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Extrem-Mikrobe lebt von Arsen

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Der arsenhaltige Mono Lake in Kalifornien. Hier fanden die Nasa-Forscher ein Bakterium, das mit dem giftigen Halbmetall umgehen kann. Die Mikroben verwenden das Arsen offenbar als Baustein für Biomoleküle. Quelle: NASA

03.12.2010  - 

Giftiges Lebenselexier: Astrobiologen der Nasa haben in einem See einen Bakterienstamm entdeckt, der auf spektakuläre Weise mit dem Element Arsen zurecht kommt. Die Mikrobe namens GFAJ-1 baut das Halbmetall  anstelle von Phosphor offenbar als Baustein in eigene Eiweiße und die DNA ein.  Die Forscher um Felisa Wolfe-Simon berichten im Fachjournal Science (2. Dezember 2010, Online-Vorabveröffentlichung) über ihren überraschenden Bakterienfund aus dem arsenhaltigen Mono Lake in Kalifornien. Nach Ansicht der US-Forscher liefert die Extrem-Mikrobe ungeahnte Einblicke in neuartige Strukturelemente des Lebens, auf der Erde und möglicherweise auch dem Rest des Universums. Auch deutsche Mikrobiologen sind von dem Fund angetan, bewerten die Tragweite der Entdeckung im Gespräch mit biotechnologie.de jedoch vorsichtiger.

Der Mono Lake in Kalifornien ist ein unwirtliches Gewässer. Der Salzsee enthält wenig lebenswichtigen Phosphor, dafür aber hohe Konzentrationen an giftigen Arsenverbindungen. In diesen lebensfeindlichen Bedingungen haben Forscher des NASA Astrobiology Institute nun ein Bakterium isoliert, das hier einigermaßen gedeihen kann. Die Evolution hat in der Welt der Mikroben ganz erstaunliche Extremisten hervorgebracht, etwa thermophile Archaen, die selbst Temperaturen von über 110 Grad Celsius überstehen können. Auch Bakterien, die mit Arsen zurechtkommen, sind bereits bekannt. Doch die nun entdeckten Mikroben aus der Gattung der Halomonadaceae sind für die Forscher eine wissenschaftliche Sensation. Das Besondere:

Der Bakterienstamm GFAJ-1 wächst auf arsenhaltigem Nährmedium und baut Arsensalze anstatt von Phosphat in seine Biomoleküle ein.Lightbox-Link
Der Bakterienstamm GFAJ-1 wächst auf arsenhaltigem Nährmedium und baut Arsensalze anstatt von Phosphat in seine Biomoleküle ein.Quelle: Jodi Switzer Blum
Der Bakterienstamm namens GFAJ-1 baut Arsensalze offenbar anstelle des lebenswichtigen Phosphats in Zellbestandteile ein. Das haben die US-Forscher um Felisa Wolfe-Simon in Laborstudien herausgefunden. Die Mikrobiologen kultivierten GFAJ-1 auf einem Nährmedium, bei dem sie Schritt für Schritt Phosphor durch Arsen ersetzten. Am Ende dieser Versuchsreihe wuchsen die Bakterien zwar langsamer, benötigten aber gar keinen Phosphor mehr zum Überleben. Mithilfe von spektroskopischen Analysen konnten die Forscher nachweisen: Die Mikroben hatten die radioaktiv markierten Arsensalze in ihre Proteine, Fette und sogar im Erbmolekül DNA angereichert und offenbar eingebaut. "Es handelt sich um irdisches Leben, aber nicht um Leben, wir wir es bisher kennen", sagte die Astrobiologin Mary Voytek auf einer von der Nasa mit einigem Trommelwirbel angesetzten Pressekonferenz. "Wir haben die Tür ein klein wenig geöffnet - und gesehen, was für Leben woanders im Universum möglich sein könnte", ergänzte Wolfe-Simon. Mit den neuen Erkenntnissen ließe sich außerirdisches Leben vermutlich leichter aufspüren.

Ein siebtes Element im biologischen Code?

Biologische Moleküle sind auf der Erde aus sechs Elementen aufgebaut: Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Schwefel und Phosphor. Dass diese Elemente  ersetzbar sind, war bisher nur eine Vermutung von Astrobiologen, die die Entstehung von außerirdischen Lebensformen untersuchen. Der Fund, dass Arsensalze (Arsenate) als Platzhalter für Phosphat dienen können, kommt für die Jenaer Mikrobiologin Erika Kothe (mehr zu ihrem Profil: hier klicken) aus chemischer Sicht indes nicht überraschend. Da sich Phosphat und Arsenat chemisch stark ähneln, ist es prinzipiell möglich, dass Phosphat in Molekülen wie DNA durch Arsenat ersetzt wird. „Das Problem ist, dass solche Arsenbausteine in Wasser deutlich instabiler als Phosphat sind, es könnte also vermehrt zu Einzelstrangbrüchen in der DNA kommen“. In der Folge zerfällt die Erbinformation in Stücke , was für die Organismen fatal wäre.

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„Keine neuartige Lebensform“

Für den Umweltmikrobiologen Hauke Harms ist die Entdeckung der US-Forscher absolut bemerkenswert. Am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig beschäftigt sich Harms ebenfalls mit Arsen und Mikroorganismen. Er entwickelt gentechnisch veränderte Bakterien, die aufleuchten, sobald sie Arsen im Trinkwasser aufspüren. Das biologische Arsenanzeiger-System soll nächstes Jahr in die Gründung einer Biotech-Firma münden (mehr...). „Die Daten der Nasa-Forscher deuten darauf hin, dass mit Arsen erstmals ein neues Strukturelement in Biomolekülen gefunden wurde“, so Harms. Soweit würde die Jenaer Forscherin Kothe, die sich selbst mit Schwermetall-resistenten Mikroben befasst, nicht gehen. Sie sieht in Arsen kein für Biomoleküle relevantes Element. „Das neu entdeckte Bakterium hat offenbar einen Resistenzmechanismus entwickelt. Es hat unter widrigen Bedingungen gelernt, mit dem Fehleinbau zu leben.“  Aus diesem Grund hält die Forscherin es für verfrüht, nun von neuartigen Lebensformen oder Biomolekülen zu sprechen. „GFAJ-1 ist sicher keine andersartige Lebensform“, betont auch Harms. Die Mikrobe, verwandt mit dem Darmbakterium E.coli, habe sich vermutlich erst in einem späterem Schritt in seiner Evolution an das Leben mit Arsen angepasst. „Salopp gesagt haben die Bakterien den versehentlichen Einbau von Arsen vermutlich gar nicht bemerkt“, sagt Garabed Antranikian. Der Leiter der Technischen Mikrobiologie an der TU Hamburg-Harburg ist ein Experte für extremophile Mikroben (mehr...). Nach seiner Ansicht  haben die Bakterien aus dem Mono Lake nach und nach molekulare Schutzmechanismen entwickelt, die Zellkomponenten vor der schädlichen Wirkung der Arsenverbindungen schützen.

Neues für den Werkzeugkasten der Synthetischen Biologie

Antranikian findet einen weiteren Aspekt an der Science-Studie interessant. „ Arsen als Nährsalz erweitert unsere Möglichkeiten, bisher nicht kultivierbare Mikroben im Labor zu vermehren“. Eine unmittelbare Anwendung ergibt sich nach Ansicht der Experten nicht. Vorstellbar ist jedoch, dass die GFAJ-1-Mikroben künftig durchaus auf Arsen-verseuchten Böden kultiviert werden und hier zur Dekontamination eingesetzt werden könnten. Der Leipziger Forscher Harms ist überzeugt, dass der Nasa-Bakterienfund auch Impulse für zukünftige Entwicklungen in der Biotechnolgie gibt. „Wenn man Erbinformation mit Arsenbausteinen herstellen könnte, dann würde das den Werkszeugkasten der synthetische Biologie erweitern“, so Harms. Wie die Arsenverbindungen anstelle von Phosphatmolekülen in Proteine oder DNA eingebaut werden, wissen allerdings auch die US-Forscher noch nicht. Dies soll in weiteren Studien genauer analysiert werden.

 

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