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Führende Genomforscher wollen Bioökonomie antreiben

Weiße, Grüne und Rote Biotechnologie sind Bausteine auf dem Weg zu einer Bioökonomie. Internationale Genomforscher diskutierten im Konferenzzentrum Montpellier, wie ihre Zunft diese Form des Wirtschaftens vorantreiben kann <ic:message key='Bild vergrößern' />
Weiße, Grüne und Rote Biotechnologie sind Bausteine auf dem Weg zu einer Bioökonomie. Internationale Genomforscher diskutierten im Konferenzzentrum Montpellier, wie ihre Zunft diese Form des Wirtschaftens vorantreiben kann. Quelle: biotechnologie.de

19.05.2010  - 

Die Biotechnologie als Innovationsmotor soll helfen, für Herausforderungen wie knappe Nahrungsmittel, Klimawandel und Umweltverschmutzung neue Lösungen zu entwickeln. Ein Trend geht hin zur Bioökonomie, also das auf Lebewesen oder biologischen Materialien aufbauende, nachhaltige Wirtschaften. Die Internationale Humangenom-Organisation (HUGO) hatte nun erstmals zusammen mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit  und Entwicklung (OECD) am 17. Mai zum Symposium „Genomics and Bioeconomy“  ins südfranzösische Montpellier geladen. Prominente Genomforscher und Bioinformatiker aus aller Welt präsentierten Ideen, wie ihre Disziplinen als Schrittmacher einer effizienten Bioökonomie dienen können.  Nun wollen die Experten ein Strategiepapier mit Empfehlungen an die Politik auf den Weg bringen.

 

Den Begriff der biobasierten Bioökonomie (biobased economy) hatte die OECD erstmals 2004 aufgebracht. Wurde hierunter vor allem die Anwendungen der industriellen Biotechnologie gefasst, so verwendeten die Veranstalter der Tagung in Montpellier den Begriff wesentlich breiter. „Wir verstehen darunter ein künftiges Wirtschaften, das immer besser biologische Prozesse, Materialen und Lebewesen zu nutzen versteht und alle Gebiete des menschlichen Schaffens betrifft“, sagte Ian Gillespie, Leiter der OECD-Abteilung für Wissenschaftspolitik.  Dazu zähle neben der Biotechnologie im Gesundheitssektor die Züchtung von Nutzpflanzen und Nutztieren mit verbesserten Eigenschaften, sowie die industrielle Biotechnologie, die etwa auf die Produktion von  Enzymen, Chemikalien oder Biotreibstoffe abzielt. Das Prinzip des grünen, nachhaltigen Wachstums („green growth“), die von der Biotechnologie ausgehen soll, falle nicht zuletzt in Zeiten der erlebten Wirtschaftskrise auf fruchtbaren Boden, so Gillespie. Aus seiner Sicht geht es nun darum, die Genomwissenschaften als eine „wichtige Komponente einer lebendigen Bioökonomie zu etablieren“.

Dritte Generation an Sequenzierern

Parallel mit der OECD ist auch bei HUGO der Wunsch nach einer Diskussion zum Thema Bioökonomie gereift, erzählt der Präsident der Internationalen Humangenomorganisation Edison Liu, der gleichzeitig Direktor des Genome Institute in Singapur ist. Die Human-Genomforschung feiert dieses Jahr ihr erstes großes Jubiläum: Vor zehn Jahren wurde die komplette Sequenz des menschlichen Erbguts veröffentlicht. Einen Tag vor dem Start des jährlichen "HUGO Human Genome Meeting", das noch bis 21. Mai mit mehr als 500 Teilnehmern in Montpellier stattfindet, sei es nun ertmals gelungen, hochkarätige Forscher zum Thema "Bioökonomie" zusammenzubringen, so Liu.

Mit-Organisatoren der Tagung waren neben HUGO und OECD das kanadische McLaughlin-Rotman Centre for Global Health und die Mexican Health Foundation. Knapp 70 Teilnehmer hatte das Symposium ins sonnige Montpellier gelockt, allein 20 Vortragende präsentierten im Konferenzentrum „Le Corum“ Ideen, wie Genomforschung und ihre Technologien die Entwicklung der Weltwirtschaft vorantreiben können. In seinem einführenden Vortrag machte Edison Liu deutlich, wie sehr der rasante methodische Fortschritt die Genomentschlüsselung verändert hat. „Die dritte Generation von Sequenzierungsverfahren erreicht enorme Lesegeschwindigkeiten und stellt große Mengen an genetischen Informationen zur Verfügung“. Liu rief dazu auf, diese Informationen müssten für eine breite Nutzung zugänglich sein. Zugleich forderte er, über neue Modelle nachzudenken, wie genomische Daten kommerzialisiert und miteinander ausgetauscht werden können.

Die OECD und die Bioökonomie

Im vergangenen Jahr hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) einen Bericht mit dem Titel „The Bioeconomy to 2030“ vorgelegt.

Zum OECD-Report (engl.): hier klicken

Besondere Pharmakogenetik für jedes Land

Yuan-Tsong Chen vom Institute of Biomedical Sciences in Taiwan berichtete über seine Aktivitäten im Bereich der molekularen Medizin am Beispiel der Pompe-Krankheit, einem Muskelleiden, das auf einer bestimmten Enzymdefekt beruht. Mithilfe gentechnisch hergestellter und verabreichter Enzyme (Myozyme) ist es den Forschern um Chen zumindest bei gelähmten Wachteln bereits gelungen, die Tiere wieder zum Flattern zu bringen.  Doch die Diskutanten waren sich einig, dass Pharmakogenetik, die anhand des genetischen Profils eines Patienten nach den passenden Medikamenten sucht, in vielen Teilen der Welt unterentwickelt ist. „Viele genomischen Besonderheiten von vielen Bevölkerungsgruppen auf der Welt sind noch überhaupt nicht untersucht “, begründete Howard McLeod von der University of North Carolina, Chapel Hill, das Defizit. Der US-Forscher sagte, die modernen Therapeutika wären heute noch fast ausschließlich auf weiße Europäer als Patienten zugeschnitten. Um dieses Problem zu beheben, leitet McLeod die PharmacoGenetics for Every Nation Initiative (PGENI).  Finanziert über private Spender, die Bill Gates-Stiftung und den Global Health Fund will die Initiative das Konzept der Personalisierten Medizin für jedes Land der Welt anwendbar machen. Ziel ist es, in über 100 Länder pharmakogenetische Daten zu erheben. So sollen dereinst Landkarten entstehen, auf denen man ablesen kann, wie bestimmte Bevölkerungsgruppen auf bestimmte Arzneien reagieren.

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Energie aus Pflanzen

Neben medizinischen Themen ging es auch um die Frage, wie Pflanzen als nachwachsenden Rohstoffe die Bioökonomie antreiben können. Ein Hoffnungsträger der grünen Biotechnologen sind Algen. Die US-Firma Algenol hat bestimmte Cyanobakterien gentechnisch so verändert, das sie besonders effizient Ethanol als Biosprit herstellen können. „Wir haben einige Stämme so verändert, dass sie bis zu 80 Prozent des angebotenen Kohlendioxids in Ethanol umwandeln können“, sagte Dirk Radzinski, Manager bei Algenol. Das Unternehmen, das auch eine Niederlassung in Berlin betreibt, hat zudem ein raffiniertes Kultursystem entwickelt: In zeltförmigen Tanks wird Algenbrühe kultiviert, Ethanol verdunstet und lagert sich als Kondensat am Zeltdach ab, wo es kontinuierlich abgeführt werden kann. In riesigen Arealen in der mexikanischen Wüste und im US-Bundesstaat Texas baut Algenol nun Pilotanlagen mit diesen Photobioreaktoren auf, um Ethanol im industriellen Maßstab herzustellen.

Forschungsbedarf für die verbesserte Produktion von Biosprit sieht auch Edward Rubin, Direktor am kalifornischen Joint Genome Institute (DOE JGI), das vom US-Energieministerium getragen wird. Nach seiner Ansicht gibt es zu flüssigen Treibstoffen auch in den nächsten Jahrzehnten keine Alternative, da nur solche Stoffe eine hohe Energiedichte aufweisen, wie sie etwa für den Flugverkehr gebraucht werden. Zahlreiche Genomprojekte in seinem Hause zielen darauf ab, künftig bessere Biotreibstoffe herzustellen. „Wir müssen bessere Energiepflanzen entwickeln, die mehr Biomasse aufbauen“, sagte Rubin. Ein weiterer Fokus: Die Aufspaltung von Zellulose in Zuckermoleküle.  In den Verdauungstrakten von Termiten, Beuteltieren, Dungkäfern und Muscheln habe man über 1000 Enzyme entdeckt, die Zellulose und Hemizellulose spalten könnten. Rubin betonte, der Trend gehe weg vom Bioethanol („ein furchtbarer Biotreibstoff“), hin zur Produktion von langkettigen Alkoholen und Alkanen. Nicht nur er sieht das aufstrebende Gebiet der synthetischen Biologie daher als einen Weg,  um neuartige Mikroben zu entwickeln, die solche Biotreibstoffe herstellen.

Synthetische Biologie: Bauteile austauschen

HUGO

Die internationale Humangenom-Organisation HUGO versammelt Wissenschaftler aus den verschiedenen Gebieten der Humangenetik. Gegründet 1988, war HUGO maßgeblich an der Entzifferung des menschlichen Erbguts beteiligt.

Zur HUGO Webseite: hier klicken

Der Bioingenieur Drew Endy von der University of Stanford steht für eine solche Form der Biotechnologie des 21. Jahrhunderts. Seiner Ansicht nach mangelt es der gegenwärtigen Biotechnologie an guten Werkzeugen. Die brauche es aber, so Endy, um Genabschnitte neu zu designen und so Organismen mit völlig neuen Eigenschaften herzustellen. Endy, Mitbegründer des Studentenwettbewerbs iGEM, dem weltgrößten Basteltreffen der Synthetischen Biologie, hat die Vision, das Bioingenieure genetische Schalter wie Bauteile untereinander austauschen und daraus neue Funktionen konstruieren. „Ich plädiere für ein Umdenken im Bezug auf intellektuelles Eigentum bei solchen Bauteilen“, sagte Endy. Es brauche ein offenes System, das er selbst „ownership sharing and innovation“ nennt.

Am Folgetag des Symposiums traf sich in Montpellier ein Kreis von Experten mit Verantwortlichen der OECD zu einem runden Tisch. „Hier ging es auch um politischen Rahmenbedingungen und Hürden, patentrechtliche Fragen, aber auch Fördermöglichkeiten und Kooperations-Vorhaben zu Genomforschung und Bioökonomie, sagt OECD-Mann Gillespie. „Wir wollen von diesem Treffen ausgehend ein Strategiepapier auf den Weg zu bringen, das möglichst klare Empfehlungen für politische Entscheider enthält. Im Dezember soll das Papier dem OECD-Komitee vorgelegt werden, ein Report wird dann Anfang 2011 erwartet. Gleichzeitig soll auch ein akademisches Paper erscheinen, sagte HUGO-Präsident Edison Liu.

 

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