Direktlink :
Inhalt; Accesskey: 2 | Hauptnavigation; Accesskey: 3 | Servicenavigation; Accesskey: 4

Erbgut der wichtigsten Pharma-Zelllinie sequenziert

Die CHO-Zellen sind wichtige Produktionsstämme in der Pharmaindustrie. Das Erbgut eines Musterstammes wurde nun erstmals sequenziert. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Die CHO-Zellen sind wichtige Produktionsstämme in der Pharmaindustrie. Das Erbgut eines Musterstammes wurde nun erstmals sequenziert. Quelle: Alcibades / wikimedia commons

09.08.2011  - 

In der Pharmaindustrie werden Zellkulturen immer wichtiger. Viele Wirkstoffe der modernen Biopharmazeutika werden in speziellen Säugerzellen biotechnologisch hergestellt. Besonders häufig nutzen Firmen dafür sogenannte CHO-Zellen, die ursprünglich aus dem Eierstock eines Chinesischen Hamsters isoliert wurden. Ein internationales Forscherteam hat nun das Erbgut dieser wichtigen Zelllinie entschlüsselt und die Funktion vieler Gene geklärt. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin Nature Biotechnology veröffentlicht (2011, Bd. 29, S. 735-741).

Für Biotechnologen ist der Chinesische Hamster Cricetulus griseus ein ganz besonderes Tier. Im Jahre 1957 entnahm der Forscher Theodore Puck einem Weibchen an der Universität im US-amerikanischen Denver Zellen aus dem Eierstock, um eine Kultur anzulegen. Heute, mehr als 60 Jahre später, finden sich die Abkömmlinge als „chinese hamster ovary“-Zellen oder kurz CHO-Zellen in vielen Forschungslaboren rund um den Globus. Auch die Pharmaindustrie könnte heutzutage nicht mehr auf die Zelllinie verzichten. Schätzungen zufolge werden bis zu 70 Prozent aller in Deutschland zugelassenen biotechnologisch hergestellten Arzneien mit ihrer Hilfe gefertigt.

Ein internationales Forscherteam aus Dänemark, den USA und China hat CHO-Zellen des Typs K1 vollständig sequenziert. Im Fachmagazin Nature Biotechnology stellen Sie ihre Ergebnisse nun vor. Mit einem Computerprogramm haben sie 24.383 Gene identifiziert. Etwa vier Fünftel (83 Prozent) davon konnten sie durch Datenbanksuche eine Funktion zuweisen, das Protein also annotieren. „Die Genomsequenz und die umfassende Annotation der CHO-K1 Zelllinie bietet Wissenschaftlern eine nützliches Hilfsmittel, um Produktionsprozesse und Ausbeuten therapeutischer Proteine zu optimieren“, sagte Xun Xu, einer der am Projekt beteiligten Forscher.

Mehr zum Thema auf biotechnologie.de

News: Erfolg von Bioingenieuren: Künstliches Genom im Labor gebaut

Menschen: Ruth Freitag - Bringt Hochleistungszellen zum Leuchten

Menschen: Ralf Takors - Ingenieur des Lebens

Vollständige Annotation ist das Schwierige

Eine möglichst exakte Zuordnung zwischen dem Gen einerseits und der Funktion des jeweils codierten Proteins andererseits ist der Knackpunkt. Darin sind sich Experten einig. „Eine Sequenzierung der Zellen ist kein Problem, das kostet nur 5.000 Euro. Die vollständige Annotation ist das Schwierige. Dafür braucht es zusätzliche Experimente“, sagt auch Ralf Takors vom Institut für Bioverfahrenstechnik an der Universität Stuttgart. Lesen konnte er die Studie noch nicht, aber er ist sich sicher: „Wenn den Forschern die Annotation gelungen ist, wären sie die ersten, die das geschafft haben.“ Andere Arbeitsgruppen, auch in Europa, hätten dieses Problem bisher nicht lösen können. 

Dem Erfolg der CHO-Zellen in der Biopharmazeutika-Produktion tat die unbekannte DNA-Sequenz bisher keinen Abbruch. Die Pharmakonzerne nutzen ihre eigenen, an die besonderen Bedingungen in den jeweiligen Produktionsanlagen angepassten Stämme. „Ein Problem sind häufig die komplexen Modifikationen, die therapeutische Proteine aufweisen müssen, um ihre Wirkung entfalten zu können“, berichtet Takors. Eigentlich sind nur Säugetierzellen in der Lage, die komplizierten Proteine zu bilden, auf denen viele der Medikamente basieren. Ein besonders kritischer Punkt ist beispielsweise, an welchen Stellen des Proteins bestimmte Zuckerreste verankert werden. Das ist oft entscheidend: Bei Wachstumsfaktoren, die die Bildung von roten Blutkörperchen steuern, den Erythropoetinen, entscheidet dieses Glykosylierungsmuster darüber, ob das Protein im menschlichen Körper eine Wirkung entfaltet oder nicht. Normalerweise sind diese Moleküle an insgesamt vier Stellen mit einem Zuckerrest behängt. Um dieses Glykolysierungsmuster auch bei Erythropoetin aus Hamsterzellen zu erhalten, müssen im Erbgut der CHO-Zellen umfangreiche Änderungen vorgenommen werden.

Der nun sequenzierte Musterstamm CHO-K1 unterscheidet sich aber in vielen Details von den Produktionsstämmen, die in der Industrie eingesetzt werden. Wegen dieser Unterschiede können die nun veröffentlichten Daten allenfalls Hinweise darauf liefern, wie sich die CHO-Zellen besser an die Bedürfnisse der Industrie anpassen lassen, um zum Beispiel mehr Wirkstoffe zu produzieren. Der Anfang ist jedoch gemacht.


 

Autor: Bernd Kaltwaßer

 

Videos

Kurzfilme zur Biotechnologie in unserer Videorubrik

Ob Medizin, Landwirtschaft oder Industrie - in unserer Videorubrik finden Sie eine ganze Reihe von Kurzfilmen, die Sie leicht verständlich in die Welt der Biotechnologie einführen. 


Zur Rubrik Videos

TV-Glossar

Kreidezeit - Begriffe aus der Biotechnologie

Von A wie Antikörper bis Z wie Zellkultur - die Kreidezeit erklärt Begriffe aus der Biotechnologie kurz und knapp an der Tafel. Alle Videos finden Sie in unserem Filmarchiv.


Zur Rubrik Kreidezeit