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EU-Ministerrat einigt sich auf Kompromiss bei Stammzellforschung

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Sie führten die Verhandlungen um das EU-Forschungsbudget in Brüssel: EU-Forschungskommissar Janez Potocnik und der finnische Wirtschaftsminister Mauri Pekkarinen. Quelle: Prime Minister's Office/ Lehtikuva

26.07.2006  - 

Europas Stammzellforscher können aufatmen: Projekte mit embryonalen Stammzellen können auch weiterhin von der Europäischen Union gefördert werden. Auf diesen Kompromiss einigten sich die Forschungsminister der 25 EU-Mitgliedsstaaten nach langer Debatte bei einem Treffen am 24. Juli. Sieben Minister, darunter auch die deutsche Forschungsministerin Annette Schavan, hatten sich zunächst gegen eine EU-Förderung der Stammzellforschung ausgesprochen. Am Ende verständigte sich der Ministerrat jedoch auf strenge Auflagen, die erstmals rechtlich verbindlich in einer Zusatznotiz festgehalten wurden. Darin hat sich die EU-Kommission verpflichtet, keine Projekte  zu fördern, bei denen menschliche Embryonen eigens zu Forschungszwecken vernichtet werden.

Beinahe hätte der Streit um die Stammzellforschung das gesamte Budget für das siebte EU-Forschungsrahmenprogramm (FP7) gefährdet, das die Förderprioritäten für den Zeitraum von 2007 bis 2013 festlegt. Hätte der EU-Ministerrat in seiner extra einberufenen Sondersitzung am 24. Juli in Brüssel nicht zugestimmt, wäre ein pünktlicher Beginn des neuen Forschungpogramms im Januar 2007 kaum möglich gewesen. Dabei nimmt der Teil, der für die Förderung von Stammzellprojekten vorgesehen ist, nur ein Tausendstel des gesamtes Forschungshaushaltes der EU ein: Es geht um rund 70 Millionen Euro bei einem Gesamttopf von 53 Milliarden Euro.

Einigung nach langer Debatte

Dennoch erregte dieser bioethisch umstrittene Teil die Gemüter am meisten, schließlich herrscht in dieser Frage große Uneinigkeit. Was Stammzellforscher dürfen und was nicht, ist in Europa ganz unterschiedlich geregelt. Die Bandbreite reicht von der Erlaubnis des therapeutischen Klonens (Großbritannien) bis hin zu einem weitgehenden Verbot an Arbeiten mit embryonalen Stammzellen (Italien). Deutschland nimmt mit seiner Stichtagsregelung (1. Januar 2002) zur Nutzung von embryonalen Stammzellen einen Mittelweg ein, doch auf EU-Ebene machte sich Bundesforschungsministerin Annette Schavan als Meinungsführerin der Gegner stark: Gemeinsam mit sechs weiteren Ministerkollegen sprach sie sich am 24. Juli zunächst dafür aus, die Förderung von Forschungsprojekten mit embryonalen Stammzellen komplett zu verbieten. Streng katholische Länder wie Spanien, Irland oder Portugal setzten sich hingegen vehement für die Forschungsfreiheit in Europa ein und forderten eine Weiterführung der aktuellen Praxis, wonach eine Förderung der Stammzellforschung je nach Rechtslage möglich sein soll. So finanziert Irland beispielsweise selbst keine Stammzellforschung, will aber andere Länder mit forschungsfreundlicheren Regelungen respektieren, wie der Minister in Brüssel betonte. Am Ende einigte sich der Rat jedoch auf einen Kompromiss: Demnach dürfen - wie bislang auch - in den mit EU-Geldern finanzierten Projekten keine menschlichen Embryonen geklont oder eigens zu Forschungszwecken hergestellt werden. Auch Projekte, die in die Keimbahnentwicklung eingreifen und dabei Veränderungen des menschlichen Erbguts vornehmen, sollen im siebten FP nicht mit EU-Geldern finanziert werden. Die Förderungen gehen dabei nur soweit, wie es die jeweiligen nationalen Regelungen auch erlauben.

Erstmals rechtlich verbindliche Verpflichtung der EU-Kommission

Auf Druck Deutschlands wurde für diese Auflagen erstmals eine rechtlich verbindliche Protokollnotiz zum EU-Haushalt verabschiedet. Darin verpflichtet sich die EU-Kommission ausdrücklich, bei den konkreten Projektanträgen dafür zu sorgen, dass keine Mittel für die Zerstörung von Embryonen bewilligt werden. Wollen sich Stammzellforscher also von der EU fördern lassen, dürfen sie nur mit embryonalen Stammzellen arbeiten, die bereits vorher gewonnen wurden. „Bisher war dies lediglich Praxis, nun ist diese Praxis verbindlich schriftlich festgelegt“, sagte Schavan. Auf eine Stichtagsregelung, wie sie die Ministerin vorher gefordert hatte, wurde jedoch verzichtet.

Zustimmung des Parlaments steht noch aus

Mit dem Kompromiss auf Ministerebene ist nun der Weg frei für eine weitere Vorlage des künftigen Forschungshaushaltes im EU-Parlament, das nach der Sommerpause mit qualifzierter Mehrheit zustimmen muss. In einer ersten Lesung Ende Juni hatten sich die Abgeordneten bereits knapp für eine Förderung der Forschung an embryonalen Stammzellen unter Auflagen ausgesprochen – eine Verschärfung der Förderpraxis wurde damit abgelehnt. Mit der zusätzlichen Verpflichtung der EU-Kommission, keine Anreize für die Vernichtung von menschlichen Embryonen zu liefern, gilt eine Zustimmung als sicher.

Neu: Förderung der individuellen Forscherkarriere

Votieren die EU-Parlamentarier dafür, erhöht sich das kommende Forschungsbudget um 50 % auf rund 53 Milliarden Euro, was etwa 6 Prozent des gesamten EU-Haushaltes entspricht. Ursprünglich sollten allerdings 73 Milliarden für die Wissenschaft reserviert werden, doch auf soviel Geld konnten sich die 25 EU-Mitgliedsstaaten nicht einigen. Mit etwa einer Milliarde jährlich wird der neue „European Research Council“ ausgestattet. Diese Einrichtung ähnelt der Deutschen Forschungsgemeinschaft und soll EU-Gelder an herausragende europäische Forscherpersönlichkeiten vergeben. Dabei entscheiden erstmals eigens berufene Wissenschaftler in einem Review-Verfahren autonom darüber, wer wieviel Geld erhält. Auf diese Weise soll die individuelle Forscherkarriere besser unterstützt werden, was bisher auf EU-Ebene kaum geschah. Die Förderung ist sowohl für Nachwuchsforscher als auch für gestandene Wissenschaftler in zwei verschiedenen Programmen geplant.

 

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Weiterführende Informationen

Pressemitteilung des BMBF zum EU-Kompromiss

Mehr Informationen zum Europäischen Forschungsrat (ERC)

Mehr Informationen zum EU-Ministerrat

Die Forschung mit embryonalen Stammzellen sorgt weiterhin für Zündstoff. Während sich Bundesforschungsministerin Annette Schavan in Deutschland für eine Ethikdiskussion stark macht, kündigt sich auf europäischer Ebene eine forschungsfreundliche Haltung an. So haben die EU-Parlamentarier in einer ersten Lesung des neuen Forschungshaushaltes eine Verschärfung der EU-Förderpraxis zurückgewiesen. Demnach können Arbeiten an embryonalen Stammzellen weiterhin mit EU-Geldern unterstützt werden. Allerdings muss der Forschungshaushalt noch in einer zweiten Lesung das Parlament passieren und auch der EU-Ministerrat muss dem Entwurf zustimmen. Hier hat Schavan bereits Widerstand angekündigt: „Wir lehnen die Förderung verbrauchender Embryonenforschung und Anreize für die Tötung von Embryonen ab.“

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