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Multiparameteranalytik: Ein Test - viele Antworten

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Veranstaltungsort des 5. Senftenberger Innovationsforums Multiparameteranalytik war das Konrad-Zuse-Medienzentrum der Hochschule Lausitz. Quelle: Steffen Rasche / HSL

16.03.2011  - 

Könnten mehrere Untersuchungen in einem einzelnen Test gebündelt werden, so ließe sich damit Zeit, Material und Geld sparen. Aus diesem Grund arbeiten Forscher an immer neuen Formen der Multiparameteranalytik. In Senftenberg in der Niederlausitz trafen sich Mitte März Experten aus ganz Deutschland, um sich über die neuesten Entwicklungen auf diesem Gebiet auszutauschen.

„Sieben auf einen Streich“ – unter diesem Motto mausert sich bei den Gebrüdern Grimm das tapfere Schneiderlein zum veritablen Helden. In der modernen Medizin schicken sich Forscher an, mit einem ganz ähnlichen Versprechen für einen Wandel in der Diagnostik zu sorgen. Statt wie bisher üblich eine Laboruntersuchung nach der anderen abarbeiten zu müssen, sollen künftig mehrere Informationen auf einmal mit einem einzigen Test erfasst werden. Die Forscher hoffen, dass diese sogenannten multiparametrischen Analysen zu schnelleren und präziseren Ergebnissen führen. Den potentiellen Kunden versprechen die Gerätehersteller nicht nur eine Kostenersparnis, sondern auch einen geringeren Arbeitsaufwand.

 

In den Pausen gab es in der Eingangshalle des Konrad-Zuse-Baus rege Diskussionen unter den Teilnehmern.Lightbox-Link
In den Pausen gab es in der Eingangshalle des Konrad-Zuse-Baus rege Diskussionen unter den Teilnehmern.Quelle: BIOCOM AG

Märchenhafte Aussichten also? Auf dem 5. Senftenberger Innovationsforum Multiparameteranalytik trafen sich nicht nur Forscher und Unternehmer, sondern auch Anwender und Politiker, um über die Zukunft der innovativen Diagnostika zu sprechen. Etwa 130 Experten aus ganz Deutschland waren am 10. März im kleinen Städtchen Senftenberg in der Niederlausitz zu Gast. Unter anderem mit dem Verein BioResponse e. V. hat sich dort im Laufe der vergangenen Jahre ein enges Netzwerk zwischen Forschung und Wirtschaft gebildet, dass die Entwicklung der Multiparameteranalytik immer weiter vorantreibt. Gemeinsam arbeiten die Unternehmen an aufeinander aufbauenden Produkten, um die Möglichkeiten der Labordiagnostik zu erweitern.

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Förderbeispiel: Neues Werkzeug für die Biomarkeranalytik

In Senftenberg präsentierten mehrere Firmenvertreter Produkte, die inzwischen auch im Markt angekommen sind. Die PolyAn GmbH aus Berlin beispielsweise hat sich unter anderem auf die Herstellung besonderer Mikropartikel spezialisiert. Die kleinen, aus Plexiglas bestehenden Kügelchen, werden mit zwei unterschiedlichen Farbstoffen beladen und können in unterschiedlichen, genau festgelegten Größen produziert werden. So lassen sich die als „Beads“ bezeichneten Teilchen später zum Beispiel unter dem Fluoreszenzmikroskop voneinander unterscheiden. Damit steht dem Produkt ein breites Anwendungsspektrum in Forschung und Diagnostik offen. Beispielsweise nutzt die Attomol GmbH aus Bronkow diese Beads, um einen multiparametrischen Test anzubieten. „Die Kügelchen sind am Boden unserer Testplatten immobilisiert“, erläutert Attomol-Chef Lehmann. Als „ANA-Bead-Assay“ hilft das Produkt, systemische rheumatische Erkrankungen voneinander zu unterscheiden. Bei diesen zur Gruppe der Autoimmunkrankheiten gehörenden Leiden wendet sich das Immunsystem des Menschen gegen den eigenen Körper. Die dann gebildeten Autoimmunantikörper zerstören gesunde Körperzellen, so dass Bestandteile vom Zellkern, dem Nukleus, ins Blut gelangen. Gegen diese Kernfragmente bilden sich sogenannte anti-nukleäre Antikörper (ANA), die sich mit dem ANA-Bead-Assay besonders einfach nachweisen lassen. „Bisher mussten in den klinischen Laboren viele einzelne Tests gemacht werden, um zwischen den verschiedenen Subtypen systemischer rheumatischer Erkrankungen zu unterscheiden“, so Attomol-Mitbegründer Lehmann. Mit dem neuen, bereits zugelassenen Produkt können nun neun verschiedene Autoantikörper gleichzeitig untersucht werden.

Auch die Forscher profitieren vom Netzwerk

Doch nicht nur die Unternehmen, auch die Wissenschaft profitiert von der engen Kooperation. Eine Nachwuchsforschergruppe an der Hochschule Lausitz nutzt beispielsweise die Beads der PolyAn GmbH, um neuartige PCR-Verfahren zu entwickeln. Ulrike Frömmel, Doktorandin in der Arbeitsgruppe des Bioanalytikers Peter Schierack erklärt: „Wir koppeln die Mikropartikel an unsere DNA-Sonden und immobilisieren sie dann am Boden unserer Testplatten.“ Mit dem Verfahren ließen sich bis zu neun PCR-Produkte simultan nachweisen, später einmal könnten so zum Beispiel Krankheitserreger genauer untersucht werden. Den bisherigen PCR-Methoden ist das neue System besonders bei der Auswertung überlegen. Mit den bisherigen Methoden konnten Produkte, die gleich groß waren, nicht voneinander unterschieden werden. „Weil mit dem neuen System eine Kamera einfach die verschiedenen Fluoreszenzen der an die Mikrobeads gebundenen PCR-Produkte auswertet, spielt ihre Größe keine Rolle mehr“, so Frömmel.

Bioanalytik in der Niederlausitz

In der Niederlausitz hat sich eine vitale Bioanalytikszene etabliert.

Eines der großen Netzwerke vor Ort ist BioResponse e.V.: hier klicken

Das Zentrum für molekulare Diagnostik und Bioanalytik spielt eine wichtige, koordinierende Rolle: hier klicken

Die Hochschule Lausitz bietet einen Studiengang Bioanalytik an: hier klicken

Einen Blick auf die „Biosensoren der Zukunft“ warf Frank Bier, vom Fraunhofer Institut für Biomedizinische Technik aus Postdam (mehr...). Unter seiner Federführung entwickeln derzeit acht Fraunhofer-Institute gemeinsam eine Plattform zur in-vitro Diagnostik (IVD). „Mit der Fraunhofer-IVD-Plattform wollen wir möglichst viele Analyseschritte auf einem einzigen Chip unterbringen“, berichtete Bier in Senftenberg. Der etwa Scheckkarten-große Biochip soll sich eines Tages nach Kundenwunsch mit Biomarkern bestücken lassen, die dann beispielsweise für die automatisierte Bestimmung von Krankheiten genutzt werden. Bier selbst arbeitet zudem noch am „Taschentuchlabor“: „Im Prinzip geht es darum, dass Sensormoleküle das Andocken der Zielsubstanzen direkt erkennen und ein Signal auslösen.“

Auch wenn diese Anwendungen noch Zukunftsmusik sind, der Fraunhofer-Forscher ist sich sicher: „In der molekularen Diagnostik hat die Erntezeit begonnen.“ Die neuen Methoden brächten Patienten und Gesellschaft große Vorteile. Ganz so euphorisch sieht Karl Lackner, der Präsident der Deutschen Vereinten Gesellschaft für klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, die Zukunft nicht. Er warnt vor Fallstricken auf dem Gebiet: „Stellen Sie sich vor, sie setzen große Hoffnungen in die Entwicklung eines Produkts, und dann stellen sie am Ende fest, die Leute brauchen etwas ganz anderes.“ Mit diesen Worten forderte Lackner in Senftenberg einen intensiven Dialog zwischen den Entwicklern und Anwendern der Multiparameterdiagnostik. Er betonte, dass falsche diagnostische Ergebnisse direkten Einfluss auf den weiteren Behandlungsverlauf haben: Entweder weil eine wichtige Behandlung unterbliebe, wenn mit einem fehlerhaften Test ein negatives Ergebnis erreicht wurde. Oder, im umgekehrten Fall, weil bei einem vermeintlich positiven Ergebnis der Patient unnötig verunsichert werde und gegebenenfalls völlig unnötig starke Medikamente einnehmen müsste. Auch Phillipp von Landenberg vom Institut für Laboratoriumsmedizin am Kantonspital Olten hob die Bedeutung qualitativ hochwertiger Biomarker hervor: „Wenn sie zu einem wenig aussagekräftigen Test noch zehn weitere wenig aussagekräftige Tests hinzutun, so bleibt das Ergebnis immer noch schlecht“. Um so wichtiger sei daher, nicht nur die Qualität der Biomarker zu verbessern, sondern auch die Testauswertung auf einen möglichst hohen Stand zu bringen. Dies könnte zum Beispiel durch Automatisierung wichtiger Arbeitsschritte geschehen, schlug der Labormediziner vor.

 

Unternehmen aus der Region nutzen die Veranstaltung, um über ihre Produkte und Dienstleistungen zu informieren.Lightbox-Link
Unternehmen aus der Region nutzen die Veranstaltung, um über ihre Produkte und Dienstleistungen zu informieren.Quelle: BIOCOM AG

Trotz dieser offenen Worte beurteilt Universitätsmediziner Lackner die Entwicklung der Bioanalytik in der Niederlausitz positiv. In den letzten Jahren habe sich die Bioanalytik in der Niederlausitz zunehmend in Richtung Markt entwickelt. „Diese Ansätze sind ganz ansehnlich“, sagte er am Rande der Tagung.

Clusterbildung durch BMBF gefördert

Möglich wurde dies auch dank staatlicher Unterstützung. In den vergangenen Jahren haben vor allem das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Brandenburger Wirtschaftsministerium das Entstehen einer Biodiagnostik-Szene in der Hauptstadtregion unterstützt. „Vor 20 Jahren konnte sich noch niemand vorstellen, wie unmittelbar wirtschaftsnah Wissenschaft sein konnte“, erinnert sich BMBF-Vertreter Hans-Peter Hiepe. Vor zehn Jahren hat sein Ministerium dann in Senftenberg das erste Innovationsforum im Rahmen der Förderinitiative „Unternehmen Region“ gefördert, um zu sehen, welche Potentiale in der Region vorhanden gewesen sind. Offenbar war das der richtige Ansatz: Inzwischen habe sich der Cluster sehr gut entwickelt. Das Zentrum für Molekulare Diagnostik und Bioanalytik (ZMDB), einer der Veranstalter des Innovationsforums konnte sich auf die Unterstützung der Unternehmen aus der Region verlassen. „Sie haben erkannt, wie wichtig es ist, die Anforderungen der Labormediziner mit Ideen von akademischen Forschern und Entwicklungen aus der Wirtschaft zusammenzubringen“, so Günter Peine, vom ZMDB. Um diesen Dialog weiter zu fördern, soll das Innovationsforum künftig in jährlichem Rhythmus stattfinden.

 

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