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Gitte Neubauer: Pionierin des Proteoms

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Gitte Neubauer ist studierte Biochemikerin und eine der Gründerinnen des Proteomik-Spezialisten Cellzome in Heidelberg. Quelle: Cellzome

26.01.2011  - 

Gitte Neubauer gehört nicht zu den Menschen, die Angst vor dem Neuen haben. „Es gibt immer etwas Spannendes zu sehen, wenn man vor die Tür geht“, sagt sie. Nach der mittleren Reife in ihrem Geburtsort Coburg ließ sie sich zur chemisch-technischen Assistentin ausbilden und arbeitete an der Universität Heidelberg. Dann der Turbo: Abitur in Mannheim, GSK in Großbritannien, Biochemie am Imperial College in London. Im Gespräch verfällt sie ab und zu ins Englische. Nach zwei Jahren am EMBL in Heidelberg die Firmengründung. Als wäre das noch nicht genug, gibt es noch drei Kinder, eins vor, zwei nach der Gründung von Cellzome, und einen Mann. Man glaubt ihr, wenn sie sagt: „Wenn es bei Cellzome nicht immer so spannend wäre, wäre ich schon weg.“


Es war eine Zeit, in der alles möglich schien. Neuartige Technologien versprachen eine fantastische Zukunft. Investoren warteten nur darauf, ihr Geld in Start-ups zu stecken. Und junge Talente zögerten nicht lange und gründeten. Die neunziger Jahre endeten mit einer Verheißung. Nicht nur für Internet-Pioniere in Kalifornien. Auch für Molekularbiologen in Heidelberg. Im Jahr 1998 erhielten die Forscher am renommierten European Molecular Biology Laboratory (EMBL) ungewöhnlichen Besuch. Keine Kollegen im Laborkittel, sondern Investmentexperten im Anzug diskutierten mit ihnen über ihre Arbeit.

Und darüber, wie Erkenntnisse zu Umsätzen werden könnten. Damals war Gitte Neubauer 32 Jahre alt und Postdoc in der Gruppe von Matthias Mann. Mann ist heute am Max-Planck-Institut für Biochemie tätig. Vor zwei Jahren sorgten er und seine Arbeitsgruppe für Aufsehen, als sie erstmals rund 4400 unterschiedliche Eiweiße in der Hefe identifizierten (mehr...). Heute ist Neubauer Vice President der Research Operations in dem von ihr mit sieben weiteren EMBL-Kollegen gegründeten Unternehmen Cellzome. An zwei Standorten in Heidelberg und Cambridge arbeiten mehr als 90 Mitarbeiter, in den letzten sechs Jahren wurden mit Kooperationen rund 150 Millionen US-Dollar eingenommen.

Dank einer Technologie, mit der die Wechselwirkung von chemischen Substanzen mit Proteinen direkt in einer Lösung mit Zellbruchstücken untersucht werden kann, ist Cellzome in der Proteomik zu einem der weltweit führenden Unternehmen aufgestiegen.Lightbox-Link
Dank einer Technologie, mit der die Wechselwirkung von chemischen Substanzen mit Proteinen direkt in einer Lösung mit Zellbruchstücken untersucht werden kann, ist Cellzome in der Proteomik zu einem der weltweit führenden Unternehmen aufgestiegen.Quelle: Cellzome

Who is who der Pharmaindustrie
Zu Beginn hatte sich Cellzome auf die Kartierung von Protein-Protein-Interaktionen konzentriert. Denn wenn man versteht, wie Proteine in einer Zelle interagieren, führt das zu ganz neuen Ansatzpunkten für die Entwicklung von Medikamenten. Mittlerweile hat sich Cellzome in der Proteomik als eines der weltweit führenden Unternehmen etabliert, dank  einer Plattform, mit der die Wechselwirkung von chemischen Substanzen mit Proteinen direkt im Zell-Lysat untersucht werden kann. Im Januar 2002, 18 Monate nach Gründung, sorgte Cellzome auch jenseits des Neckartals für Aufsehen, mit einer kompletten Proteomkarte der Hefe. Als die Titelgeschichte in Nature veröffentlicht wurde, stand das Telefon nicht mehr still. Das „Prinzip Cellzome“ war geboren. „Nach jeder größeren Publikation gab es eine neue Partnerschaft“, sagt Neubauer.

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Das junge Unternehmen sammelte schnell arrivierte Kunden, ein Who-is-Who der Pharmaindustrie. Bayer, Novartis sowie Johnson&Johnson gehören dazu. Der dickste Fisch jedoch ist GlaxoSmithKline. Die Briten benutzen seit 2008 zwei von Cellzome entwickelte Technologieplattformen, um Wirkstoffe zu finden, die Kinasen und epigenetische Enzyme in den Zellen beeinflussen. Mit Alan Watt hat sich Cellzome vor kurzem einen ausgewiesenen Experten für die präklinische Entwicklung geholt. Man beschränkt sich in Heidelberg bewusst auf die eigenen Stärken. „Und die liegen in der präklinischen Forschung“, sagt Neubauer. Und in der Innovation. „Ich sehe meine Rolle im Unternehmen nicht darin, an alten, überkommenen Werten festzuhalten.“ Dass Cellzome seit der Gründung die technologische Führung nicht mehr abgegeben hat, liegt auch an der studierten Biochemikerin. „Ich habe die Technologie ins Unternehmen eingebracht.“

Gnade der frühen Geburt
Neubauer sorgt auch dafür, dass der vom EMBL übernommene Anspruch auf wissenschaftliche Exzellenz unter privatwirtschaftlichen Bedingungen nicht aufgegeben wird. Es wird international rekrutiert – die Mitarbeiter kommen aus 11 Nationen – und kommuniziert – Mails und Meetings werden in Englisch abgehalten. Gute Forschung alleine reicht allerdings nicht. Das hat man bei  Cellzome von Anfang an begriffen und deshalb das Management früh an Profis abgegeben. „Wahrscheinlich gibt es uns deshalb heute noch“, sagt Neubauer.

Aber nicht nur Pragmatismus, sondern auch die Gnade der frühen Geburt ließ Cellzome gedeihen. „Die Boomzeit, die damals herrschte, diese große Euphorie, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Bei unserer zweiten Finanzierungsrunde 2001 konnten wir noch nichts vorweisen, keine Partnerschaft, kein Drug Target, kein Programm. Die Investoren glaubten einfach an uns und unsere Technologie.“ Die letzte Finanzierung war 2003. Seitdem finanziert sich Cellzome – ungewöhnlich für die Branche – alleine mit profitablen Industriekooperationen. Manchmal zahlt sich Glaube aus.


Autor: Christoph Mayerl

 

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