Probiotische Bakterien schützen vor Darmentzündung
27.04.2012 -
Biochemiker der Technischen Universität München (TUM) haben den Mechanismus entschlüsselt, der hinter der schützenden Wirkung probiotischer Bakterien steckt. Im Tierversuch konnten die Forscher zeigen, wie ein von Milchsäurebakterien produziertes Enzym gezielt entzündungsfördernde Botenstoffe abbaut. Dies könnte neue Ansätze für die Behandlung chronischer Darmerkrankungen liefern. Ihre Entdeckung haben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Cell Host & Microbe (2012, Online-Vorabveröffentlichung) veröffentlicht.
Neben seinem guten Geschmack ist Joghurt bereits seit Jahrhunderten für seine gesundheitsfördernde Wirkung bekannt und geschätzt. Inzwischen sind probiotische Drinks zum Frühstück in aller Munde. Wurde man anfangs noch belächelt, wenn man sich einen solchen Trunk gönnte, gab es im Laufe der Zeit immer mehr Belege für die Wirksamkeit von Probiotika. Es ist also doch etwas mehr dran an den gesunden Milchprodukten als purer Aberglaube. Dass die Bakterienstämme in den Zubereitungen der Gesundheit zuträglich sind, ist bewiesen. Doch welche Mechanismen hinter den schützenden Effekten stehen war bislang ungeklärt. Mit ihren Erkenntnissen bringen die Biologen und Ernährungswissenschaftler der Technischen Universität München jetzt Licht ins Dunkel.
Enzym unterbricht Entzündungsreaktion
Lactobacillus paracasei ist ein Milchsäurebakterium, welches das Enzym Lactocepin produziert. In Versuchen mit Mäusen konnten die Münchner Wissenschaftler zeigen, dass dieses Enzym gezielt Entzündungsreaktionen unterbricht. Dafür baut es entzündungsfördernde Botenstoffe in erkrankten Geweben ab. Diese Botenstoffe sind eigentlich Teil der Immunabwehr und sollen Abwehrzellen zu infizierten Stellen im Körper leiten. Gelegentlich kommt es jedoch zu Störungen dieses Abwehrsystems. Die Folge sind Autoimmunerkrankungen – also Krankheiten, bei denen sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet – wie beispielsweise die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa. Die sonst hilfreichen Botenstoffe tragen in diesem Fall dazu bei, dass das angegriffene Gewebe dauerhaft entzündet bleibt und sich nicht erholen kann.
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„Lactocepin ist in der lebenmitteltechnologischen Forschung ein alter Bekannter“, sagt Dirk Haller vom Lehrstuhl für Biofunktionalität der Lebensmittel an der TUM. „Überraschend ist jedoch dessen biomedizinische Wirkung, also die Kraft, mit der das Enzym ganz bestimmte Entzündungsbotenstoffe angreift und abbaut.“ Er ist sich sicher: Auf der Grundlage dieses Wirkungsmechanismus lassen sich neue Ansätze für eine gezielte Prävention und Therapie von chronischen Darmerkrankungen und sogar von Hautkrankheiten entwickeln. „Der entzündungshemmende Effekt von Lactocepin ist lokal begrenzt, Nebenwirkungen sind bislang nicht bekannt“, bemerkt Haller weiterhin positiv.
Die nächsten Schritte stehen fest
Wie es weitergehen soll, darüber ist sich der Biochemiker bereits im Klaren. Als nächstes soll in klinischen Studien überprüft werden, ob das Enzym pharmazeutisch anwendbar ist. Weiterhin muss die Frage nach einem geeigneten Produktionsstamm für das Enzym geklärt werden. Denn Haller und sein Team haben beobachtet, dass manche Bakterienstämme, wie der untersuchte Lactobacillus hochpotente Lactopecine produzieren, während die Produkte anderer Mikroorganismen noch auf ihre Wirksamkeit überprüft werden müssten. Auch deshalb will Haller zunächst keine allzu große Euphorie aufkommen lassen: „Nicht jedes Produkt, das als ‚probiotisch’ bezeichnet wird, hat diesen Namen auch verdient.“
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