Wenn eine fehlgeleitete Immunattacke das Herz schwächt
09.03.2010 -
Wer an Herzschwäche leidet, bei dem kann auch ein fehlgeleitetes Immunsystem die Ursache sein. Forscher um GO-BIO-Preisträger Roland Jahns von der Universität Würzburg wollen diese Attacke nicht nur verhindern, sondern auch besser verstehen. Dann, so die Hoffnung, könnte langfristig auch die Diagnose der Krankheit verbessert werden. Dafür ist nun mit Unterstützung des BMBF eine groß angelegte Studie gestartet.
In Deutschland haben etwa 1,5 Millionen Menschen eine Herzschwäche (Herzinsuffizienz). Diese Fehlfunktion kann unter anderem nach einem Herzinfarkt oder nach einer Entzündung des Herzmuskels entstehen. Die Patienten leiden bei Anstrengung schnell an Luftnot. Außerdem sammelt sich in ihrem Körper Wasser an, etwa in den Beinen oder der Lunge, was die Atemnot weiter verschlimmert. Heilbar ist die Herzschwäche bislang nicht, die Symptome lassen sich aber mit Medikamenten lindern.
Bei einer großen Anzahl von Patienten kann eine schwere Herzinsuffizienz auch durch eine fehlgeleitete Attacke des Immunsystems entstehen. Dabei richten sich körpereigene Antikörper fälschlicherweise gegen einen bestimmten Rezeptor in der Wand der Herzmuskelzellen. Dieser spezielle Rezeptor sorgt beim menschlichen Herzen normalerweise dafür, dass das Stresshormon Adrenalin die Pumpe schneller und kräftiger schlagen lässt. Die bei betroffenen Patienten fälschlich gebildeten Rezeptor-Antikörper wirken ähnlich wie Adrenalin. Die hierdurch hervorgerufene unnötige Überstimulation des Rezeptors führt im Laufe der Zeit zu einer fortschreitenden Erweiterung und Funktionseinschränkung der linken Herzkammer. "Wir vermuten, dass im Verlauf der Erkrankung herzschädigende Autoantikörper im Blut gebildet werden. Es gibt auch deutliche Anzeichen dafür, dass diese Autoantikörper bei vielen Patienten die Herzschwäche verursachen", erläutert Roland Jahns, Professor von der Medizinischen Klinik I der Universität Würzburg, der bereits seit Jahren an dem Thema arbeitet.
GO-Bio-Wettbewerb |
Roland Jahns von der Universität Würzburg ist einer von inzwischen 28 Siegern, die vom BMBF im GO-Bio-Wettbewerb unterstützt werden. |
Vom GO-Bio-Wettbewerb zur Firmengründung
2006 konnte die Arbeitsgruppe um Jahns bereits zeigen, dass sich diese schädlichen Rezeptor-Antikörper im Tiermodell durch spezielle stabile kurze Eiweißringe (Zyklopeptide) neutralisieren ließen, und damit die Überstimulation des Rezeptors unterbunden wurde. Erhielten die Tiere die Zyklopeptide vorbeugend, also noch vor Ausbruch der Krankheit, wurde die Entstehung einer Herzschwäche verhindert. Bei späterer, therapeutischer Gabe der Zyklopeptide ließ sich eine bereits bestehende Herzinsuffizienz sogar wieder rückgängig machen. Auf der Basis dieser Ergebnisse war Jahns 2006 in der ersten Runde des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) initiierten GO-Bio-Wettbewerbs erfolgreich (mehr...). Mit dem Fördergeld will der Forscher die patentierten Zyklopeptide als neues Therapieverfahren systematisch charakterisieren und für einen klinischen Einsatz so optimieren, so dass sie für einen Einsatz in ersten Studien an Herzschwäche-Patienten mit einem fehlgeleiteten Immunsystem in Frage kommen. "Die vorklinische Entwicklung dieses neuen Medikaments und erste Tests an Menschen sind erfolgreich abgeschlossen", berichtet Jahns. "Der Wirkstoff zeigt bisher keine ernsten Nebenwirkungen und könnte bei rechtzeitiger Gabe die Entstehung der Herzschwäche vermutlich verhindern." Zur weiteren Entwicklung dieses und anderer Therapieansätze wurde inzwischen - gemeinsam mit GO-Bio-Preisträgerin Dorothea Siegel-Axel - das auf Herzkrankheiten spezialisierte Unternehmen Corimmun mit Sitz in München gegründet, das 2008 eine erste Finanzierung in Höhe von fünf Millionen Euro abschließen konnte.
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Neue Studie gestartet
Firmen-Gründer Jahns ist jedoch auch an der diagnostischen Weiterentwicklung des Themas interessiert. So hat der Forscher nun gemeinsam mit elf Universitätskliniken in Deutschland sowie Partnern in Göteborg und Padua im Januar eine Studie gestartet, in der die Wissenschaftler in den nächsten drei Jahren feststellen wollen, wie häufig die Autoantikörper nach einem Herzinfarkt oder einer Herzmuskelentzündung überhaupt entstehen. Außerdem wollen sie herausfinden, wie die Konzentration der Autoantikörper im Blut mit dem Verlauf der Herzinsuffizienz zusammenhängt.
Im Rahmen der Studie sollen 200 Patienten mit einem ersten Herzinfarkt und 200 Patienten mit einer ersten akuten Herzmuskelentzündung beteiligt sein, deren immunologische Parameter im Blut sowie Daten zur Herzfunktion analysiert werden. Darüber hinaus wollen die Wissenschaftler Blutproben von 900 Patienten untersuchen, die bereits an immunbedingter Herzschwäche leiden. Diese Proben werden vom Deutschen Kompetenznetz Herzinsuffizienz (Berlin) zur Verfügung gestellt. Zum Vergleich wird noch das Blut von 300 gesunden Menschen untersucht. Mit ersten Ergebnissen rechnen die Wissenschaftler in etwa zwei Jahren. Falls die Autoantikörper beim Entstehen der Herzschwäche eine ursächliche Rolle spielen, sollte ihr Nachweis im Blut schon bald in die klinische Routinediagnostik einfließen, so die Hoffnung der Forscher.
Biomarker für Herzschwäche etablieren
Mit einem entsprechenden Test könnten die Ärzte das Risiko für die Entwicklung einer Herzschwäche besser abschätzen. Sind Autoantikörper nachweisbar, ließe sich frühzeitig eine Therapie einleiten oder eine bereits begonnene Behandlung intensivieren. "Der Nachweis von Autoantikörpern und andere molekulare Analysen werden künftig immer präzisere Informationen über Krankheiten liefern und dadurch die Therapien weiter verbessern", sagt Roland Jahns. Schon jetzt seien viele so genannte Biomarker bekannt, mit denen sich zum Beispiel akute Herzinfarkte oder Prostata- und Darmkrebsleiden frühzeitig diagnostizieren lassen. Biomarker helfen den Ärzten auch dabei, den Verlauf einer Erkrankung vorherzusagen und exakt zu verfolgen, wie gut eine Therapie anschlägt. Oft sind Biomarker im Blut nachzuweisen, und so reicht eine einfache Blutabnahme aus, um sie zu bestimmen. "Jedoch sind bisher nur wenige Tests so weit entwickelt, dass sie im klinischen Alltag genutzt werden können", sagt Jahns. Das liege daran, dass die meisten Tests noch zu langwierig oder zu kompliziert sind. Diese Lücke zwischen Grundlagenforschung und Patientenversorgung will das BMBF nicht nur im Rahmen der GO-Bio-Förderung schließen. Es fördert darüber hinaus seit 2007 mit rund 20 Millionen Euro insgesamt 19 Projekte zur Molekularen Diagnostik. Die Studie über immunbedingte Herzschwäche ist eines davon.