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Norbert Weidner: Stammzellen- und Gentherapie gegen Querschnittslähmung

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Norbert Weidner ist ärztlicher Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg. Quelle: privat

07.12.2010  - 

Seit Jahrzehnten verzweifeln Mediziner daran, durchtrennte Nervenstränge wieder zusammenwachsen zu lassen. In Heidelberg arbeitet Norbert Weidner und seine Arbeitsgruppe an einer Kombination aus Gen- und Zelltherapie. "Wir setzen auf einen innovativen Therapieansatz, der in Amerika seinen Ursprung hat und von Armin Blesch, habilitierter Biologe und Leiter des Forschungslabors 'Neuroregeneration', über Jahre weiterentwickelt wurde", erklärt der ärztliche Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg. Die neuesten Zwischenergebnisse können sich international sehen lassen: Im Journal Nature Neuroscience (Ausg.12 2009, S. 1106 – 1113) beschrieben die Forscher, wie verletzte Nervenstränge im Tiermodell wieder zusammenfinden. Doch bevor die Therapie am Menschen eingesetzt wird müssen noch einige "Hausaufgaben" erledigt werden.

 

Eine Querschnittslähmung wird meist durch Unfälle hervorgerufen, aber auch Tumoren oder Schlaganfälle können dazu führen. Zum Leidwesen von Betroffenen sind durchtrennte Nerven im Rückenmark leider unfähig, über größere Distanzen funktionsfähig zusammenzuwachsen und den Informationsfluss zwischen Gehirn und Körper wiederherzustellen. Der Mediziner und Wissenschaftler Norbert Weidner setzt im Kampf gegen die Lähmung auf eine neuartige Therapieform: „Wir führen den Ansatz einer kombinierten Zell- und Gentherapie fort und schaffen somit eine wachstumsfördernde Umgebung für durchtrennten Nervenendigungen“, erklärt der 45jährige Professor. Denn die Nerven verfügen durchaus über das Potenzial, wieder zu wachsen. Die Herausforderung besteht darin, sie dazu zu bringen. Das Regenerationsprogamm wird laut Weidner nur aktiv, wenn sich die Nerven in ihrer Umgebung rundum wohl fühlen und zudem bestimmte Signalstoffe vorhanden sind, die die entsprechenden Gene aktivieren.

Läsionierte Axone im Rückenmark (rot), welche in Richtung transplantierter adulter neuraler Stammzellen (grün) wieder aussprossen.Lightbox-Link
Läsionierte Axone im Rückenmark (rot), welche in Richtung transplantierter adulter neuraler Stammzellen (grün) wieder aussprossen.Quelle: Weidner/Universität Heidelberg

Wellness für Nervenendigungen

Für das Wohlbehagen der Nervenfortsätze wird wie folgt gesorgt: „Zunächst transplantieren wir genetisch veränderte Stammzellen, welche den körpereigenen Wachstumsfaktor Neurotrophin 3 produzieren, in den defekten Bereich,“ erklärt Weidner, der sich sein Wissen und Handwerk als Nachwuchswissenschaftler an der Universität von Kalifornien in San Diego, USA, angeeignet hat. „Dieses Protein regt im Bereich der Rückenmarksschädigung die Nervenbahnen zur Wiederaussprossung und zur Verknüpfung der Nervenendigungen an“, sagt Weidner. Die innerhalb der Gentherapie transplantierten Zellen bilden eine Leitschiene, auf der Nervenendigungen nun wie auf einem roten Teppich auswachsen können.

Das Konzept der kombinierten Stammzell- und Gentherapie hat beim  Tierversuch sehr gute Ergebnisse erzielt, die in Nature Neuroscience (Ausg.12 2009, S. 1106 – 1113) veröffentlicht wurden. „Die elektronenmikroskopischen Aufnahmen zeigen, dass die Nervenbahnen durch die Behandlung wieder zusammenwachsen", sagt Weidner. „Es ließ sich jedoch noch nicht beweisen, dass die Nervenbahnen auch wieder voll funktionsfähig sind.“  Die fehlende Myelinisierung der Nervenzellen, eine Art elektrische Isolierung der Nervenfasern, könnte möglicherweise der Grund dafür sein.

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Die Regenerationskräfte des Körpers ankurbeln

Die Heidelberger möchten derartige Ergebnisse möglichst bald dem Patienten zugute kommen lassen – doch bevor klinische Studien denkbar sind, muss die Frage der Funktionalität der verknüpften Nervenendigungen nachgegangen werden. „Für das Gelingen des stammzellbasierten Therapieansatzes wird eine zusätzliche Rehabilitation nötig sein“,  folgert Weidner. Auch bei diesem letzten Schritt vertrauen die Mediziner auf die Regenerationskräfte, die im Körper schlummern und angeregt werden müssen. „Wir postulieren, dass  durch gezieltes Training Nervenendigungen den nötigen Input erhalten, um voll funktionsfähig zusammenzuwachsen.“ 

Die Heidelberger Klinik für Paraplegiologie – so nennen Mediziner die Querschnittslähmung – ist eines von 30 Zentren für Querschnittsgelähmte in Deutschland. Das 61-Betten-Haus bietet ein vielfältiges Spektrum an, um den Patienten zu helfen. „Wir entwickeln innovative Rehabilitationsansätze, zum Beispiel Neuroprothesen, die über sogenannte Brain-Computer-Interfaces gesteuert werden oder  technische Assistenzsysteme, die die Gehfunktion trainieren“, erläutert der vierfache Familienvater. Damit versuchen die Mediziner neue Forschungsansätze bestmöglich in die Versorgung von Querschnittsgelähmten zu integrieren.


Autorin: Andrea van Bergen

 

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