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Der erste Schritt zum synthetischen Antikörper

So arbeiten die Nanosensoren der Regensburger Forscher: Auf einer Liposomenmembran (gelb/blau) sitzen künstliche Rezeptoren (rot). Eingelagerte Farbstoffmoleküle (schwarz/grün) werden durch die Anbindung von kleinen Biomolekülen (grau) reorganisiert, wodurch die Lösung stark aufleuchtet. <ic:message key='Bild vergrößern' />
So arbeiten die Nanosensoren der Regensburger Forscher: Auf einer Liposomenmembran (gelb/blau) sitzen künstliche Rezeptoren (rot). Eingelagerte Farbstoffmoleküle (schwarz/grün) werden durch die Anbindung von kleinen Biomolekülen (grau) reorganisiert, wodurch die Lösung stark aufleuchtet. Quelle: Universität Regensburg

24.08.2010  - 

Antikörper sind in der Medizin schon bei vielen Krankheiten im Einsatz. Als Medikamente werden sie gegen unterschiedliche Krebsarten verwendet, aber auch gegen Rheumatoide Arthritis, Morbus Crohn oder Multiple Sklerose. 2009 wurde der erste in Deutschland entwickelte Antikörper zugelassen (mehr...). Produziert werden Antikörper bisher auf biotechnologischem Wege in speziell präparierten Zellen. Das ist aufwändig und teuer. Zusammen mit russischen Kollegen haben Forscher der Universität Regensburg nun auf chemischem Wege Nanosensoren hergestellt, die durch Farbänderung anzeigen, wenn sie an Rezeptoren von Körperzellen andocken. Das könnte ein erster Schritt zu vollständig synthetischen Antikörpern sein, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt Angewandte Chemie (Online-Vorabveröffentlichung, 16. August 2010).




 

Antikörper sind ein natürlicher Bestandteil des menschlichen Immunsystems. In jedem Menschen gibt es rund ein bis zwei Milliarden unterschiedliche Antikörper, die ständig im Blutkreislauf durch den Körper wandern und dort nach Krankheitserregern Ausschau halten. Antikörper sind Eiweiße, die wie ein „Y“ geformt sind. An den beiden kurzen Armen befinden sich variable Bereiche, die bei jedem Antikörper unterschiedlich ausgebildet sind und die jeweils wie ein Schlüssel in ein Schloss auf ein ganz bestimmtes Antigen passen. Antigene sind bestimmte Formen auf den Oberflächen von anderen Zellen, Bakterien oder Viren.

Der körpereigenen Abwehr auf die Sprünge helfen

Finden Antikörper das auf sie passende Gegenstück, lagern sie sich an und locken damit andere Zellen des Immunsystems, zum Beispiel Fresszellen, an. Diese zerstören die Fremdkörper und entfernen sie aus dem Körper. Antikörper können gezielt an ein bestimmtes Molekül andocken und dirigieren so das Immunsystem zum gewünschten Ziel. Diese Entdeckung macht sich die Medizin zunutze. So verfügen zum Beispiel entartete Krebszellen über ganz spezifische Antigene, die aber normalerweise vom Immunsystem nicht erkannt werden. Hier helfen die Mediziner der körpereigenen Abwehr auf die Sprünge, indem sie genau passende Antikörper einführen, die sie im Labor gezüchtet haben.

Antikörper sind ihrer Form einem „Y“ ähnlich und bestehen aus zwei leichten und zwei schweren Protein-Ketten. Die variablen Regionen in den Armen des Y sind für die Erkennung des Antigens verantwortlich. Lightbox-Link
Antikörper sind ihrer Form einem „Y“ ähnlich und bestehen aus zwei leichten und zwei schweren Protein-Ketten. Die variablen Regionen in den Armen des Y sind für die Erkennung des Antigens verantwortlich. Quelle: Morphosys

Schon im Jahr 1975 tüftelten César Milstein, Georges Köhler und Niels Jerne am Medical Research Council Laboratory in Cambridge die Methode zur Herstellung von Antikörpern im Labor aus. Dazu wurden Mäuse mit einem Erreger angesteckt. Das Immunsystem der Mäuse reagierte mit der massenhaften Herstellung des entsprechenden Antikörpers in speziellen Zellen, den B-Lymphozyten. Diese werden aus der Milz entnommen und mit Plasmazellen vereinigt, die sich wegen einer krebsartigen Entartung ungehindert schnell teilen. Die Nachkommen dieser Zellen entstehen alle durch Klonierung der ersten Zelle, weshalb man die daraus entstehenden Antikörper monoklonal nennt.

Antikörperbibliotheken mit Millionen von Varianten

Wegen Abstoßungsproblemen werden Antikörper aus Mäusen mittlerweile nicht mehr eingesetzt. Die Phage- Display-Technik erlaubt es nun, vollständig menschliche Antikörper zu entwickeln, deren kurze Y-Arme zudem auf ganz spezifische Antigene maßgeschneidert sind. Die Phage-Display-Technik macht sich eine Fähigkeit der so genannten Bakteriophagen zunutze. Bakteriophagen sind Viren, die Bakterien infizieren können und für den Menschen völlig harmlos sind. In das Erbgut der Bakteriophagen wird genetische Information für Antikörperfragmente eingeführt. Die so entstehenden Phagen „präsentieren“ das jeweilige Antikörperfragment auf ihrer Oberfläche. Wird nun ein passender Antikörper gegen ein bestimmtes Antigen gesucht, so binden nur solche Phagen an die Zielstruktur, die einen passenden Antikörper auf ihrer Oberfläche vorweisen. Deutsche Unternehmen wie Morphosys (zum Porträt von Firmengründer Simon Moroney: hier klicken) oder Sloning haben ganze Antikörperbibliotheken geschaffen, mit deren Hilfe Pharma- und Biotechunternehmen sich auf die Suche nach neuen Waffen im Kampf gegen Krebs & Co machen.

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Der Markt für medizinische Antikörper ist groß und wächst jedes Jahr weiter an. Einige der weltweit am meistverkauften Arzneimittel - das Darmkrebsmittel Erbitux, das Brustkrebsmittel Herceptin oder das vielseitige Krebsmedikament Avastin - sind monoklonale Antikörper, die gegen Tumorzellen vorgehen. Sie erwirtschaften Milliardenumsätze. Seit 2009 ist auch der erste in Deutschland entwickelte monoklonale Antikörper auf dem Markt. Der trifunktionale Antikörper von Trion Pharma wirkt gegen die maligne Bauchwassersucht (mehr...).

Nanosensoren auf Eiweiße montieren

Allerdings haben biologisch hergestellte Antikörper auch Nachteile. Sie sind relativ teuer in der Herstellung und sind zudem recht empfindlich in der Handhabung. Schon seit längerem liebäugeln Mediziner deshalb mit einer synthetischen Variante. Allerdings ist ein Antikörper so komplex, dass bisher nur Körperzellen in der Lage waren, sie zu produzieren.

Forscher um Burkhard König und Benjamin Gruber vom Institut für Organische Chemie haben in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Russischen Akademie der Wissenschaften nun sogenannte Nanosensoren entwickelt, die einige Eigenschaften von Antikörpern aufweisen. In der bisherigen Entwicklungsstufe kommt aber nur ein Einsatz in der Diagnostik in Frage.

Die Nanonsensoren verfügen über chemisch erzeugte Bindungsstellen, die sich an Antigene anlagern. Dort bilden sie künstliche Membranen in Form von kugelförmigen Anordnungen aus Liposomen aus. Binden andere Moleküle an diese "Bläschen", dann verdrängen sie Farbstoffmoleküle, die in den Nanosensoren eingelagert sind. Daraufhin ändern die Nanosensoren ihre optischen Eigenschaften und leuchten auf. Zu analysierende Moleküle können auf diese Weise sichtbar gemacht und erkannt werden.

Die Zusammensetzung der Nanosensoren kann – über einen Baukasten aus unterschiedlichen Lipiden und verschiedenen Farbstoffen – leicht verändert und angepasst werden. Dadurch eignen sich die Nanosensoren für eine ganze Reihe von analytischen Verfahren bei der Untersuchung von Zelleigenschaften, hoffen die Regensburger Forscher. Mit der Diagnostik alleine wollen sich die Wissenschaftler aber nicht begnügen. Langfristiges Ziel ist der Einsatz der neuen Sensoren auf einem Eiweiß-Grundgerüst. Das könnte dann der Prototyp für eine Generation an synthetischen Antikörpern sein, hoffen die Wissenschaftler. Bis dahin ist aber noch viel Grundlagenforschung notwendig.

 

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