienberichten zufolge auf ein längeres Verfahren ein: „Wir werden wahrscheinlich auch durch weitere Instanzen gehen müssen, aber wir wollen das exemplarisch durchfechten“, sagte er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Der CBG nimmt er für sich in Anspruch seit mehr als 30 Jahren „einen der mächtigsten Konzerne“ mit „beharrlichen Recherchen, Protestaktionen und Auftritten in der Konzern-Hauptversammlung“ zu kontrollieren.

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75 Gene für Blutbildung entdeckt

Münchener Wissenschaftler haben 75 Gene identifiziert, die maßgeblich an der Blutbildung beteiligt sind.

Die Mitarbeiter des Instituts für Genetische Epidemiologie (IGE) und der Institute für Epidemiologie I und II (EPI I+II) des Helmholtz Zentrums München

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News: Das Blut und seine Bausteine

Wochenrückblick: Neue Hämoglobin-Anomalie entdeckt

Wochenrückblick: Entschlüsselt: Wie Farbpigmente entstehen

beteiligten sich an einer genomweiten Assoziationsstudie mit über 135.000 Personen, die in der Fachzeitschrift Nature (2012, Online-Vorabpublikation) vorgestellt wird. Darin werden insgesamt 75 voneinander unabhängige Genorte bezeichnet, die im Zusammenhang mit der Blutbildung des Menschen stehen. Für 43 der 75 identifizierten Gene war bislang kein Zusammenhang mit Eigenschaften der roten Blutkörperchen nachgewiesen worden. Tatsächlich tragen diese neu identifizierten Genorte zur Vielfalt der Erythrozyten in der Weltbevölkerung bei: Obwohl die roten Blutzellen überall für den Sauerstofftransport im Blut zuständig sind, können sie in Größe, Anzahl und Hämoglobingehalt variieren. Darüber hinaus gibt es genetische Anomalien wie eine angeborene Blutarmut oder die besonders in Afrika verbreitete Sichelzellanämie, die die Funktion der Erythrozyten erheblich beeinträchtigt, aber auch einen verbesserten Schutz vor bestimmten Krankheiten bietet. „Die Ergebnisse zeigen, dass die genetischen Loci die Variation der Phänotypen in der Bevölkerung bestimmen“, erklärten Christian Gieger und Janina Ried vom IGE, „wir wollen desweiteren genetische Einflussfaktoren für klinisch relevante Anomalien der roten Blutkörperchen finden.“ In Zusammenarbeit mit externen Teams aus Großbritannien und den Niederlanden untersuchten die Münchener Arbeitsgruppen insgesamt sechs Parameter der roten Blutzellen, darunter Anzahl und Größe der Erythrozyten und Hämoglobinwerte. Vertiefende biologische Analysen der Arbeit haben Erkenntnisse über biologische Mechanismen und Signalwege in der Bildung und Funktion von Erythrozyten geliefert, die durch nachfolgende Projekte detaillierter betrachtet werden können. In einem weiteren Schritt kann dies auch zum tieferen Verständnis genetischer Anomalien der Blutzellen und angeborenen Formen von Blutarmut beitragen.

  

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„MitoFish“ erlaubt Einblicke für Alzheimerforschung

Münchener Forscher haben ein neues Modellsystem entwickelt, um Prozesse bei der Entstehung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer untersuchen zu können.

Kopf eines Zebrafisches mit fluoreszent markierten gelben Nervenfasern. Die Mitochondrien in den Nervenfasern sind blau markiert, während die Augen des Fisches und einige Hauptzellen rot leuchten.Lightbox-Link
Kopf eines Zebrafisches mit fluoreszent markierten gelben Nervenfasern. Die Mitochondrien in den Nervenfasern sind blau markiert, während die Augen des Fisches und einige Hauptzellen rot leuchten.Quelle: Leanne Godinho and Thomas Misgeld, TU München
Wie sie in der Fachzeitschrift Journal of Neuroscience (2012, Bd. 32, S. 16203-16212) berichten,  basiert dieses auf dem Zebrafisch, der in seinen frühen Lebensphasen durchsichtig ist. An der TU München wurde auf dieser Basis der transgene „MitoFish“ entwickelt, in dem die Forscher innerhalb einzelner Neuronen am lebenden Tier beobachten können, wie der Transport von Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle, bei Gehirnerkrankungen beeinträchtigt wird. Die Forscher kooperierten dabei mit einer Forschergruppe am Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) Neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer Amytrophe Lateralsklerose und Multiple Sklerose haben zwar sehr unterschiedlichen Symptome, zeigen auf der Ebene der Neuronen jedoch ähnliche Mechanismen. Beispielsweise ist eine Beeinträchtigung des Transportes von Mitochondrien in Nervenfasern ein weit verbreitetes Phänomen. Da die Mitochondrien vor allem als Zellkraftwerke fungieren, könnte eine Beeinträchtigung ihres Transportes den Abbau von Nervenzellen erklären. Erste Erkenntnisse zum Transport von Mitochondrien bei neurodegenerativer Erkrankungen stammen vor allem aus Mausmodellen. Die Beobachtung von mitochondrialem Transport in Zebrafischen und die Entwicklung eines weiteren Tiermodells — des MitoFish — zur Untersuchung von Mitochondrien eröffnen jetzt neue Möglichkeiten. „Mit dem Modellsystem können wir versuchen, den Lebenszyklus der Mitochondrien direkt in einer lebenden Zelle, die sich in ihrer physiologischen Umgebung entwickelt, zu studieren“, sagt Thomas Misgeld, Inhaber des Lehrstuhls für Biomolekulare Sensoren an der TU München.

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News: ALS: Zelltest spürt Wirkstoff-Kandidaten auf

Menschen: André Fischer: Hilft dem Gedächtnis auf die Sprünge

Förderung: Mehr Biomarker für die Multiple Sklerose 

„Viele Aspekte der Organellenbiologie verstehen wir nicht gut genug, um sie in anderen, einfacheren Systemen nachzustellen, sodass wir einfach den Zebrafisch nutzen, der dies quasi für uns erledigt.“ Da die Fische im wahrsten Sinne des Wortes transparent sind, können die für Krankheitsprozesse relevanten Veränderungen in nichtinvasiven Studien untersucht werden. Die Zusammenarbeit der beiden Münchener Hochschulen mit dem DZNE kombinierte dabei komplementäre Forschungsfelder: Die Arbeitsgruppe von Misgeld beschäftigte sich mit der Bildgebung und Analyse des Organellentransports, während das Labor von Bettina Schmid am DZNE den transgenen „MitoFish“ und Krankheitsmodelle entwickelte, die stabil genug für Langzeitstudien sind.

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