Kunstmolekül blockiert HIV-Ankerpunkte
14.08.2012 -
Ein Mini-Protein könnte zu einer potenten Waffe im Kampf gegen HIV werden. Münchner Wissenschaftler haben durch eine einfache Änderung im Bauplan des Proteins einen vielversprechenden Therapieansatz entdeckt. Ursprünglich wurde das Molekül für ein Tumor-Bildgebungsverfahren genutzt, in der neuen Gestalt allerdings blockiert es höchst effektiv einen Immunzellen-Rezeptor, an dem normalerweise HI-Viren andocken. So können sich die Viren nicht weiter im Körper ausbreiten. Ihre Arbeit haben die Forscher im Fachzeitschrift Angewandte Chemie (2012, Bd. 124, S.8234) veröffentlicht.
Die Haltung bestimmt, wie man auf andere wirkt. Doch trifft das nicht nur im Großen zu. Auch auf molekularer Ebene können kleine Änderungen an der Grundstruktur von Stoffen enorme Folgen für ihre Wirksamkeit haben. Davon konnten sich auch die Wissenschaftler am Lehrstuhl für Pharmazeutische Radiochemie und am Institute for Advanced Study der Technischen Universität München überzeugen.In der neuen Ausgabe der Kreidezeit erklärt Jan Wolkenhauer, welche unterschiedlichen Virusarten es gibt.Quelle: biotechnologie.tv In Zusammenarbeit mit Molekularbiologen der Universität Neapel und Virologen des Helmholtz Zentrum München entstand ein Molekül, welches möglicherweise neue Wege in der HIV-Therapie eröffnet.
Ein Rezeptor in der Hauptrolle
HI-Viren verschaffen sich über unterschiedliche Rezeptoren Zugang zu Immunzellen. Der HIV-1-Virenstamm greift die Zellen dabei hauptsächlich über die Rezeptoren CCR5 oder CXCR4 an (mehr...). Mediziner suchen deshalb nach möglichen Medikamenten, die an diese Rezeptoren binden und sie auf diese Weise für die HIV-Erreger blockieren. Als Folge davon wäre die Weiterverbreitung der Viren im Körper stark eingedämmt. Aktuell gibt es bereits einen Wirkstoff, der spezifisch an den CCR5-Rezeptor bindet. Für CXCR4 existieren dagegen lediglich Wirkstoffe, die sich zur Zeit noch in der Erprobung befinden. Ein weiterer möglicher Kandidat, der die Viren an diesem Rezeptor aufhalten könnte, ist das Peptid der Münchner Forscher.
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Das Team um Horst Kessler nutzte das Molekül ursprünglich im Rahmen eines Bildgebungsverfahrens bei Tumoren, wo es ebenfalls spezifisch an den CXCR4-Rezeptor andockt, denn der Rezeptor spielt auch eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Krebsmetastasen. Dabei entstand die Idee, das Potenzial des Wirkstoffes zur Bekämpfung des HI-Virus zu nutzen.
Der Trick heißt Verschieben
Denn dieses Potenzial ist vergleichsweise riesig. Durch eine kleine Veränderung an der Grundstruktur des Moleküls kann es 400- bis 1.500-mal besser an den CXCR4-Rezeptor binden als andere Verbindungen, die sich in den Testphasen befinden. Dafür haben die Forscher lediglich einen kleinen Trick angewendet: Sie haben eine Aminosäuren-Seitenkette von Kohlenstoff zu einem benachbarten Stickstoff-Atom verschoben. „Das Molekül könnte eine wirksame Waffe gegen besonders aggressive HIV-1-Stämme sein. Diese Viren finden wir häufig bei Patienten, die seit langer Zeit HIV-infiziert sind“, sagt Ruth Brack-Werner, Virologin am Helmholtz Zentrum München. Und ihr Kollege vom Lehrstuhl für Pharmazeutische Chemie, Hans-Jürgen Wester ergänzt: „Verbindungen dieser Art bieten ungeahnte Möglichkeiten für die Entwicklung neuer Medikamente. Wir warten daher mit großer Spannung auf die ersten präklinischen und klinischen Tests.“
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