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Zerstörerisches Alzheimer-Eiweiß wandert ins Gehirn

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Dieser Gewebeschnitt zeigt schadhafte beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn einer Maus. Dem Nager wurden zuvor Alzheimer-Proteine in den Bauchraum injiziert. Quelle: Sciene (AAAS)/Eisele

26.10.2010  - 

Proteinbruchstücke, die für Alzheimer mitverantwortlich sind, können aus anderen Körperregionen ins Gehirn wandern. Dort lösen sie massive Eiweißablagerungen aus, die denen von Alzheimer-Patienten ähneln. Diesen Schluss ziehen Wissenschaftler um Mathias Jucker vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung und vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Tübingen aus Experimenten an Mäusen. Ihre Studie ist im Fachmagazin Science (21. Oktober 2010, Online-Vorabveröffentlichung) erschienen. Die Forscher ziehen Parallelen zur Entstehung von anderen Krankheiten wie etwa BSE oder Creutzfeld-Jakob, in denen fehlgefaltete Eiweiße auch eine Rolle spielen.

Schon über einhundert Jahre ist es her, dass der deutsche Psychiater Alois Alzheimer eine „eigenartige Erkrankung der Hirnrinde“ beschrieb, die später nach ihm benannt wurde. Doch bis heute gibt es keine wirksame Therapie gegen das Demenzleiden. Tausende Wissenschaftler weltweit untersuchen die biologischen Grundlagen der Alzheimer-Krankheit. Was genau Alzheimer auslöst, ist jedoch immer noch nicht restlos geklärt. Weitgehende Einigkeit besteht unter Wissenschaftlern aber darüber, dass Bruchstücke eines fehlgefalteten Proteins namens Amyloid-beta am Ausbruch der Krankheit beteiligt sind. Diese lagern sich im Gehirn zwischen den Nervenzellen in Form von Eiweißklumpen ab, sogenannten Plaques. Eine Hypothese von Alzheimerforschern: Die Plaques lösen im Gehirn eine fatale Kettenreaktion aus, die ein Massensterben von Nervenzellen zur Folge hat. 

Amyloid-beta als Auslöser auf der Spur

Biochemiker der Universität Tübingen erforschen schon seit längerem an Tiermodellen, welche Rolle das Protein Beta-Amyloid bei der Krankheitsentstehung tatsächlich spielt. Im Jahr 2006 hatte ein Team um Mathias Jucker bereits gezeigt, dass Extrakte aus den Gehirnen verstorbener Alzheimer-Patienten, die die Forscher in das Gehirn von gentechnisch veränderten Mäusen injizierten, dort Ablagerungen aus Amyloid-beta hervorriefen. Tiere, die Hirnextrakte gesunder Menschen erhielten, entwickelten hingegen keine Plaques. In der aktuellen Science-Studie (21. Oktober 2010, Online-Vorabveröffentlichung) haben die Tübinger nun untersucht, was geschieht, wenn man den Mäusen die Hirnextrakte der Alzheimer-Patienten nicht ins Gehirn, sondern in die Bauchhöhle spritzt. Wie die Wissenschaftler berichten, entstanden die Amyloid-beta-Ablagerungen daraufhin vorwiegend in den Blutgefäßen des Gehirns – so wie bei einer Zerebralen Amyloid-Angiopathie.

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Das ist eine Erkrankung, die zu gefährlichen Hirnblutungen führen kann. Einige Ablagerungen konnte das Team jedoch auch als Plaques zwischen den Nervenzellen ausmachen. Beide Funde beweisen, dass es dem Amyloid-beta offenbar gelingt, aus der Körperperipherie in das Gehirn vorzudringen. Zwar habe es bis zum Entstehen der Plaques länger gedauert als bei den Versuchen, in denen die Hirnextrakte direkt ins Gehirn injiziert worden seien, berichten die Forscher. Doch dann hätten die Ablagerungen zu den für Alzheimer typischen neurodegenerativen und entzündlichen Veränderungen geführt.

Ähnlichkeiten zu ansteckenden Prionenerkrankungen

„Die Erkenntnis, dass es Mechanismen gibt, die den Transport von Beta-Amyloid-Aggregaten von der Körperperipherie ins Gehirn zulassen, wirft die Frage auf, ob es in der Körperperipherie oder Umwelt natürliche Substanzen gibt, die Amyloidablagerungen im Gehirn auslösen können,“ sagt Jucker. Die aktuellen Erkenntnisse liefern ein neues Mosaiksteinchen, das Rätsel der Entstehung der Alzheimererkrankung aufzuklären. Die Tübinger Biomediziner ziehen aber noch weitere Schlüsse aus ihren Ergebnissen. „Die Mechanismen von Alzheimer ähneln damit denen von Prionenkrankheiten, etwa der Rinderseuche BSE“, so Jucker. Allerdings gebe es bislang keine Hinweise darauf, dass Alzheimer oder die Zerebrale Amyloid-Angiopathie auf natürlichem Wege in gleicher Weise übertragen werde wie die Rinderseuche.

Insgesamt mehren sich derzeit zumindest die Indizien, dass der Alzheimer-Krankheit eine gewisse Ansteckung zugrundeliegen könnte. Eine US-Langzeitstudie bei 1200 Ehepaaren im Journal of the American Geriatrics Society (2010, Bd. 58, S. 895)  etwa zeigte: Wer sich zu Hause um seinen Alzheimer-kranken Partner kümmerte, hatte ein sechsfach erhöhtes Risiko, selbst dement zu werden. Zwar führen die Studienautoren diesen Zusammenhang vorallem auf Faktoren wie der hohen psychischen Belastung für Pflegende zurück. Ein Verdacht auf Ansteckung bleibt. Verschiedene Experten warnen jedoch vor unbegründeter Sorge, denn im Alltag können Beta-Amyloide kaum von einem Menschen auf den anderen übertragen werden. Für Krankenhauspersonal, Alzheimerpatienten und Angehörige bleibt das Ergebnis der Tübinger Biomediziner deshalb erstmal ohne Konsequenz. Vorsichtiger sind indes die Forscher selbst geworden: Sie haben im Labor die Sicherheitsmaßnahmen im Umgang mit den offenbar infektiösen Amyloid-Beta-Proteinen verschärft. 

 

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