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Carmen Birchmeier: Wenn die Maus k.o. ist

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Carmen Birchmeier ist Entwicklungsbiologin am Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin in Berlin. Quelle: MDC

07.09.2009  - 

Was Mäuse uns über unsere eigenen Gene verraten, erforscht Professor Dr. Carmen Birchmeier am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin. Begonnen hat die 54jährige Entwicklungsbiologin mit der gentechnischen Untersuchung der kleinen Säugetiere während ihrer Zeit als Nachwuchsgruppenleiterin am Genzentrum Köln.

Lao-shu“, so heißt die Maus auf Mandarin, auf Arabisch klingt es wie „fallà“. Die kleinen Säugetiere spielen in der Forschung der Biochemikerin eine zentrale Rolle: Carmen Birchmeier züchtet mit biotechnologischen Methoden Mäuse, denen bestimmte Gene fehlen – so genannte Knock-out-Mäuse – und erfährt auf diese Weise, welche Rolle diese Gene in der Entwicklung vom Embryo bis zum ausgewachsenen Tier spielen. Das ist deshalb so interessant, weil viele Gene der Maus ihren Gegenpart beim Menschen haben und dort ähnliche Aufgaben erfüllen. So kann die Wissenschaftlerin heute beispielsweise erklären, warum ein neuartiges Krebsmedikament in bestimmten Fällen als Nebenwirkung Herzprobleme verursachen kann.

Fasziniert von Molekularbiologie

Birchmeiers heutige Erfolge in der Genforschung beginnen damit, dass sie Ende der 1970er-Jahre etwas tut, was sie eigentlich nicht kann: Sie studiert einige Semester lang im fremdsprachigen Ausland, in den USA. „Ich habe klare Talente, aber Sprachen gehören nicht dazu“, lacht die Wissenschaftlerin. Sie lacht gerne ihr volles Lachen, dabei ist sie gleichzeitig ein eher zurückhaltender Mensch. Über Privates redet sie nicht gern, lieber spricht sie von der modernen Molekularbiologie, die sie in den USA kennen lernt: „Die hat mich sehr fasziniert.“

Genzentrum  Köln

Das Genzentrum in Köln wird im Jahr 1982 als gemeinsame Einrichtung des  Instituts für Genetik an der Universität Köln und des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung gegründet. Inzwischen wurde die medizinische Forschung des Genzentrums in das Zentrum für molekulare Medizin Köln (ZMMK) an der Universität Köln eingebracht.

Zum ZMMK: www.zmmk.uni-koeln.de

Gene und deren Funktionen bleiben von nun an Birchmeiers Thema. Sie promoviert bei Max Birnstiel, einem der beiden Genetik-Pioniere der Universität Zürich, und kann ihre Ergebnisse in renommierten wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlichen. „Damals war das Publizieren zwar noch einfacher als heute, wo viel mehr Ergebnisse in einem Artikel verlangt werden. Doch ich hatte auch Glück mit meinem Dissertationsprojekt und konnte mir 1984 mit drei guten Papern praktisch aussuchen, wo ich als Postdoc hingehe“, erinnert sich Birchmeier.
Sie entscheidet sich wieder für die USA, diesmal für die Krebsforschung am privaten Forschungslabor Cold Spring Harbor bei New York. Dort wurde drei Jahre zuvor das erste Krebsgen beim Menschen gefunden. Krebs- oder Onkogene produzieren krankhaft veränderte Proteine, die für das ungehemmte Wachstum von Krebszellen verantwortlich sind. Bald entdeckt Birchmeier ein „eigenes“ Onkogen, Ros, einen so genannten Tyrosinkinase-Rezeptor. Dabei handelt es sich um eine Art Antenne der Zelle, mit der sie biochemische Signale empfängt. Signale, die ihr zum Beispiel sagen: Teile dich!

Von Krebsgenen und männlicher Fruchtbarkeit
In Krebszellen allerdings, so zeigen Birchmeiers weitere Untersuchungen, spielt Ros nur eine untergeordnete Rolle. Und die Suche nach der Funktion von Ros in gesunden Zellen – „der liebe Gott hat die Onkogene ja nicht dazu geschaffen, damit Tumore entstehen“, schmunzelt Birchmeier – dauert lange und bringt ein mageres Ergebnis: Ros spielt offenbar ausschließlich in der Ausbildung männlicher Samenleiter während der Entwicklung eine Rolle. „Ich habe dann gesagt: Was interessiert mich die männliche Fertilität!“, feixt die Wissenschaftlerin. Sie ist ein bisschen enttäuscht vom begrenzten Ros-Forschungspotenzial und wendet sich anderen Themen zu.
Zwei wissenschaftliche Prägungen hinterlässt Ros allerdings: Birchmeier widmet sich seitdem der Entwicklungsbiologie, und sie erlernt eine Methode, die sie fortan wie nur wenige Wissenschaftler weiterentwickelt: das gezielte Ausschalten von Genen – Knock-outs – in Mäusen. Da ist sie schon wieder in Deutschland und leitet eine Nachwuchsgruppe am Max-Delbrück-Laboratorium. Das ist Teil des Genzentrums Köln, in dem „Maus-Genetiker“ gut vernetzt sind.
Mithilfe der KO-Mäuse beginnt Birchmeier, die Aufgaben anderer Tyrosinkinase-Rezeptoren zu untersuchen, ErbB2 und c-Met etwa, die sie bis heute beschäftigen. Diese ‚Antennen’ spielen in der Entwicklung der Maus (und die analogen in der Entwicklung des Menschen) eine wesentlich zentralere Rolle als Ros: Bestimmte Zellen am Rücken des Embryos empfangen mit ihrer Hilfe den Befehl zu wandern und ziehen los, um das komplette Nervennetz des Körpers und die Muskeln in Zunge, Extremitäten und Zwerchfell zu formen. Außerdem haben die Gene weitere Funktionen: ErbB2 etwa sorgt für die korrekte Bildung des Herzens.

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Antennen für das Herz mit Einfluss auf Krebsentstehung
Die erfolgreichen Publikationen aus der Kölner Zeit ebnen Birchmeier den Weg für die Berufung ans Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin. Obwohl es mit der Zahl der Veröffentlichungen gegen Ende ihrer fünf Jahre knapp wird: „Wir hatten zwar gute Daten, aber die waren noch nicht publiziert“, meint die Forscherin. Sie ist froh, dass die Gutachter damals nicht allein auf ihre Publikationsliste schauten und sie in einem Verlängerungsjahr die Gelegenheit bekommt, ihre Arbeiten abzuschließen.
In Berlin findet sie zusammen mit ihrer Gruppe noch mehr über die Tyrosinkinase-Rezeptor-Antennen heraus: Die stehen nicht nur während der frühen Entwicklung auf Empfang: ErbB2 beispielsweise ist auch für die Funktion des erwachsenen Herzens unerlässlich. Gleichzeitig ist ErbB2 ein Onkogen, das in etwa 20 Prozent der Brustkrebsformen ein Wachstumssignal übermittelt. Das wird in der Krebstherapie ausgenutzt: Ein neuartiges Medikament heftet sich an ErbB2 und mindert so das fatale Signal. So wird dem Krebs Einhalt geboten, unter Umständen allerdings mit schweren Nebenwirkungen: Einige der Patienten leiden unter Herzstörungen, für die Birchmeier inzwischen eine Erklärung gefunden hat.

Mit der Entwicklungsbiologie ist sie auf diese Weise wieder ein bisschen in der Krebsforschung angekommen, „denn um solche Nebenwirkungen vorhersagen zu können, ist es gut zu wissen, welche anderen Funktionen Onkogene wie ErbB2 noch haben“, meint sie. „Und: In der heutigen Zeit, wo viele nach dem Sinn reiner Grundlagenforschung fragen, muss ich die Anwendungen der Entwicklungsbiologie immer heraus¬streichen.“

Text Auszug aus BMBF-Broschüre: "Wege in die Biotechnologie - 25 Jahre Nachwuchsförderung"

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