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Biotechnologie in Tschechien

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Die Flagge der Tschechischen Republik Quelle: wikipedia.de

Licht und Schatten in der tschechischen Biotechnologiebranche: Von den rund 100 tschechischen Biotech-Unternehmen ist keines an der Börse notiert, kein Medikament ist bekannt, was in dem postsozialistischen Staat zugelassen wurde. Die in Tschechien entwickelten Medikamente befinden sich in den Produktpaletten ausländischer Firmen. In der Branche ist das Land ist vor allem als Service- und Forschungsstandort bekannt. Andererseits ist der postsozialistische Staat eins der wenigen Länder Europas, in dem gv-Anbau stattfindet und PID erlaubt ist. Weniger bekannt ist, dass es tschechischen Wissenschaftlern schon 2003 mit Hilfe einer neuen Technologie gelang, embryonale Stammzellen aus menschlichen Embryonen zu gewinnen und am Leben zu erhalten. Neben der biomedizinischen spielt vor allem die Umweltforschung  eine wichtige Rolle.

Unternehmenslandschaft

Die Wurzeln der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Biotechnologie reichen in Tschechien weiter zurück als in den meisten anderen Ländern: Der Augustinermönch Gregor Mendel, der „Vater der Genetik“, experimentierte in der Abtei St. Thomas in Brünn mit Erbsenpflanzen und entdeckte anhand der Blütenfarbe die Grundsätze der Vererbung. Wirtschaftlich spielt die Biotechnologie sogar schon länger eine Rolle. Bis heute sind böhmische Biere weltweit für ihren Geschmack und ihre Vielfalt berühmt.

Mendels Kloster: Die Augustiner-Abtei St. Thomas in Alt Brünn (Brno).Lightbox-Link
Mendels Kloster: Die Augustiner-Abtei St. Thomas in Alt Brünn (Brno).Quelle: Gareth Simkins/wikimedia commons

Nach dem Biopolis-Report 2007 und damit den aktuellsten verfügbaren Daten sind die meisten tschechischen Biotech-Firmen in der Pharmazie tätig. Die Zahl der Unternehmen schwankt je nach Erhebung zwischen 63 und 100 Firmen. Die Tschechische Akademie der Wissenschaften sprach 2008 von 100 Unternehmen, wobei die meisten in der Region um Prag (35 Prozent) oder Südmähren/Brünn (21 Prozent) angesiedelt sind. Ein Report der Europäischen Biotech-Organisation Europabio aus dem Jahr 2009 listet nur 39 Biotechnologiefirmen auf. Grund für die Diskrepanz sind wohl unterschiedliche Begriffsdefinitionen.

Fast 95 Prozent der Biotechnologiefirmen sind Klein- oder Mittelstandsunternehmen, fast jedes zweite hat weniger als zehn Mitarbeiter (Stand 2009). Die tschechische Biotech-Branche ist besonders stark in der Herstellung von Generika und der Auftragsforschung. Dem Europabio-Bericht zufolge sind ein Viertel der Firmen in Auftragsforschung und Herstellung tätig, weitere 19 Prozent in Diagnosedienstleistungen. Zellbiotechnologie ist der Akademie der Wissenschaften (AS ČR) zufolge mit 33 Prozent der größte Sektor in Biotechunternehmen.

Wirtschaftliches Gerüst ist noch fragil

Wie in der europäischen Biotechbranche üblich, ist Wagniskapital knapp. Auch das 1993 als Nachfolgestaat der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik (ČSFR) gegründete Land kann bisher nur wenige Wagniskapitalgeber, Business Angels oder andere Investoren aufweisen. Das wirtschaftliche Gerüst ist noch fragil. Keines der originär tschechischen Unternehmen ist bisher an der Börse gelistet.

Die Biotech-Industrie in Tschechien ist diversifiziert.Lightbox-Link
Die Biotech-Industrie in Tschechien ist diversifiziert.Quelle: PwC/CzechInvest

 Bis 2007 waren keine eigenen Medikamentenzulassungen oder erfolgreiche klinische Testphasen bekannt (Biopolis 2007). Auch der Report der Tschechischen Wissenschaftsakademie von 2009 macht keine Angaben zu in der Pipeline befindlichen Medikamenten. Dennoch sind in Tschechien erforschte Wirkstoffe auf dem Markt. Sowohl das US-amerikanische Unternehmen Gilead Sciences, die tschechische Niederlassung des Pharmakonzerns Astra Zeneca in Brünn und das irische Unternehmen Beckmann Coulter mit ihrer tschechischen Tochter Immunotech vertreiben Arzneimittel mit hier entwickelten Wirkstoffen. Tschechien ist derzeit auf die Herstellung von Generika spezialisiert und gilt als guter Dienstleistungsstandort. Eine etablierte Branche und große Zahl gut ausgebildeter Fachkräfte sowie eine Infrastruktur von Technologieparks und Clustern machen das Land für ausländische Investoren attraktiv, auch die hohe staatliche Förderung und liberale Gesetzgebung trägt dazu bei (siehe Rechtliche Rahmenbedingungen) .

Die bekanntesten Firmen in der Biomedizin sind ExBio (Prag) und BioVendor, die Diagnostik-Kits entwickelt haben, mit denen die Erfolgsrate bei künstlicher Befruchtung signifikant erhöht werden konnte. Beide Firmen sind Spezialisten für verschiedene monoklonale Antikörper. Die Contipro-Tochter CPN hat das Wundheilungsmittel Hyiodine entwickelt, das mit einem internationalen Patent vertrieben wird. Contipro, ansässig in Prag, ist eine pharmazeutische Gesellschaft spezialisiert auf Aktivstoffe für die pharmazeutische Industrie, Heil- und Gesundheitsmittel und gilt als größter Hersteller von Hyaluransäure weltweit. Andere in der Biomedizin erfolgreiche Firmen sind Bioveta, Enantis, Generi Biotech, IQA und Vidia.

In der Grünen Gentechnik hat sich das Prager Unternehmen Biopreparáty einen Namen gemacht. Es entwickelt biologische Pflanzenschutzmechanismen. EPS in Südmähren arbeitet unter anderem an der Entwicklung von Biogas. Im Westen des Landes sitzen außerdem AgroBio (Troppau), die biologische und chemische Stoffe für die Landwirtschaft entwickeln, und der Zellstoff- und Futterhefeproduzent Biocel (Paskov), der 2010 zu 75 Prozent von dem österreichischen Unternehmen Lenzing übernommen wurde.

 

Die 68 von CzechBiotech befragten Biotech-Unternehmen sind in unterschiedlichen Bereichen aktiv.Lightbox-Link
Die 68 von CzechBiotech befragten Biotech-Unternehmen sind in unterschiedlichen Bereichen aktiv.Quelle: www.czechbiotech.com

In der Bioindustrie sind vor allem auf Abfallbeseitigung spezialisierte Firmen erfolgreich, darunter Dekonta, Earth Tech CZ, LentiKats und Biogradace s.r.o. Zudem gibt es in Tschechien rund zehn große und 15 kleinere Pharmaunternehmen (Stand 2008).

Zahlreiche ausländische Firmen mit eigener Tochter 

Neben den einheimischen haben zahlreiche ausländische Firmen eine Niederlassung in Tschechien. Immunotech (Prag), die Immundiagnostik-Kits für Krebs-, Diabetes-, Immun- und rheumatische Erkrankungen herstellt, hat seine Wurzeln in einer 1982 gegründeten Abteilung des Staatlichen Forschungsinstituts für  die Forschung und Anwendung von Radioisotopen. 1992 wurde die Abteilung ausgegliedert und in eine Firma umgewandelt, die eine Partnerschaft mit der französischen Immunotech einging. Seit 2005 firmieren Immunotech und ihre Produkte unter dem Dach der irischen Diagnostikfirma Beckmann Coulter. Auch AstraZeneca, Barr Pharmaceuticals, Bacter International und Teva Pharmaceuticals haben Standorte in Tschechien. Lonza Biotech hat erst Anfang 2011 wieder in seine tschechische Niederlassung investiert.

Die Unternehmen sind in den Verbänden Czech Pharmaceutical Association und der 2008 gegründeten Biotech-Vereinigung CzechBio organisiert. Darüber hinaus haben sie sich zu mehreren erfolgreichen Clustern zusammengeschlossen. 2006 initiierte Contipro den pharmazeutisch-medizinischen Nanomedic-Cluster, der aus 21 Firmen (Stand 2008) besteht. Ziel sind Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Produkten für Wundheilung, Ersatzgewebe, die Vorbereitung von Zielmolekülen für Wirkstoffe und Gentherapie. Nanomedic plant einen Science Park in der Nähe von Prag.

Eine kleinere Kooperation aus fünf Start-Ups befindet sich im ExBio-Vidia-Gebäude in Vestec. Die Start-ups sind Ausgründungen des Instituts für  Molekulargenetik, mit dem sie nach wie vor zusammenarbeiten.

In Südmähren sitzt der CEITEC-Cluster, fokussiert auf Bioinformatik, der an einer kommerziellen Plattform arbeitet, die die Forschung ergänzen soll. Zu CEITEC gehören 15 Partner, darunter die Unternehmen BioVendor, Enantis, das biophysikalische Institut der Akademie der Wissenschaften und die Naturwissenschaftliche Fakultät der Masaryk-Universität Brünn.

Grüne Gentechnik konzentriert sich in einem Cluster um Gratzen, Südböhmen. Die Stadt beherbergt das Zentrum für  Biologische Technologien. Südböhmen hat traditionell einen Schwerpunkt in Umwelt- und Landwirtschaftsforschung. Mit Hilfe der Universität Südböhmen haben sich die so tätigen ansässigen Firmen und Forschungsinstitute zu einem Cluster zusammengeschlossen.

Autorin: Cornelia Kästner

 

Hintergrund

Unternehmen: 63 bis 100

Schwerpunkt: Rote Biotechnologie: Auftragsforschung, Generika, Diagnostik, Zellbiotechnologie; Grüne Biotechnologie: Biologischer Pflanzenschutz; Weiße Biotechnologie: Abfallbeseitigung

Branchenverband: CzechBio
http://www.czechbio.org
Czech Pharmaceutical Society
http://www.cfs-cls.cz/

Regionaler Cluster:  
Nanomedic-Cluster, Prag
CEITIC (Bioinformatik), Südmähren
Cluster für Grüne Gentechnik, Südböhmen

Forschungsförderung
Die staatliche Forschungförderung wird von mehr als 20 Ministerien verwaltet.

Rechtliche Grundlagen
Forschung mit embryonalen Stammzellen unter Auflagen erlaubt
Präimplantationsdiagnostik erlaubt
Anbau von gv-Pflanzen erlaubt

Internationale Kooperationen

www.internationale-kooperationen.de

Sie interessieren sich für Kooperationen mit Hochschulen und Unternehmen im Ausland? Das internationale Büro des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unterstützt einen solchen Austausch. Mehr Informationen zu möglichen Förderprogrammen und länderspezifische Hintergründe finden Sie unter:

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