Direktlink :
Inhalt; Accesskey: 2 | Hauptnavigation; Accesskey: 3 | Servicenavigation; Accesskey: 4

Genetischer Rundumcheck für Eizellen

Von außen nicht zu sehen: Eizellen können - besonders bei älteren Frauen - genetische Defekte aufweisen. Das erschwert künstliche Befruchtungen. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Von außen nicht zu sehen: Eizellen können - besonders bei älteren Frauen - genetische Defekte aufweisen. Das erschwert künstliche Befruchtungen.

20.10.2010  - 

Derzeit muss ein Paar im Durchschnitt dreimal probieren, bis es bei einer künstlichen Befruchtung zu einer erfolgreichen Schwangerschaft kommt. Chromosomen-Defekte gelten als wesentlicher Grund. Besonders bei älteren Müttern wird das zum Problem. Eine neue Untersuchungsmethode, die an der Universität Bonn und dem Zentrum für Reproduktionsmedizin im italienischen Bologna hat das Potenzial, die Erfolgsquote in der künstlichen Befruchtung deutlich heraufzusetzen. Chromosomenschäden in der Eizelle können damit mit knapp 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit angezeigt werden, sagen die Mediziner. Das erhöht die Chance, dass wirklich nur einwandfreie Eizellen in die Gebärmutter eingesetzt werden.

Am 25. Juli 1978 wurde Louise Brown geboren. Das Mädchen war als erstes Kind der Welt nicht im Mutterleib gezeugt worden, sondern in einem Reagenzglas. Für die Entwicklung der in vitro-Fertilisation (IVF) erheilt der Brite Robert Edwards vor einigen Wochen den Medizin-Nobelpreis (mehr...). Ob die künstliche Befruchtung tatsächlich in einer erfolgreichen Schwangerschaft und einem Kind mündet, hängt nicht nur von der Geschicklichkeit der Ärzte, sondern auch von den Eizellen der Frauen ab. Oft scheitert die Embryoentwicklung an genetischen Schäden der Eizelle. Die einwandfreien Exemplare herauszufinden, ist deshalb seit jeher eine Herausforderung. Jetzt ist das dabei eingesetzte Verfahren verbessert worden.

Zur Präimplantationsdiagnostik, die gerade politisch kontrovers diskutiert wird (mehr...), gehört die neue Methode nicht. Es setzt zu einem früheren Zeitpunkt an. Hier werden keine Embryonen auf genetische Schäden untersucht, sondern die Eizellen, und zwar bevor sie im Reagenzglas mit den Spermien zusammengebracht und damit befruchtet werden. Die Untersuchung ist ungefährlich. Aufgrund eines besonderen biologischen Vorgangs kann das Erbgut der Eizelle entnommen und untersucht werden, ohne die Zelle in ihrer Funktion zu beeinträchtigen. In einem bestimmten Stadium verfügen Eizellen nämlich über Ersatzerbgutsätze, die entbehrlich sind.

Alles muss raus

Im Eierstock der Frau werden die Eizellen über Jahrzehnte gelagert, allerdings in einer Vorform, den sogenannten Ureizellen. Diese enthalten noch jede Menge genetisches Material: Von jedem der 23 Chromosomen gibt es zwei Varianten – eine vom Vater, eine von der Mutter. Jede dieser Varianten existiert zudem in zwei identischen Kopien. Kurz vor der Befruchtung geht es in der Ureizelle daher zu wie beim Sommerschlussverkauf: Nach dem Motto „Alles muss raus“ sortiert sie drei Viertel ihres Erbguts aus und verpackt sie in zwei kugeligen Zellabschnürungen, den Polkörperchen. Zurück bleiben 23 Chromosomen in einfacher Ausfertigung, ein sogenannter haploider Chromosomensatz. Normale Zellen haben einen diploiden Chromosomensatz, also 23 Chromosomen in doppelter Ausführung. Die Eizelle ist nach der chromosomalen Verschlankung bereit, sich mit dem ebenfalls haploiden Chromosomensatz des ersten Spermiums zu vereinen, das vorbeischwimmt.

Mehr auf biotechnologie.de

Förderbeispiel: Wertvolle Spermien einzeln eingefroren

Wochenrückblick: Koalition streitet über Präimplantationsdiagonistik

News: BGH erlaubt Präimplantationsdiagnostik

Allerdings können der Eizelle beim chromosomalen Abspecken auch Fehler unterlaufen und nicht alle oder zu viele Chromosomen werden in die Polkörperchen abgelegt. Die reife Eizelle enthält dann die falsche Anzahl von Chromosomen. Wird sie von einem Spermium befruchtet, stirbt der Embryo oft bereits nach wenigen Tagen oder Wochen. Nach Schätzungen endet jede zweite Schwangerschaft auf diese Weise. Oft weiß die betroffene Frau nicht einmal, dass sie überhaupt schwanger war. Wenn es doch zu einer Geburt kommt, hat das Kind meistens schwerste Behinderungen.

Die besten Eizellen herausfinden

Um die Rate an derartigen Abbrüchen möglichst gering zu halten, versuchen Reproduktionsmediziner seit jeher nur einwandfreie Eizellen zur Befruchtung auszuwählen. Von außen aber sieht man den Zellen nicht an, ob sie die korrekte Erbgut-Menge enthalten. „Daher nehmen wir ersatzweise die Polkörperchen unter die Lupe“, sagt Markus Montag von der Universität Bonn. „Da sie das aussortierte genetische Material aufnehmen, verhalten sie sich hinsichtlich ihres Erbguts komplementär zur Eizelle. Durch Analyse der Polkörperchen können wir daher auf die genetische Ausstattung der Eizelle schließen.“

Markus Montag möchte mit der neuen Untersuchungsmethode die Erfolgsquote bei künstlichen Befruchtungen verbessern.Lightbox-Link
Markus Montag möchte mit der neuen Untersuchungsmethode die Erfolgsquote bei künstlichen Befruchtungen verbessern.Quelle: Frank Luerweg/Universität Bonn

Bei einer künstlichen Befruchtung entnehmen Reproduktionsmediziner der Frau typischerweise sechs bis acht Eizellen auf einmal, in die sie dann die Spermien injizieren. Von den so befruchteten Zellen dürfen sie allerdings – je nach Alter der Patientin – nur maximal zwei bis drei in die Gebärmutter implantieren. Die Polkörperdiagnostik soll helfen, dafür die aussichtsreichsten Eizellen auszuwählen.  Polkörperanalysen sind in der Reproduktionsmedizin seit vielen Jahren Routine. Doch funktionierte das Verfahren bislang nicht gut genug, um wirklich alle Chromosomenfehler auszuschließen. „Wir haben nun zusammen mit unseren Partnern in Bologna erstmals eine neue empfindlichere Analysemethode getestet“, sagt Montags Kollege Hans van der Ven. Das Verfahren macht nicht nur Veränderungen der Chromosomenzahl sichtbar, sondern auch Brüche und andere kleinere Fehler. „Wir haben damit die Polkörper von knapp 230 Eizellen untersucht“, so van der Ven. „In 89 Prozent der Fälle konnten wir so den chromosomalen Status der jeweiligen Eizelle fehlerfrei bestimmen.“

Ältere Mütter: Vier von fünf Eizellen sind beschädigt

Bei der letzten Jahrestagung der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) präsentierten die Bonner Mediziner eine Studie, die für Aufsehen unter den Kollegen sorgte. Vier von fünf der untersuchten Eizellen wiesen Chromosomendefekte auf. Das war kein Zufall. „Wir hatten in die Untersuchung nur Frauen über 40 Jahren aufgenommen“, sagt Koautorin Katrin van der Ven. „Dennoch hat uns diese Fehlerrate überrascht.“ In Bonn und Umgebung sind inzwischen die ersten Säuglinge zur Welt gekommen, deren Mütter sich der verbesserten Form der Polkörperanalyse unterzogen hatten. „Inwieweit der Kinderwunsch durch das neue Verfahren wirklich häufiger in Erfüllung geht, können wir allerdings noch nicht sagen“, sagt Hans van der Ven. „Momentan bereiten wir eine Anschlussstudie vor, die diese Frage klären soll.“

 

Videos

Kurzfilme zur Biotechnologie in unserer Videorubrik

Ob Medizin, Landwirtschaft oder Industrie - in unserer Videorubrik finden Sie eine ganze Reihe von Kurzfilmen, die Sie leicht verständlich in die Welt der Biotechnologie einführen. 


Zur Rubrik Videos

TV-Glossar

Kreidezeit - Begriffe aus der Biotechnologie

Von A wie Antikörper bis Z wie Zellkultur - die Kreidezeit erklärt Begriffe aus der Biotechnologie kurz und knapp an der Tafel. Alle Videos finden Sie in unserem Filmarchiv.


Zur Rubrik Kreidezeit