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Blick auf den Beginn der Evolution: Hydra-Genom entschlüsselt

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Der Süßwasserpolyp Hydra steht ganz am Anfang der tierischen Entwicklungsgeschichte. Das Genom bietet einen Blick auf die Evolution der Gene. Quelle: Melanie Mikosch und Thomas Holstein / Universität Heidelberg

18.03.2010  - 

Sie sind so gut wie unsterblich und leben vielleicht in Nachbars Gartenteich: Süßwasserpolypen der Gattung Hydra sind kleine Hohltiere und wichtige Modellorganismen für die biologische Forschung. Ihre Bedeutung liegt in ihrer Einfachheit: Hydren zählen zu den simpelsten mehrzelligen Lebewesen überhaupt. Gleichzeitig verfügen sie über faszinierende Fähigkeiten: Sie können sich regenerieren, altern nicht und sind immun gegen Krebs. Nun wurde das Hydra-Genom von einem Team aus internationalen Wissenschaftlern entschlüsselt - mit dabei waren auch deutsche Forscher von den Universitäten in München, Heidelberg und Kiel. Die Ergebnisse sind im Fachmagazin Nature (Online-Vorabveröffentlichung, 14. März 2010).


 

Der Süßwasserpolyp gehört zu den mehr als 600 Millionen Jahre alten Nesseltieren (Cnidaria). Sie stellen eines der ersten mehrzelligen Lebewesen dar und stehen deshalb an der Wurzel der tierischen Evolution. Hydra ist aber nicht nur evolutionsgeschichtlich interessant, sondern ist ein beliebtes Modellsystem, das Biotechnologen, Stammzellforschern und Biomedizinern wichtige Erkenntnisse beschert. So kann sich Hydra nahezu unbegrenzt regenerieren und altert kaum. Beide Fähigkeiten sind für die Forschung hochinteressant.

Kopf einer Hydra, deren Tentakel (rot) und Mund (grün) eingefärbt sind. In der griechischen Mythologie ist die Hydra ein neunköpfiges schlangenähnliches Ungeheuer, dem zwei Köpfe nachwachsen, wenn einer abgeschlagen wird.Lightbox-Link
Kopf einer Hydra, deren Tentakel (rot) und Mund (grün) eingefärbt sind. In der griechischen Mythologie ist die Hydra ein neunköpfiges schlangenähnliches Ungeheuer, dem zwei Köpfe nachwachsen, wenn einer abgeschlagen wird.Quelle: Universität Wien

Um das Hydra-Genom und sein Repertoire an Genen zu entschlüsseln, hat ein internationales Team mit Wissenschaftlern aus Japan, USA, Österreich und Deutschland nun die  1,2 Milliarden Basenpaare der DNA komplett sequenziert. Auf deutscher Seite waren Forschergruppen um Charles David von der Ludwig-Maximilians-Universität München, Thomas Bosch von der Christian-Albrechts-Universität Kiel und Thomas Holstein von der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg beteiligt. Anschließend verglichen die Forscher die Hydra-Sequenz mit der Abfolge der DNA-Bausteine bei höheren Tieren und beim Menschen. Die aufwendigen Forschungsarbeiten wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie der National Science Foundation (NSF) und dem National Human Genome Research Institute (NHGRI) in den USA, dem National Institute of Genetics (NIG) in Japan und dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) in Österreich finanziert.

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Der Blick in das Genom eines der ersten tierischen Mehrzeller auf dem Planeten zeigt, wie früh sich bereits ein Ensemble an Genen herausgebildet hat, das auch in komplexen Tieren bis hinauf zum Menschen Verwendung findet. Wie die Vertebraten, die Wirbeltiere, besitzt bereits Hydra einen Satz von rund 20.000 Genen. Alle wesentlichen molekularen Schalter für die Bildung der Epithelgewebe, der Muskulatur, der Stammzellen sowie des Nerven- und Immunsystems sind auf der Ebene dieses einfachen Mehrzellers entstanden. Viele dieser Schalter sind über die Evolution hinweg konserviert worden. Trotz 600 Millionen Jahren evolutionärer Trennung ist zum Beispiel die molekulare Zusammensetzung wichtiger Gewebetypen, wie etwa des Darm-Epithels, bei Hydra und beim Menschen annähernd gleich. Aufschlussreich war auch der Vergleich des Hydra-Erbguts mit jenem anderer Tiere, insbesondere einer nah verwandten Seeanemone. Einige Gene sind im Laufe der anpassung an das Süßwasser verloren gegangen, andere haben sich verdoppelt: Das Genom als Geschichte der Interaktion mit der Umwelt. Aber dasHydra-Genom hatte noch andere Überraschungen parat. So konnten die Forscher einen ungewöhnlich großen Anteil dynamischer Sequenzen ausmachen, sogenannte transposable Elemente. Und um sich optimal anzupassen, hat Hydra zudem zahlreiche Gene aus dem Erbgut von Bakterien übernommen und beibehalten.

Die beteiligten Arbeitsgruppen

Charles David am Biozentrum München: hier klicken

Thomas Bosch an der Universität Kiel: hier klicken

Thomas Holstein am Zoologischen Institut der Universität Heidelberg: hier klicken

Die Entschlüsselung des Hydra-Genoms ist ein wichtiger Schritt zum Verständnis des molekularen "Werkzeugkastens", der der Evolution von Tieren und Mensch zugrundeliegt. Die Biologen wollen eine grundlegende Frage des Lebens beantworten: Aus welchen Elementen besteht die Basisversion des tierischen Bauplans und wie haben sich daraus alle komplexeren Typen entwickelt? Aber auch konkretere biologische Phänomene könnten mit dem Genom von Hydra einmal weiter geklärt werden. So ist Hydra etwa gegen Krebs immun und beinahe unsterblich. Der unscheinbare Süßwasserpolyp, der in heimischen Teichen, Seen und Flüssen zu Hause ist, erzeugt nämlich laufend frische Stammzellen. Daraus können sich die Zellen für die verschiedenen Organe immer wieder nachbilden. Sterben beschädigte oder alte Zellen ab, werden sie ganz einfach durch neue ersetzt. Dieser regenerative Vorgang umfasst sogar Nervenzellen - dazu ist kein anderes Tier auf der Welt imstande.

Hydra wurde erstmals im Jahr 1702 von Antoni van Leeuwenhoek beschrieben. 1744 veröffentlichte der Genfer Naturforscher Abraham Trembley seine Beobachtungen über eine Serie von Experimenten mit dem Süßwasserpolypen. Sie zeigten zum ersten Mal die Fähigkeit, Organe und Gewebe zu regenerieren, sowie die Gewebetransplantation und die asexuelle Vermehrung eines Tieres. Seit dieser Zeit ist Hydra ein wichtiges Modellsystem, um Prozesse der Regeneration und Entwicklung zu studieren. Diese Untersuchungen haben zu grundlegenden Entdeckungen in der experimentellen Biologie geführt. 

 

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