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Ingrid Grummt: Mit erfahrenem Blick forschen

Ingrid Grummt lässt sich auch von der Pensionsgrenze nicht aufhalten und hat die Leitung einer Arbeitsgruppe am Deutschen Krebsforschungszentrum übernommen. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Ingrid Grummt lässt sich von der Pensionsgrenze nicht aufhalten und leitet auch in den nächsten Jahren dank einer Helmholtz-Professur ihre Arbeitsgruppe am Deutschen Krebsforschungszentrum weiter. Quelle: DKFZ

16.05.2012  - 

Seit fast 40 Jahren erforscht Ingrid Grummt die Regulation ribosomaler Gene – und ihre Forscherkarriere geht weiter: Damit die 68-jährige Molekularbiologin am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg ihre Studien auch jenseits des Pensionsalters fortsetzen kann,  wurde die mit vielen Preisen dekorierte Wissenschaftlerin im März 2012 mit einer Helmholtz-Professur ausgestattet. In den kommenden  drei Jahren will Grummt mit ihrem Team insbesondere epigenetische Vorgänge ins Visier nehmen.

Eigentlich wollte Grummt Dramaturgin oder Regisseurin werden, doch das Schicksal meinte es anders mit ihr: Heute ist sie eine international angesehene Molekularbiologin. „Eigentlich habe ich damals bei meiner Bewerbung für einen Studienplatz Biologie nur als Zweitwunsch angegeben, um meine Chancen für Theaterwissenschaften zu erhöhen“, erzählt die Forscherin vergnügt. Denn die Plätze für ein Biologiestudium waren rar an der Humboldt Universität im damaligen Ostberlin: Es standen nur 20 Plätze zur Verfügung. Im Laufe ihres Studiums fand die gebürtige Dresdnerin jedoch Gefallen an der Wissenschaft: „Eigentlich ist ganz vieles spannend, wenn man sich erst einmal hineinvertieft und es mit Begeisterung tut“, findet sie.

Packende Arbeit an der Erbsubstanz

So richtig packte es die angehende Biologin, als sie während ihrer Diplom- und Doktorarbeit an der Akademie der Wissenschaften in Berlin-Buch damit begann, mit der Erbsubstanz DNA zu arbeiten. Heute trägt das Institut, an dem Grummt promovierte, einen klingenden Namen: Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC). Es gehört zu den weltweit führenden Instituten für biomedizinische Forschung. Auf ihre Kontakte zu Kollegen oder die Schützenhilfe ihres Doktorvaters konnte die junge Forscherin im weiteren Verlauf ihrer Karriere allerdings nicht aufbauen: 1972 floh sie mit ihrem Mann Friedrich, der ebenfalls Wissenschaftler ist, und ihrer dreijährigen Tochter in den Westen.

Flucht in den Westen

Während Friedrich Grummt seine Arbeit schon bald wieder am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München aufnehmen konnte, verlief die Stellensuche für Ingrid Grummt weniger erfolgreich. Die Vorbehalte gegen arbeitende Mütter waren Anfang der 70er Jahre hoch. So kämpfte sie sich ganz alleine an die Spitze vor. „Ich schrieb Anträge und hangelte mich von Stipendium zu Stipendium“, berichtet sie. „Ich habe wohl alle Fehler gemacht, die man machen kann und dadurch sehr viel gelernt.“ Ihre Erfahrung gibt die Professorin heute gerne als Mentorin an jüngere Kolleginnen weiter. Nach ihrer Meinung sind die Bedingungen für Nachwuchswissenschaftlerinnen zurzeit so günstig wie nie zuvor: „Es gibt zahlreiche Fördermöglichkeiten und Unterstützung auf vielen Ebenen.“

Helmholtz-Professur

Die Helmholtz-Professuren ermöglichen es, ausgezeichnete Wissenschaftlern nach dem Erreichen des Pensionsalters zunächst für weitere drei Jahre als Leiter von Arbeitsgruppen an einem Helmholtz-Zentrum zu halten. Damit soll auch verhindert werden, dass ältere Spitzenforscher aus Deutschland abwandern.

Steuerung ribosomaler RNAs als Steckenpferd

In München erkor die Biowissenschaftlerin die Regulation der ribosmaler RNA-Gene (rRNA) zu ihrem Forschungsthema. „Die Steuerung dieser Gene ist hochkomplex, da sie stark von den äußeren Bedingungen der Zelle abhängt: Fühlt sich die Zelle wohl, hat sie einen großen Bedarf an Ribosomen“, erläutert sie. „Bei Stress oder Nährstoffmangel wird die Syntheseleistung dagegen stark gedrosselt.“ Und noch ein weiteres Kriterium gab den Ausschlag für die Wahl genau dieser Gene. „Diese Gene ließen sich relativ leicht anreichern, da sie sich in den Kernkörperchen, den Nucleoli, befinden“, erzählt Grummt. Denn als die Forscherin vor vier Jahrzehnten ihre Arbeit startete, konnte man fremde DNA-Stücke noch nicht so einfach vermehren wie das heute der Fall ist.

Stationen in Würzburg und Heidelberg

Ihrem Thema ist Grummt seither treu geblieben. „Im Grunde haben wir in meiner Arbeitsgruppe fast alles Wesentliche erarbeitet, was man heute über die Regulation der rRNA Gene weiß“, bilanziert Grummt. Die Früchte ihrer Arbeit schlugen sich 1980 auch in Form eines Heisenberg-Stipendiums nieder, das ihr den Aufbau einer Arbeitsgruppe am Institut für Biochemie der Universität in Würzburg ermöglichte. Fünf Jahre später wurde die Forscherin in der Frankenmetropole an das Institut für Virologie und Immunologie berufen. Von dort wechselte sie 1989 an das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. In der Neckarstadt begann sie vor zehn Jahren, sich mit dem aufstrebenden Forschungszweig der Epigenetik zu beschäftigen.

Das Team um Grummt untersucht dabei, wie chemische Anhängsel an DNA und an den sie umgebenden Histonproteinen die Aktivität von rRNA-Genen beeinflussen. „Wir wollten herausfinden, wie epigenetische Markierungen an die richtige Stelle im Erbgut dirigiert werden, um Gene zu inaktivieren“, sagt die Heidelberger Professorin. Erst kürzlich berichtete ihr Team in der Fachzeitschrift PNAS (2012, Online-Vorabveröffentlichung), dass nicht-kodierende RNA eine wichtige Rolle für die epigenetische Regulation spielt. „Nicht-kodierende RNAs binden an bestimmte Genschalter und bilden mit den DNA-Strängen eine Dreifach-Helix aus, an die bestimmte DNA-modifizierende Enzyme andocken“, erklärt Grummt. „Auf die Aufdeckung dieses Mechanismus bin ich sehr stolz.“

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Während ihrer dreijährigen Verlängerung will die Biologin zeigen, dass diese Art der Regulation nicht nur bei rRNA Genen auftritt, sondern ein allgemeines Prinzip in der Zelle darstellt. Auch den genauen Wirkmechanismus der nicht-kodierenden RNAs will sie noch genauer erforschen. Ihre Untersuchungen werden wie alle vorherigen Experimente mit in Kultur gezüchteten Zellen durchgeführt. Die neu gewonnen Erkenntnisse sollen helfen, die Entstehung von Krebs und Alterungsprozessen besser zu verstehen. „Sobald man die einzelnen Faktoren kennt, die für das An- und Abschalten krankheitsauslösender und altersbedingter Gene verantwortlich sind, können gezielt neue Medikamente entwickelt werden“, so Grummt.

Für ihre wissenschaftliche Leistung wurde die Genexpertin mit zahlreichen Ehrungen ausgezeichnet. Sie erhielt unter anderem 1990 den höchst dotierten deutschen Forschungspreis, den Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis, und 2010 den Women in Science Award. Doch nicht nur beruflich strebt Grummt in höhere Gefilde, auch privat genießt sie es in luftiger Höhe unterwegs zu sein. So ist sie erst vor wenigen Wochen von einer Hochgebirgstour im Himalaya in Nepal zurückgekehrt. Auch ihrer alten Leidenschaft fröhnt sie immer wieder gerne – dem Theater.

Autorin: Melanie Estrella

 

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