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Nils Johnsson: Die Netzwerke der Eiweiße ergründen

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Nils Jonhsson ist zuversichtlich, dass er die Wechselwirkungen der Hefe-Eiweiße bald darstellen kann. Quelle: Universität Ulm

29.09.2009  - 

Hefe eignet sich nicht nur zum Brauen von Bier oder zum Backen von Leckereien. Auch für Wissenschaftler hat der kleine einzellige Pilz eine große Bedeutung: Die Bäckerhefe – wissenschaftlich Saccharomyces cerevisiae – hat viel mit menschlichen Zellen gemeinsam. Deshalb hat der Biochemiker Nils Johnsson sie zu seinem Forschungsobjekt auserkoren. Möglichst bald will er die Wechselwirkung aller Eiweiße der Hefe kartiert haben. Neben der Grundlagenforschung etabliert Johnsson aber auch neue Messmethoden für die Proteinforschung. Im Jahr 2002 gründete er gemeinsam mit Schweizer Forscherkollegen und unterstützt durch Schweizer Investoren die Biotech-Firma „Covalys“, die heute in Witterswil bei Basel angesiedelt ist. Das Startup hat sich sich auf die Markierung von Eiweißen spezialisiert,  und wurde in der Zwischenzeit von New England BioLabs übernommen.



 

Die Begeisterung für Eiweiße entflammte bereits während Johnssons Diplom- und Doktorarbeit am Max-Planck-Institut (MPI) für Biophysikalische Chemie in Göttingen, damals noch unter Professor Klaus Weber. Um frischen Nachschub für seine Untersuchungen heranzuschaffen, nahm der Wissenschaftler zu jener Zeit auch in Kauf, diese im Schlachthof aus den Därmen von Tieren zu extrahieren. „Mein Interesse war schon damals, Proteine in lebenden Zellen zu untersuchen,“ erzählt Johnsson. Nach Forscherstationen am Max-Delbrück-Laboratorium am MPI für Züchtungsforschung in Köln, in Übersee am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und California Institute of Technology, am Forschungszentrum Karlsruhe sowie an der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster zog es den studierten Biochemiker nach Süddeutschland.

Für seine Forschungen hat Johansson eine Bibliothek von mehr als 4000 Hefen zur Verfügung, bei denen jeweils ein anderes Gen deaktiviert wurde.Lightbox-Link
Für seine Forschungen hat Johansson eine Bibliothek von mehr als 4000 Hefen zur Verfügung, bei denen jeweils ein anderes Gen deaktiviert wurde.Quelle: Universität Ulm

Bis heute forscht Johnsson – seit 2007 als Direktor des Instituts für Molekulare Genetik und Zellbiologie an der Universität Ulm – an der großen Frage, wie Tausende von Eiweißen in einer Zelle miteinander zusammenhängen.

Netzwerk der Eiweiße in der Hefe sichtbar machen 

Neben dieser Grundlagenforschung widmet sich der im niedersächsischen Clausthal-Zellerfeld geborene Johnsson im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes der Methodenentwicklung. Die von ihm entwickelte Technik soll die Wechselwirkung von Eiweißen innerhalb der lebenden Hefezelle sichtbar machen. „Die Methode wird uns die Frage beantworten, wo und wann ein Protein mit einem anderen interagiert,“ erläutert Johnsson. Er markiert dafür Eiweiße mit Fluoreszenzfarbstoffen und kann dadurch deren Aufgabe in den Hefezellen mittels spezieller mikroskopischer Verfahren verfolgen.

Institut für Molekulare Genetik und Zellbiologie
Seit 2007 ist Nils Johnsson Direktor des Instituts für Molekulare Genetik und Zellbiologie an der Universität Ulm.
Zum Institut: hier klicken

4000 Hefestämme mit unterschiedlicher Genausstattung

Für sein größtes Ziel wird der W3-Professor einen langen Atem brauchen. Johnsson will das aus 6000 Genen bestehende Genom und die daraus abgelesenen Eiweiße der Bäckerhefe bis ins kleinste Detail studieren. Ein wichtiges Hilfsmittel für seine Studien ist eine Sammlung von rund 4000 verschiedenen Hefestämmen. „Bei jedem Stamm wurde ein anderes Gen ausgeschaltet,“ erklärt er. „Trotzdem sind all diese Hefemutanten noch lebensfähig.“ Nur etwa jedes fünfte Gen ist für ein munteres Hefeleben unerlässlich und führt zum Tode, wenn es fehlt. Mit Hilfe der genetisch unterschiedlichen Hefe-Varianten studiert Johnsson, welches Gen für welches Eiweiß zuständig ist, und wie diese Eiweiße miteinander agieren. Eine Arbeitsgruppe aus 16 Forscherinnen und Forschern macht daraus Karten, die die Wechselwirkungen der Hunderten von Eiweißen detailliert aufzeigen. Ein großer Vorteil ist dabei die Ähnlichkeit des Hefeproteoms - also der Gesamtheit der Eiweiße - mit demjenigen des Menschen. „Die so identifizierten Proteinnetzwerke sind zum größten Teil auch auf menschliche Proteine übertragbar“, sagt Johnsson.

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Prototyp für Split-Protein Sensoren entwickelt 

Eine weitere Fragestellung des zweifachen Familienvaters beschäftigt sich mit dem komplizierten Prozess der Zytokinese, der Teilung des Zellplasmas: „Dies ist ein noch wenig verstandener Prozess – bei der Hefe und auch beim Menschen.“ Während der Zellteilung muss der Zellinhalt auf Mutter- und Tochterzelle verteilt werden und Zellmembran und Zellwand müssen die Zunahme an Volumen durch Materialeinbau ausgleichen. Johnsson möchte erfassen, welche Komponenten diesen hochkomplizierten Mechanismus koordinieren. Dabei bedient sich der 49-jährige Naturwissenschaftler der Split-Ubiquitin Methode, die er zusammen mit dem MIT-Hefezellenforscher Alexander Varshavsky während seiner Zeit in den USA entwickelte. Die Methode wird heute von vielen Laboratorien für die Untersuchung von Proteinen weltweit angewandt und gilt als der Prototyp für die in der Folge entwickelten Split-Protein Sensoren.

„Mit unserer Methode können wir die Interaktionen von Genprodukten während der Zytokinese sichtbar machen,“ so Johnsson. Der große Vorteil dieser Methode ist, dass damit gezielt die Wechselwirkungen von 800 bis 1000 bekannten Proteinen in der lebenden Hefezelle gemessen werden können. Weiterhin erlaubt die Technik, noch unbekannte Interaktionspartner aufzuspüren. Was momentan noch nach viel Sisyphusarbeit und wenig anwendungsorientiert klingt, könnte sich zukünftig als medizinisch bedeutsam erweisen, so Johansson. „Neueste Erkenntnisse lassen vermuten, dass Fehler während der Zytokinese zur Entstehung von Krebs beitragen.“ Sollte es gelingen, diese fehlerhaften Prozesse in Krebszellen zu verstehen, ließen sie sich eventuell auch beheben – und damit der Krebs.

Derlei angewandte Forschung ist ihm nicht fern - so war Johnsson 2002 an der Gründung der Biotech-Firma Covalys beteiligt, die Kollegen um Professor Kai Johnsson von der Eidgenössischen Polytechnischen Hochschule Lausanne (EPFL) auf der Basis der Snap-tag-Technologie vorangetrieben haben. Unterstützt duch Schweizer Investoren hat sich das auf die Markierung von Eiweißen spezialisierte Startup in Witterswil bei Basel angesiedelt und konnte später auch den Novartis Venture Fund überzeugen. Im November 2008 wurde die Firma schließlich von US-amerikanischen New England BioLabs Inc. übernommen.


Autorin des Textes: Andrea van Bergen

 

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