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BASF beantragt Zulassung für weitere Biotech-Kartoffel

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Bis die neue BASF-Kartoffel Fortuna kommerziell angebaut wird, werden wohl noch ein paar Jahre vergehen. Quelle: Dane County Agriculture

04.11.2011  - 

Wissenschaftler der BASF Plant Science GmbH in Limburgerhof haben eine gentechnisch veränderte (gv) Kartoffel gezüchtet, die gegen den Schädling Phytophtora infestans resistent ist. Der  Pilz löst die Kraut- und Knollenfäule aus. Mit der neuen Kartoffel, so die Hoffnung, könnten Ernteverluste eingedämmt werden. Ende Oktober beantragte das Unternehmen bei der EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA die europaweite Anbau- und Vermarktungsgenehmigung als Futter- und Lebensmittel.  Im Hinblick auf das 13 Jahre währende Verfahren für die gv-Industriekartoffel Amflora (mehr...) wird auch bei Fortuna eine rasche Zulassung jedoch nicht erwartet. Gentechnik-Kritiker halten die Biotech-Knolle außerdem für unnötig.



Gegen den Erreger der Kraut- und Knollenfäule bei Kartoffeln ist bislang kein Kraut gewachsen. Rund 15 bis 20 Prozent der globalen Ernteerträge von rund 330 Mio. Tonnen fallen alljährlich dem Pilzschädling Phytophtora infestanszum Opfer. Mitte des 19.Jahrhunderts wurde das Pathogen nach Europa eingeschleppt. Nach dem Auskeimen der Pilzsporen dringt der Keimschlauch in die Kartoffelblätter ein, diese färben sich grau-grün, dann braun und sterben ab. Der Pilz ist hochinfektiös. Eine einzige befallene Pflanze reicht aus, ganze Bestände zu vernichten. Doch das soll sich nun ändern.

Der Film zeigt, wie bei BASF versucht wird, Kartoffelsorten zu züchten, die gegen den Pilz "Phytophthora infestans" resistent sind, den Erreger der Kraut- und Knollenfäule. Quelle: Fraunhofer IAIS

Wissenschaftlern der BASF Plant Science GmbH in Limburgerhof ist es nach eigenen Worten gelungen, auf biotechnischem Wege „eine stabil gegen Phytophtora infestans resistente“ Kartoffel zu züchten. Ende Oktober beantragte das Unternehmen bei der EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA die europaweite Anbau- und Vermarktungsgenehmigung als Futter- und Lebensmittel. Ihre gentechnisch veränderte Kartoffel Fortuna enthält die zwei Resistenzgene blb1 und blb2, die aus der mexikanischen Wildkartoffel Solanum bulbocastanum stammen. Die Biotech-Knolle enthält demnach zwar fremde Gene, allerdings aus derselben Art. Die Forscher haben damit einen auch in der konventionellen Züchtung genutzten Prozess – die Kreuzung zweier Pflanzen derselben Art – abgekürzt, indem sie direkt die entsprechenden Gene transferiert haben. Bei diesem Vorgehen sprechen Experten auch von Smart Breeding.

Kritiker gegen Kartoffel

Die Ankündigung des Unternehmens, die Vermarktung in der Europäischen Union ab spätestens 2015 anzustreben, ist bei Kritikern gentechnisch veränderter Pflanzen auf Widerstand gestoßen. „Obwohl die meisten Verbraucher Gentechnik im Essen ablehnen, will die BASF weiterhin riskante Gen-Pflanzen durchsetzen“, sagt Stephanie Töwe von Greenpeace und verweist auf eine Befragung der Umweltorganisation vom April 2010. Damals hatten acht von zehn befragten Herstellern von Pommes frites und Kartoffelchips angegeben, künftig keine gentechnisch veränderten Kartoffeln in ihren Produkten einsetzen zu wollen (die Studie als pdf hier). 

Auch in der Politik ist die Haltung gegenüber der Kartoffel skeptisch. So scheint das Bundeslandwirtschaftsministerium nicht an einen Durchmarsch der Biotech-Kartoffel zu glauben. Das Zulassungsverfahren könne Jahre dauern, heißt es dazu von einem Sprecher. Kritisch geben sich auch einzelne Bundestagsabgeordnete. „Trotz ihres hoffnungsvollen Namens wird die Gen-Kartoffel Fortuna der BASF kein Glück bringen“, so Harald Ebner von der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. „BASF sollte auch im Sinne seiner Aktionäre nicht länger versuchen, dem Markt Produkte aufzuzwingen, für die es keine Nachfrage gibt.“

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BASF will mit Nachhaltigkeit punkten

Die BASF setzt dagegen auf Nachhaltigkeitsargumente.  „Unsere gentechnisch optimierte Speisekartoffel Fortuna hilft, die hohen Ernteverluste durch Kraut- und Knollenfäule einzudämmen und den Einsatz von Planzenschutzmitteln gegen Phytophtora drastisch zu reduzieren“, so BASF-Sprecher Thomas Deichmann. „Normalerweise müssen Landwirte pro Saison 10- bis 16-mal Fungizide gegen den Oomyceten spritzen, beim Anbau von Fortuna ist das nur noch zwei- bis dreimal erforderlich.“ Für die Landwirte könnte das auch ein wirtschaftliches Argument sein. Denn pro Hektar und Jahr investieren sie mit rund 470 Euro etwa ein Achtel des Geldes, das sie mit dem Kartoffelanbau erwirtschaften, in die Phytophtora-Bekämpfung. Als weiteres Plus führt  BASF an, dass die von der Agrico Research B.V. (Wageningen) einlizenzierten, natürlichen Resistenzgene (Rpi-blb1 und Rpi-blb2) die agronomisch attraktiven Eigenschaften der Muttersorte Fontane offenbar nicht stören.

Konventionelle Resistenzzüchtung als Alternative

Bei klassischer Resistenzzüchtung gegen Phytophtora war dies oft ein Problem. Denn stets wurden beim Einschleusen von Resistenzgenen aus Wildkartoffeln auch Gene mitgeschleppt, die andere, gewünschte Pflanzeneigenschaften negativ beeinflusst haben. Diese Gene dann aus dem vierfachen Chromosomensatz der Kartoffel wieder zu entfernen, ist mit konventionellen Zuchtmethoden extrem zeitaufwendig. Dennoch gibt es in Deutschland etliche Forscher, die sich auf diese Weise mit der Bekämpfung des Schädlings auseinandersetzen. „Mit den konventionell gezüchteten Sorten Bionica und Toluca gibt es bereits Kartoffeln die jeweils ein einzelnes, bislang stabiles Resistenzgen gegen Phytophtora tragen“, erklärt Kartoffel-Experte Thilo Hammann vom Julius-Kühn-Institut (JKI) in Groß-Lüsewitz. Allerdings habe ihre Entwicklung mehr als 30 Jahre gedauert, also etwa zwei- bis dreimal so  lange wie jene von gentechnisch gezielt veränderten Kartoffelsorten. „Wenn man bedenkt, dass Phytophtora durchschnittlich sieben Jahre gebraucht  hat, um unempfindlich gegen jedes der elf bekannten dominanten Phytophtora-Resistenzgene zu werden, ist die Zeit sicher ein Faktor“, so Hammann. Die BASF-Kartoffel sieht er dennoch skeptisch. Denn auch das Einschleusen einer Zweierkombination von Resistenzgenen könne eine dauerhafte Resistenz in Kartoffelpflanzen nicht garantieren, so der Experte.

In dieser Folge der Kreidezeit erklären wir, wie man mit Smart Breeding Pflanzen mit ganz bestimmten Eigenschaften züchten kann.Quelle: biotechnologie.de

Deshalb verfolgen die JKI-Forscher eine andere Strategie. Sie versuchen multiple Resistenzgene konventionell in Kartoffeln einzuschleusen. Auf diese Weise soll Phytophtora einerseits ein Überleben ermöglicht, andererseits aber sein Schädigungspotenzial begrenzt werden. Von einer Absenkung des Selektionsdruckes auf das Pathogen erhoffen sich die Ressortforscher des Bundeslandwirtschaftsministeriums eine dauerhafte Koexistenz von Pflanze und Pathogen und dadurch ein Absenken des Fungizideinsatzes um 30%. Darüber hinaus könnte mit dieser Strategie auch der Biomarkt bedient werden. Denn laut Hammann suchen vor allem Biobauern händeringend nach einer Lösung. Schließlich müssen sie bislang das zellschädigende Schwermetall Kupfer bei der Phytophtora-Bekämpfung einsetzen.

BASF und andere Gruppe favorisieren stattdessen die Etablierung einer dauerhaften „vertikalen Resistenz“, wie Experten das gezielte Einschleusen mehrerer Resistenzgene nennen. Infektionen von unter Glas kultivierten Kartoffelpflanzen mit beiden Resistenzgenen und ihren regulatorischen Elementen scheinen ihnen vorerst Recht zu geben. Sie hatten ergeben, dass die Fortuna-Kartoffel gegen hunderte verschiedener Phytophtora-Isolate stabil resistent ist. Seit 2006 hatte das Unternehmen die Kartoffel an mehr als 20 Standorten in Deutschland, Holland, Belgien, Großbritannien, Schweden und der Tschechischen Republik im Freiland getestet.

Seit 2007 laufen Freilandversuche zweier weiterer Forschergruppen. An der Universität Wageningen in den Niederlanden werden Kartoffeln mit den dominanten Einzelresistenzgenen R3a, sto1 und vnt1 – die aus anderen Kartoffeln stammen – sowie ihre Kombinationen im Freiland getestet. Allerdings ist noch unklar, wann sie die Marktreife erreichen werden. Darüber hinaus haben am britischen John Innes Centre im vergangenen Jahr Freilandversuche mit den Kartoffelsorten Maris Piper und Desiree begonnen, in die die Resistenzgene Vnt1 und mcq1 eingeschleust wurden. Wie lange die auf diese Weise erzeugten Resistenzen vorhalten, kann derzeit jedoch niemand sagen. Alternative biotechnische Konzepte befinden sich derzeit noch im Forschungsstadium. So arbeitet eine Gruppe um Dieter Peschen vom Fraunhofer Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie in Aachen daran, die DNA für spezielle Proteinein Kartoffelpflanzen einzuschleusen, um diese gegen die Knollenfäule zu rüsten (mehr...).

Großes Marktpotenzial für resistente Kartoffeln

 Schon jetzt ist allerdings klar: Die resistenten Kartoffeln zielen auf einen großen Markt. Im Jahr 2009 wurden weltweit 330 Millionen Tonnen Kartoffeln geerntet, davon 125 Millionen Tonnen in Europa und rund 57 Millionen Tonnen in den 27 EU-Staaten. Ausgehend vom aktuellen Marktpreis von etwa 100 Euro pro Tonne Speisekartoffeln verspricht der flächendeckende Einsatz Phytophtora-resistenter Kartoffeln ein Marktpotential von bis zu 50 Milliarden Euro weltweit und 8,6 Milliarden Euro in den EU-Staaten. Laut Greenpeace-Sprecherin Töwe könne die Kraut- und Knollenfäule statt mit Gentechnik allerdings besser mit neuen Züchtungen und modernen Anbaumethoden eingedämmt werden. „Aus unserer Sicht sollte BASF lieber hier Forschungsgelder investieren.“

© biotechnologie.de/tg
 

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