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Auf der Suche nach dem Darmkrebs-Schwachpunkt

Eine Zelllinie mit Darmkrebszellen, wie sie für Tests benutzt werden. Die Oncotest GmbH hat eine Bibliothek von mehr als 200 Tumorzelllinien. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Eine Zelllinie mit Darmkrebszellen, wie sie für Tests benutzt werden. Die Oncotest GmbH hat eine Bibliothek von mehr als 200 Tumorzelllinien.

16.03.2010  - 

Darmkrebs ist in Deutschland die zweithäufigste Krebserkrankung. Das Freiburger Biotechnologie-Unternehmen Oncotest GmbH hat sich mit französischen Partnern zusammengetan, um neue Angriffspunkte für Therapien gegen die häufigste Darmkrebs-Variante zu finden, das kolorektale Karzinom. In einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten EuroTransBio-Projekt haben die Forscher Gene ausmachen können, die in Tumorzellen besonders aktiv sind. Jetzt versuchen die Wissenschaftler Naturstoffe zu finden, um diese Gene zu unterdrücken. Damit könnten sie das Wachstum der Tumorzellen einschränken oder im Idealfall diese absterben lassen, so hoffen die Wissenschaftler.



Krebs ist die moderne Geißel der Menschheit. In Deutschland erkranken jedes Jahr mehr als 400.000 Menschen an einem Tumor, fast die Hälfte davon stirbt an den Folgen. Weltweit wird die Zahl der Krebstoten in den nächsten Jahren steil ansteigen und sich bis 2030 verdoppeln, schätzt die Weltgesundheitsorganisation. Schon jetzt gilt Krebs als die weltweit häufigste Todesursache. Allerdings ist die Erkrankung auch komplex. Es gibt hunderte verschiedener Tumorarten, deren Entstehung in den meisten Fällen noch unklar ist. Als sicher gilt, dass genetische Veränderungen in den Tumorzellen eine große Rolle spielen. Um das Wissen über die genetischen Eigenschaften der verschiedenen Krebsarten zusammenzutragen, haben sich hunderte von Wissenschaftlern zum "International Cancer Genome Consortium" zusammengeschlossen, dem größten derartigen Projekt seit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms. Anfang 2010 nahmen die deutschen Teilnehmer die Arbeit auf (mehr...).

Erfolgreiche grenzübergreifende Kooperation

Das Biotech-Unternehmen Oncotest beschäftigt sich nicht erst seit diesem Jahr mit der Erforschung von Krebs. Bereits Anfang 2007 starteten die Freiburger eine deutsch-französische Kooperation, um neue Angriffspunkte gegen Darmkrebs zu finden. Gefördert wurde die grenzübergreifende Kooperation vom BMBF und dem französischen Forschungsministerium als EuroTransBio-Projekt. Seit 2004 können sich Verbünde von Biotechnologie-Firmen aus mindestens zwei europäischen Ländern im Rahmen von EuroTransBio um eine Unterstützung bewerben. Die Initiative erfreut sich regen Zuspruchs. Am 1. Februar 2010 endete die Frist für die fünfte Ausschreibungsrunde.

EuroTransBio

Die Förderinitiative richtet sich an kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) in der Biotechnologie. Seit 2004 werden Projekte mit Partnern aus einer Reihe von europäischen Mitgliedstaaten unterstützt.

http://www.eurotransbio.net/

Das Vorhaben, mit dem sich Oncotest und die französischen Partner, das Bergonié Institut und das Biotechnologie-Unternehmen Fluofarma aus Bordeaux und das Hautepierre Hospital aus Straßburg erfolgreich um eine Förderung beworben haben, zielt auf eine Therapie für das kolorektale Karzinom ab. Um neue Angriffspunkte zu finden, mussten die Oncotest-Forscher zunächst herausfinden, was das kolorektale Karzinom vom gesunden Gewebe der Dickdarmschleimhaut und von anderen soliden Tumoren auf genetischer Ebene unterscheidet. Grundsätzlich haben alle Zellen des Körpers das gleiche Erbgut. Doch unterscheiden sich Zellen aus verschiedenen Geweben darin, welche Eiweiße in welcher Menge (Proteinexpression) aus den jeweiligen Genen tatsächlich entstehen. Aus der Rate, wie oft die jeweiligen Gene zur Eiweißproduktion abgelesen werden, lässt sich ein Genexpressionsprofil erstellen. Dieses Profil besteht aus tausenden von Einzelwerten und ist in seiner Gesamtheit ein recht zuverlässiger Fingerabdruck der Genepxression einzelner Gewebe, aber auch von Tumortypen.

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Mehrere hundert Gene waren auffällig

Die Oncotest-Forscher haben Tumorgewebe von insgesamt hundert Patienten mit kolorektalem Karzinom untersucht. Auch von anderen Tumorarten hat Oncotest Genexpressionsprofile erstellt. "Die Genexpressionsprofile der kolorektalen Karzinome haben wir mit denen aus gesundem Gewebe der Dickdarmschleimhaut und weiterer solider Tumorarten verglichen", erklärt Michael Hofmann, Laborleiter Molekularbiologie bei Oncotest. "Wir suchten nach Genen, die in dem Tumorgewebe besonders häufig oder besonders selten im Vergleich zur normalen Dickdarmschleimhaut abgelesen wurden." Und tatsächlich weist das kolorektale Karzinom eine ganze Reihe von Besonderheiten auf. Mehrere hundert Gene erwiesen sich als auffällig. Zu viele, um sie alle im Detail zu untersuchen. Deshalb wurden in weiteren Schritten die Anzahl der konkret zu bearbeitenden Gene weiter reduziert, z. B. indem Gene aussortiert wurden, die in der Leber, der Niere oder dem Gehirn eine wichtige Rolle spielen. So soll ausgeschlossen werden, dass ein Wirkstoff dort unerwünschte Nebenwirkungen zeigt. Letztendlich wurden 64 Gene ausgewählt, die im kolorektalen Karzinom gegenüber gesundem Dickdarmgewebe überdurchschnittlich häufig abgelesen werden.

Oncotest GmbH

Seit 1992 forschen die Mitarbeiter der Oncotest GmbH an Diagnose und Therapie von verschiedenen Krebsformen. Im Laufe der Zeit hat das Freiburger Unternehmen eine Sammlung von mehr als 200 verschiedenen Tumorzelllinien aufgebaut.

www.oncotest.de

"Nun haben wir überprüft, was passiert, wenn diese Gene in zellulären Testsystemen herunterreguliert werden", sagt Hofmann. Die Aktivität der Gene können die Forscher mit der siRNA-Technik steuern. Kleine RNA-Moleküle, die sogenannten small interfering RNAs (siRNAs), passen wie der Schlüssel zum Schloss auf die Boten-RNAs, die Erbinformationen von der DNA zu den Proteinfabriken transportieren. Durch das Einschleusen passender siRNAs in Kolonkarzinom-Zellen kann also die Produktion eines Eiweißes gezielt gehemmt werden. "Zwei Reaktionen waren dabei erwünscht", erläutert Hofmann. Die Forscher suchten nach Genen, deren Hemmung durch siRNAs entweder die Tumorzellen am Wachstum und damit an der Teilung hindern oder sogar den Tod der Tumorzellen verursachen. Diese letzte Auswahlrunde reduzierte den Kreis der Kandidaten schließlich auf fünf Gene.

Bibliothek von 2800 Naturstoffen durchstöbern

Derzeit sucht der französische Partner von Oncotest, Fluofarma aus Bordeaux, in einer Sammlung von 2.800 Naturstoffen nach Substanzen, die die Aktivität dieser fünf Gene in einem zellulären Testsystem herunterregulieren können und dadurch zu einem Absterben der Tumorzellen führen. "Falls ein Stoff eine solche Wirkung zeigt, haben wir eine potentielle Leitstruktur identifiziert, die als Ausgangsbasis für die Identifizierung eines Medikamentes dienen kann", so Hofmann. Aussichtsreiche Substanzen untersucht Oncotest dann noch einmal mit einem speziellen Testsystem, dem Tumor-Koloniebildungsassay. Hierbei werden viele kleine Einzelproben von Zellen der kolorektalen Karzinome mit den Testsubstanzen behandelt und deren Auswirkung auf das Wachstum von Tumorkolonien bestimmt.

Ziel dieser europäischen Kooperation ist die Patentierung von Genen als Zielstruktur für die Therapie des kolorektalen Karzinoms und die Patentierung von Leitstrukturen zur Behandlung des kolorektalen Karzinoms. Für die Wissenschaftler von Oncotest ist das Forschungsprojekt besonders interessant, weil sie die Entwicklung eines Medikaments über mehrere Entwicklungsstufen begleiten: von der Identifizierung von Angriffspunkten für eine Therapie über die funktionelle Charakterisierung der Zielstrukturen bis zur Identifizierung von Leitstrukturen, die als Ausgangspunkt für die Medikamentenentwicklung dienen können.

Die Zusammenarbeit mit den französischen Partnern sei sehr intensiv und produktiv gewesen, sagt Hofmann. Bei jedem der Arbeitsschritte seien meist alle Partner beteiligt gewesen. Und auch wenn das EuroTransBio-Förderprojekt mittlerweile offiziell beendet ist, war das nicht das Ende der Kooperation, da ist sich Hofmann sicher: „Die entstandenen Netzwerke werden weiter bestehen und Grundlage gemeinsamer Forschungsvorhaben sein.“ 

 

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