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Studie kritisiert Gentechnik-Kennzeichnung von Lebensmitteln

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Eine Studie von Lebensmittelrechtlern kommt zu dem Schluss, dass die aktuelle Ohne-Gentechnik-Kennzeichnung mehr Verwirrung als Klarheit für den Verbraucher bringt. Quelle: gabisch/pixelio.de

14.10.2010  - 

Die derzeitigen Kennzeichnungsregeln für Lebensmittel, bei deren Herstellung Gentechnik im Spiel ist, sind lückenhaft und führen Verbraucher in die Irre. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, die der Lebensmittelrechtler Stefan Leible von der Universität in Bayreuth jetzt bei einem Symposium vorgestellt hat. Sein Fazit: Weder die europäischen Vorschriften zur Gentechnik-Kennzeichnung als auch die nur in Deutschland eingeführte Kennzeichnung "Ohne Gentechnik" bringen dem Verbraucher die gewünschte Klarheit. Denn: Der Einsatz der Gentechnik wird nicht wirklich klar kommuniziert. Darüber hinaus täuschen die Etiketten darüber hinweg, dass die Biotechnologie im Alltag der Lebensmittelproduktion längst vielfach zum Einsatz kommt. Politiker und Interessengruppen ringen deshalb um geeignetere Lösungen.

 

Der Einsatz von Biotechnologie und Gentechnik ist in der Lebensmittelindustrie heute nicht mehr wegzudenken. Meist handelt es sich um biotechnologisch hergestellte Enzyme, die bei verschiedenen Schritten der Nahrungsmittelproduktion helfen – sei es beim Käse, beim Backen oder der Wurstherstellung. Aber auch um Vitamine oder Aromastoffe herzustellen, werden biotechnologische Verfahren genutzt, also Mikroorganismen, die die gewünschten Stoffe produzieren. Zwischen 50 und 80 Prozent der Lebensmittelprodukte in den Supermarktregalen, so schätzen Experten, sind im Laufe ihres Herstellungsprozesses so mit Gentechnik in Berührung gekommen. Doch nur ein Bruchteil der Lebensmittel enthält Fleisch oder pflanzliche Produkte, deren Erbgut direkt gentechnisch verändert wurde. Strenggenommen ist also ein Großteil unserer Lebensmittelprodukte bereits mit molekularbiologischen Verfahren in Berührung gekommen. Einige Beispiele demonstriert biotechnologie.de auch mithilfe eines interaktiven Hauses in der Anwendung biotechnologie@home

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Diese Tatsachen spiegeln sich allerdings nicht in den aktuellen Gentechnik-Kennzeichnungs-Regelungen bei Nahrungsmitteln wider. Nach gültigem EU-Recht müssen seit 2004 alle Lebensmittel, die aus gentechnisch veränderten Organismen (GVO) bestehen, solche enthalten oder daraus hergestellt wurden, gekennzeichnet werden. Dies gilt zum Beispiel für Sojaprodukte, die mithilfe von gentechnisch verändertem Sojapflanzen hergestellt wurden. Keine Kennzeichnung hingegen erhalten Lebensmittel wie Milch oder Fleisch, die aus Tieren gewonnen wurden, die mit gv-Pflanzen gefüttert wurden. Auch die Zusatzstoffe in der Pizza, Vitamine in der Marmelade oder Biotech-Enzyme im Käse bleiben nach EU-Recht ausgenommen von der Kennzeichnungspflicht. 

"Ohne Gentechnik"-Siegel toleriert Ausnahmen

Mit dem 2008 in Deutschland eingeführten "Ohne Gentechnik"-Siegel sollten die Verbraucher ein besseres Orientierungssystem an die Hand bekommen (mehr...). Die freiwillige "Negativkennzeichnung" sollte endlich klarstellen, ob zum Beispiel das Ursprungstier eines Produkts wie Milch gv-Pflanzen im Futter hatte. Die Resonanz ist zögerlich: Bislang haben sich 31 Unternehmen beim Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) gemeldet, der die Siegelvergabe verwaltet (mehr...).  

Lebensmittelrechtler haben nun jedoch Zweifel an der "Ohne Gentechnik"-Kennzeichnung angemeldet: Der Direktor der Forschungsstelle für Deutsches und Europäisches Lebensmittelrecht an der Universität Bayreuth, Stefan Leible, hat in einer Studie sowohl die Gentechnik-Kennzeichnung auf EU-Ebene als auch das deutsche "Ohne Gentechnik"-Siegel auf ihren Nutzen für den Verbraucher untersucht und seine Ergebnisse jüngst auf einem Symposium vorgestellt. (mehr Infos zur Pressemitteilung der Universität Bayreuth: hier klicken) Gerade bei dem deutschen Siegel sieht der Lebensmittelrechtler einen Etikettenschwindel:  "Der Verbraucher bekommt durch die bestehende Kennzeichnung ,ohne Gentechnik’ keine Information, die seine Wahlfreiheit bei der Kaufentscheidung garantiert", schlussfolgert Leible. "Im Gegenteil, er wird irregeführt. Das Label ohne Gentechnik auf Lebensmitteln vermittelt den Verbrauchern die Vorstellung, diese Produkte hätten während ihrer Herstellung keinerlei Kontakte mit Gentechnik gehabt."

Juristen: Gesetzgeber lässt Verbrauchertäuschung zu

Tatsächlich sind aber verschiedene Gentechnikanwendungen auch bei der Ohne-Gentechnik-Kennzeichnung gesetzlich erlaubt. Beispielsweise darf das Label bei tierischen Produkten bereits dann verwendet werden, wenn lediglich bestimmte "GVO-freie Fristen" bei der Fütterung der Tiere eingehalten wurden. Rinder müssen etwa vor der Schlachtung zwölf Monate lang gentechnikfrei gefüttert werden, Legehennen müssen sechs Wochen lang gentechnikfreies Futter picken. Leibles Fazit: Mit dem Ohne Gentechnik-Siegel lässt der Gesetzgeber eine mögliche Verbrauchertäuschung ausdrücklich zu.  Denn wo "Ohne Gentechnik" drauf steht, kann durchaus Gentechnik drinstecken.
Aus Verbrauchersicht wenig überzeugend ist aus Sicht der Bayreuther Juristen aber auch die bestehende EU-Kennzeichnung. Dies ist nämlich einen bestimmten Schwellenwert gebunden, der bei 0,9 Prozent liegt. Das heißt: Erst wenn ein Produkt einen GVO-Gehalt über diesem Wert vorweist, muss es entsprechend etikettiert werden, alles darunter hat keine Konsequenzen und ist für den Verbraucher nicht sichtbar. Weil gentechnische hergestellt Zutaten wie Enzyme sowie die Fütter-Problematik ebenfalls nicht berücksichtigt werden, sei die EU-Lösung der Kennzeichnung für den Verbraucher erst recht nicht den Schluss, das von ihm erworbene Lebensmittel habe keinerlei Berührung mit Gentechnik gehabt, meint Leible. "Echte Wahlfreiheit kann also auch die EU-Kennzeichnung nicht garantieren." Für ihn bleibt aus alldem nur eine Konsequenz: Das derzeitige System der Gentechnik-Kennzeichnung muss dringend überarbeitet werden.

 

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