Direktlink :
Inhalt; Accesskey: 2 | Hauptnavigation; Accesskey: 3 | Servicenavigation; Accesskey: 4

Antibiotika als günstiger Malaria-Impfstoff

Zunächst befällt der Malaria-Erreger die menschliche Leber. Antibiotika können offenbar verhindern, dass die Erreger von dort aus die Blutzellen befallen. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Zunächst befällt der Malaria-Erreger die menschliche Leber. Antibiotika können offenbar verhindern, dass die Erreger von dort aus die Blutzellen befallen. Quelle: Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie / Brinkmann

22.07.2010  - 

Seit Jahrzehnten suchen Forscher nach einem Impfstoff gegen Malaria. Doch erst in letzter Zeit gibt es sichtbare Fortschritte. Dass eine Immunisierung gegen die vor allem für Kinder gefährliche Krankheit offenbar auch mit einfachen Antibiotika erreicht werden kann, überrascht nun allerdings die Fachwelt. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie in Berlin und des Universitätsklinikums Heidelberg haben den verblüffenden Effekt in Mäusen erzielt. Eine Antibiotika-Behandlung stoppte demnach nicht nur die Ausbreitung der Erreger im Körper, sondern verhinderte auch Monate später eine Neuinfektion. Ihre Beobachtungen veröffentlichten die Forscher im Fachmagazin Science Translational Medicine (2010, Bd. 2, Ausg. 40, S. 40-49).

Malaria ist immer noch die häufigste und gefährlichste Krankheit, die von Insekten übertragen wird. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass jährlich eine Millionen Menschen an ihr sterben, vor allem Kinder in afrikanischen Ländern. Die Reichweite des Erregers Plasmodium falciparum ist aber weitaus größer. Weltweit sind mehr als drei Milliarden Menschen dem Risiko einer Malariainfektion ausgesetzt. Das ist umso problematischer, weil es nach wie vor keine Impfung gegen die Krankheit gibt. Seit Jahrzehnten suchen Wissenschaftler auf der ganzen Welt nach einer Malaria-Vakzine. So arbeitet Peter Seeberger im Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam-Golm an einem Impfstoff, der auf Zuckerrezeptoren basiert (mehr...). Noch hat es der Testkandidat allerdings nicht in die klinische Prüfung geschafft. Große Hoffnungen ruhen auf dem Impfstoffkandidaten mit dem Kürzel „RTS,S AS01E“ vom britischen Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline. Seit dem Mai 2009 wird er in einer klinischen Phase-III-Studie an 16.000 Säuglingen und Kleinkindern in Afrika getestet (mehr...).

Mehr auf biotechnologie.de

News: Malaria - Hoffen auf den Impfstoff

News: Eiweiß-Datenbank als neue Waffe gegen Malaria

News: Zuckerforscher auf dem Weg zum Impfstoff gegen Malaria

Antibiotika greifen in den Lebenszyklus des Erregers ein
Während "RTS,S AS01E" auf einer Kombination eines Protein-Rezeptors und einem Bruchstück des Hepatitis-B-Virus aufbaut, die gentechnisch aufwändig konstruiert wird, haben Forscher um Steffen Borrmann aus dem Department für Infektiologie des Universitätsklinikums Heidelberg in Zusammenarbeit mit Kai Matuschewski vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin nun einen verblüffend einfachen Weg beschritten. Sie infizierten Mäuse mit Malaria, indem sie den Tieren die Malaria-Erreger  injizierten. Gleichzeitig behandelten sie die Mäuse drei Tage lang mit den handelsüblichen Antibiotika Clindamycin oder Azithromycin. Zunächst konnte keine Wirkung festgestellt werden, die Erkrankung entwickelte sich im üblichen Rahmen. Der Erreger Plasmodium falciparum durchläuft in der Mücke und im Menschen einen komplizierten Lebenszyklus mit verschiedenen Stadien, in denen er jeweils unterschiedliche Gestalt annimmt. Von der Mücke in den Menschen kommt der Erreger als sogenannter Sporozoit. Nach der Injektion wanderten die Sporozoiten auch bei den untersuchten Mäusen zunächst in die Leber. Dort pausierten sie und reiften zu einer neuen Gestalt heran, den sogenannten Merozoiten. Bevor die Merozoiten aber ausschwärmen und die Blutkörperchen befallen konnten, griffen die Antibiotika ein. Sie verhinderten den Ausbruch aus der Leber.

Der erzwungene Verbleib der Sporozoiten in der Leber ist für den Menschen nicht nur relativ harmlos, sondern stößt eine nachgerade segensreiche Entwicklung los. Durch den langanhaltenden Kontakt mit den Merozoiten hat das Immunsystem genügend Zeit, eine geeignete Abwehr einzurichten. Das Intensivtraining des Immunsystems führt dazu, dass sich die Mäuse auch 40 Tage nach der Antibiotika-Behandlung trotz einer erneuten Injektion mit Sporozoiten nicht mit Malaria infizierten. Sie waren immun geworden. Auch nach vier bzw. sechs Monaten blieben die Mäuse trotz erneuter Malaria-Infektion durch die Forscher gesund. Das Immunsystem hatte gelernt, die Erreger zu identifizieren und herauszufischen, bevor sie Schaden anrichten.

Die beteiligten Forschergruppen

Otto-Meyerhof-Zentrum vom Department für Infektiologie der Universitätsklinik Heidelberg
hier klicken

Abteilung Parasitologie am Max Planck-Institut für Infektionsforschung in Berlin
hier klicken

Wirkung beim Menschen noch nicht sicher

Nun warnen die Mediziner, dass dieses Ergebnis nicht eins zu eins auf den Menschen übertragbar sein wird. Denn im Vergleich zum Körpergewicht ist die Menge an Sporozoiten, die durch einen Mückenstich in den Körper gelangen, viel geringer als bei dem Mäuseexperiment. Als die Forscher die Konzentrationen auf vergleichbare Werte herunterfuhren, waren nur noch 30 Prozent der Mäuse immunisiert. Bei den trotzdem erkrankten Mäusen verlief die Krankheit aber sichtlich leichter. Nur bei jedem sechsten Tier befiel die Malaria auch die Gehirnregionen.

Die Antibiotika-Impfvariante hat mehrere Vorteile, sagt Steffen Borrmann vom Universitätsklinikum Heidelberg: "Die verwendeten Antibiotika sind bezahlbare Medikamente ohne schwerwiegende Nebenwirkungen." Außerdem sei die Verabreichung erheblich einfacher als bei anderen Impfstoffkandidaten, die sämtlich injiziert werden müssten. "Damit hätten wir ein zusätzliches schlagkräftiges Instrument gegen die Malaria in der Hand", meint Borrmann. Kai Matuschewski vom Max Planck-Institut für Infektionsbiologie fügt hinzu: "Eine wesentliche Motivation für unsere Studie war , ein einfaches Konzept zu testen, das auch in Malariagebieten verwirklichbar ist." Allerdings führe bei einer derart komplexen parasitischen Erkrankung wie der Malaria der Königsweg nach wie vor über einen Impfstoff, der aus abgeschwächten Erregern basiert. Noch hat allerdings keiner der zahlreichen Kandidaten, die bisher nach diesem Prinzip entwickelt wurden und mit gentechnisch oder durch Strahlung abgeschwächten Erregern arbeiten, die Hürden der Zulassung überwunden.

Neues Angriffsziel für künftige Impfstoffe

Die Antibiotika-Methode könnte zudem einer neuen Generation an Malaria-Impfstoffen den Weg weisen. Die Mittel greifen im sogenannten Apicoplast der Parasiten an. Das ist ein kleines Zellorgan bakteriellen Ursprungs, das für die Parasiten unbedingt notwendig ist, um in weitere Zellen des Wirtsorganismus einzudringen. Das Apicoplast wird durch die Medikamente blockiert. "Selbst wenn sich unsere Ergebnisse im Feldversuch nicht bestätigen ließen, stellt doch der Apicoplast ein äußerst vielversprechendes Angriffsziel zukünftiger Medikamente dar", erklärt Johannes Friesen vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. 

 

Videos

Kurzfilme zur Biotechnologie in unserer Videorubrik

Ob Medizin, Landwirtschaft oder Industrie - in unserer Videorubrik finden Sie eine ganze Reihe von Kurzfilmen, die Sie leicht verständlich in die Welt der Biotechnologie einführen. 


Zur Rubrik Videos

TV-Glossar

Kreidezeit - Begriffe aus der Biotechnologie

Von A wie Antikörper bis Z wie Zellkultur - die Kreidezeit erklärt Begriffe aus der Biotechnologie kurz und knapp an der Tafel. Alle Videos finden Sie in unserem Filmarchiv.


Zur Rubrik Kreidezeit