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Bewegte Moleküle verraten besten Medikamentenkandidat

Mehr als 100.000 mögliche Wirkstoffe stehen Medikamentenforscher zur Auswahl. Münchner Forscher haben nun ein Verfahren entwickelt, mit dem Interaktionen zwischen möglichen Wirkstoffen und den kranheitsrelevanten Molekülen gemessen werden kann. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Mehr als 100.000 mögliche Wirkstoffe stehen Medikamentenforscher zur Auswahl. Münchner Forscher haben nun ein Verfahren entwickelt, mit dem Interaktionen zwischen möglichen Wirkstoffen und den kranheitsrelevanten Molekülen gemessen werden kann. Quelle: NanoTemper GmbH

07.06.2011  - 

Rezeptorproteine sind die Tore zur Zelle. Bei vielen Krankheiten spielen die Eiweiße in der Zellhülle eine entscheidende Rolle. Etwa 60 Prozent aller verschreibungspflichtigen Medikamente wirken über G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, die am häufigsten vorkommende Rezeptorklasse. Ein Forschungsteam aus München und Boston hat nun einen neuen Weg gefunden pharmazeutisch relevante Proteine wie diese auf dem Bildschirm sichtbar zu machen. Das neue Verfahren erlaubt so, mögliche Wirkstoffe für Medikamente deutlich schneller und einfacher zu testen.

Die G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR) gelten als zentrale Elemente in der Zellkommunikation. Die molekularen Schalter sitzen in der Zellmembran und reagieren nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip individuell auf Botenmoleküle. Der bekannteste dieser Rezeptoren, das Rhodopsin, sitzt in den Zellen des Auges: Lichtreize aktivieren den Rezeptor, der den Reiz in das Innere der Zelle auf das G-Protein überträgt. Innerhalb weniger Millisekunden wird auf diese Weise eine kaskadenartige Verstärkung des Signals ausgelöst. So wird ein Lichtreiz zu einem Nervenreiz, aus dem im Sehzentrum des Gehirns schließlich ein Bild entsteht. Doch GPCR sind nicht nur für die meisten Sinneswahrnehmungen zuständig. Auch bei vielen Krankheiten spielen die Zellschalter eine Rolle. Mit den geeigneten Substanzen lässt sich das Verhalten einer Zelle oder eines ganzen Organismus verändern. Für Medikamentenforscher macht sie das zu den am intensivsten untersuchten Angriffszielen für neue Medikamentenwirkstoffe.

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Schwierige Suche nach neuen Wirkstoffen

Mehr als 100.000 mögliche Wirkstoffe stehen Medikamentenforscher zur Auswahl. Denjenigen aufzuspüren, der sich am besten an einen relevanten Rezeptor bindet, ist keine einfache Aufgabe: Die Rezeptoren sind sehr fragil und müssen normalerweise in einer Membran stabilisiert sein. Körperähnliche Bedingungen zu schaffen, ist eine Herausforderung für die Wissenschaftler. „Bei herkömmlichen Messmethoden setzt man oft auf Oberflächensensoren mit einer Goldschicht. Das sind Bedingungen, die ganz weit weg sind von den natürlichen Bedingungen im Körper“, sagt Philipp Baaske. Zusammen mit seinem Kollegen Stefan Duhr forscht er an der Ludwig-Maximilians-Unversität (LMU) in München auf diesem Gebiet. Wirkstoffe, die normalerweise an ein Zielmolekül binden würden, tun dies unter den künstlichen Laborbedingungen möglicherweise nicht mehr. „Im Körper gibt es keine Goldoberflächen, da kann man sich vorstellen, dass bei diesen Messmethoden komische Ergebnisse rauskommen können“, so Baaske. Ergebnisse die möglicherweise zur Folge haben, dass ein optimaler Wirkstoff nicht erkannt wird oder vermeintlich optimale Wirkstoffe in den folgenden klinischen Studien Millionen Euro verschlingen.

Das neue Messverfahren beruht auf dem Prinzip der Thermophorese: Bindet ein Wirkstoff an ein Molekül, bewegt sich der Komplex zum Bereich mit den höheren Temperaturen.Lightbox-Link
Das neue Messverfahren beruht auf dem Prinzip der Thermophorese: Bindet ein Wirkstoff an ein Molekül, bewegt sich der Komplex zum Bereich mit den höheren Temperaturen.Quelle: NanoTemper GmbH
 

Laser bringt Bewegung in die Biomoleküle

Forscher vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston haben nun eine Möglichkeit gefunden, eine Barriere zu überwinden: Aus künstlichen Peptiden haben die Spezialisten membran-ähnliche Strukturen entwickelt. Die GPCR können in diese Strukturen eingebaut werden und behalten so ihre natürlichen Eigenschaften. Nur gab es bisher kein geeignetes Verfahren, Wechselwirkungen zwischen den eingebetteten Rezeptoren und möglichen Wirkstoffen zu messen. Doch dank Baaske und Duhr lässt sich die Entwicklung der MIT-Forscher nun wirklich nutzen: Die Münchner Biophysiker haben eine neuartige Methode entwickelt, beliebige Interaktionen zwischen zwei oder mehr Biomolekülen zu messen. Dabei beruht das Verfahren eigentlich auf einem alt bekannten natürlichen Ereignis: der Thermophorese. In den Naturwissenschaften wird darunter die Bewegung von Teilchen aufgrund eines Temperaturgradienten innerhalb einer Flüssigkeit bezeichnet. Meist erfolgt die Bewegung von heiß nach kalt, doch ist auch eine Bewegung zur heißeren Region möglich. Baaske hat dieses Phänomen zunächst an Vulkanquellen im Meeresboden untersucht. „Irgendwann hatten wir die Idee, dieses Prinzip für die Wirkstoffentwicklung einzusetzen“, sagt er.  Aus dieser Idee entstand ein Gerät in der Größe einer Bierkiste. Mit einem Infrarotlaser ausgestattet, erlaubt dieses, die Temperatur einer Probe mit biologischen Molekülen, wie etwa GPCR, lokal um zwei bis drei Grad Celsius zu erhöhen. Das Neue: Der Laser macht eine Erwärmung von Molekülen frei in Lösung – also ähnlich wie im Körper - und auf nur wenigen Mikrometern möglich.

Ein Gerät, so groß wie eine Bierkiste. Das Bewegungsmuster der Biomoleküle wird auf einem Bildschirm sichtbar.Lightbox-Link
Ein Gerät, so groß wie eine Bierkiste. Das Bewegungsmuster der Biomoleküle wird auf einem Bildschirm sichtbar.Quelle: NanoTemper GmbH
Das erstaunliche Prinzip dahinter: Bindet ein Wirkstoff an ein Molekül, erkennt man dies an seinem Bewegungsverhalten. „Der Protein-Wirkstoff-Komplex bewegt sich dann zu dem kleinen Bereich mit den höheren Temperaturen“, erklärt Duhr. „Im Fall, dass der Wirkstoff nicht bindet, also auch nicht wirkt, bewegt sich das Protein entgegengesetzt - von den hohen zu den niedrigen Temperaturen.“ Das Bewegungsmuster der Moleküle lässt sich dabei direkt auf einem Bildschirm beobachten.

Raus aus dem Keller, rauf auf den internationalen Markt

Die Vorteile dieser Messmethode liegen für Duhr klar auf der Hand: „In nur wenigen Sekunden bekommt der Anwender das Ergebnis auf seine Fragestellung geliefert.“ Sogar die Bindung einzelner Ionen aber auch ganzer Ribosomen lassen sich mit der Thermophorese-Methode quantifizieren. „Die Pharmaindustrie sucht händeringend nach Messmethoden, die möglichst nah an die natürlichen Bedingungen im Körper reichen, damit Messartefakte bereits in frühen Phasen ausgeschlossen werden können“, fügt Baaske hinzu.Ein Imagefilm der NanoTemper Technologies GmbH. Das von den Münchner Forschern entwickelte Verfahren erlaubt beliebige Interaktionen zwischen zwei oder mehr Biomolekülen zu messen.Quelle: YouTube/NanoTemper GmbH

Zur Vermarktung ihrer Idee haben die  beiden 2007 das Unternehmen NanoTemper Technologies als Spin-Off der LMU gegründet. Ihre Arbeit wird seitens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen einer KMU-innovativ-Förderung unterstützt. Die Technologie- und Innovationsförderung für NanoTemper läuft noch bis Oktober. Knapp 300.000 Euro werden sie dann über die letzten drei Jahre erhalten haben.

Mehr als 40 Geräte sind bereits verkauft. Noch liegen die Labor- und Geschäftsräume der beiden Jungunternehmer im Keller eines Nebengebäudes der LMU. Doch der Umzug auf 500 Quadratmeter in den Münchner Süden steht bevor - genug Raum für die nun bevorstehende Serienproduktion. „Wir wollen auf den internationalen Markt“, so Baaske. Und die ersten Schritte dorthin sind gemacht: „Wir haben bereits drei Geräte in die USA und eines nach Japan geliefert.“

© biotechnologie.de/tk

 

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