Implantate keimfrei halten
25.01.2011 -
In Deutschland werden jedes Jahr hunderttausende Operationen vorgenommen, bei denen ein Gelenk durch eine Prothese ersetzt wird. Vielen älteren Menschen erlaubt eine künstliche Hüfte beispielsweise wieder, ohne Krücken gehen zu können. In einigen Fällen werden bei der Operation aber Keime in die Wunden eingeschleppt, die zu teils schweren Komplikationen führen. Wissenschaftler um Renate Förch vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz arbeiten nun an einem Material, das es den Keimen erschweren soll, sich auf den Implantaten festzusetzen. Die EU fördert die Forschung im Rahmen des EMBEK1-Programms mit bis zu 2,9 Millionen Euro.
Das Institut für Qualität und Patientensicherheit hat ermittelt, dass allein im Jahr 2008 rund 180.000 Menschen eine Hüftprothese eingesetzt wurde. In etwa einem Prozent der Fälle kommt esjedoch nach der Operation zu Entzündungen, weil Krankheitserreger in das Gewebe eingeschleppt wurden. In den meisten Fällen kann durch die Behandlung mit Antibiotika Schlimmeres verhindert werden, jedoch drohen bei schweren Verläufen Komplikationen. Denn die Behandlung der Infektion ist aufgrund des nun im Körper und im Bereich der Infektion vorhandenen Fremdkörpers – dem künstlichen Kniegelenk – schwieriger. Die Patienten laborieren dann nicht nur länger an den Folgen der OP, oft werden erneute Eingriffe und eine langwierige Behandlung mit entzündungshemmenden Medikamenten erforderlich.
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Die Keimbesiedlung von Implantaten verhindern
Im von der Europäischen Union geförderten Projekt EMBEK1, das noch bis zum Sommer 2011 läuft, wollen die Forscher aus Mainz nun gemeinsam mit Kollegen aus Spanien, Großbritannien und der Schweiz das Risiko von Wundentzündungen verringern. Beteiligt sind nicht nur akademische und klinische Partner, sondern auch Unternehmen wie die Roche Diagnostics Gmbh. „Wir entwickeln Oberflächenbeschichtungen für Implantate und Wundauflagen, auf denen die Keimbesiedlung nicht oder nur schwer möglich ist“, erklärt Projektleiterin Renate Förch vom Max-Planck-Insitut für Polymerforschung in Mainz.
Erreger sind häufig Antibiotika-resistent
Denn bisher gestaltet sich die Behandlung dieser Infektionen häufig schwierig. Die größte Gefahr geht dabei von Krankenhauskeimen wie Staphylokokken aus: Gelangen diese Bakterien ins Blut, kann es zur Sepsis, zur Blutvergiftung, kommen. Mediziner fürchten schwere Verläufe dieser Erkrankung, die trotz einer Maximaltherapie in 30 bis 50 Prozent aller Fälle mit dem Tod des Patienten enden.
Besonderes Augenmerk wollen die Forscher um Förch deshalb auf die problematischen Krankenhauskeime Staphylococcus aureus und Pseudomonas aeroginosa legen, die immer wieder neue Resistenzen auf Antibiotika zeigen. In einem entsprechenden Bericht verweist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) darauf, dass 2010 bereits 25 Prozent aller Bakterienstämme immun gegen Antibiotika waren. Förch sucht nun nach Methoden, die solche bakterielle Infektionen bei medizinischen Eingriffen schon im Ansatz verhindern können. Ihre Idee: Werden die Implantate so beschichtet, dass Bakterien sich nicht mehr anheften können, dann wird zumindest auf diesem Weg keine Infektion mehr verschleppt.
Gesucht: aktive Gene beim Anheften
In einem ersten Schritt suchen die Forscher deshalb nach den biologischen Mechanismen, die den Bakterien das Anheften und Besiedeln von Implanaten erlauben. Zu diesem Zweck suchen sie nach den Genen, die während des Anheftungsprozesses aktiv sind. Die Mainzer Wissenschaftler haben auch schon eine Idee, wie die Bakterien aufgehalten werden könnten: „Um die gewünschten Materialeigenschaften zu erzeugen, kommt bei uns die so genannte Plasma-Beschichtung von Oberflächen zum Einsatz“, erläutert Förch. Später sollen dann die Implantantoberflächen mit bestimmten kunststoffähnlichen Materialien, eben den Plasmapolymeren, beschichtet werden. Damit können auch komplex geformte Oberflächen wie bei den Implantaten mit einer dünnen, gleichmäßigen Oberflächenschicht überzogen werden. Werden in die Beschichtung Zink freisetzende Strukturen eingearbeitet, können die Metallmoleküle ihre immunstimulierende Wirkung entfalten. Zink ist wesentlich an der Aktivierung von bestimmten weißen Blutzellen und Antikörpern beteiligt. Keime können auf solchen Oberflächen weder siedeln noch sich vermehren.
EMBEK1 |
Als Teil des siebten Forschungsrahmenprogramms der EU soll das Projekt EMBEK1 neue, antimikrobielle Oberflächen entwickeln. Zum Projekt EMBEK1 auf den Seiten des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung: hier klicken Zum deutschen Portal für das siebte Forschungsrahmenprogramms der EU: hier klicken |
Die Kooperationspartner aus Großbritannien und der Schweiz verfolgen jeweils eigene Ansätze. Die Eidgenossen vom Materialprüfungsamt EMPA in St. Gallen beispielsweise versuchen Nanostrukturen zu entwickeln, die Silber zunächst speichern und dann gezielt freisetzen können. Die verschiedenen Techniken werden dann später gemeinsam erprobt. Wie lässt sich eine optimale Lagerfähigkeit erreichen, welches Material ist am verträglichsten? Diese Fragen werden wiederum von anderen Kollegen in Mainz, Köln, Exeter und Barcelona untersucht.
Unter dem Dach des siebten Forschungsrahmenprogramms investiert die Europäische Union insgesamt 2,9 Millionen in das Projekt. Aus der Sicht der Wissenschaftler eine gute Geldanlage. Förch geht davon aus, dass schon in wenigen Jahren erste innovative Produktentwicklungen aus diesem Projekt in der praktischen Anwendung Einzug halten werden.