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Stammzellen drängen HIV zurück

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Diese Grafik zeigt HI-Viren. Typisch sind die Spikes auf der Oberfläche der Virushülle. Diese Proteine sind für die Infektion bedeutend. Quelle: psdesign1/Fotolia

14.11.2008  - 

Mit einer gezielten Transplantation von mutierten Stammzellen haben Mediziner des Franklin-Klinikums der Berliner Charite die HIV-Infektion eines Patienten zurückgedrängt. Seit nunmehr 20 Monaten sei der Erreger nicht mehr nachweisbar, meldeten die Ärzte am 12. November 2008. Der Fall ist allerdings komplex. Der 42-jährige Mann war zusätzlich zu seiner HIV-Infektion an Leukämie erkrankt, die mit einer Knochenmarktransplantation therapiert wurde. Allerdings suchten die Mediziner gezielt einen Spender aus, der eine Genmutation aufweist, die vor einer HIV-Infektion schützt. Die Transplantation sorgte für einen Rückzug sowohl der Leukämie als auch der HIV-Infektion. Eine Therapie sei aus diesem glücklichen Einzelfall aber nicht abzuleiten, warnen die Charite-Mediziner.



Die älteste gesicherte Aids-Erkrankung stammt aus dem Jahr 1959. Ein afrikanischer Patient zeigt Symptome der Immunschwächekrankheit, wie im Nachhinein klar wurde. Inzwischen gibt es weltweit nach verschiedenen  Schätzungen 33-40 Millionen HIV-Infizierte. In Deutschland lebten laut Robert-Koch-Institut knapp 60.000 Menschen, die mit dem HI-Virus infiziert waren.

Schon seit Jahrzehnten suchen Wissenschaftler nach einer effektiven Möglichkeit, den Aids-Erreger zu bekämpfen, allerdings können sie die Infektion bisher nur einhegen, aber nicht kurieren. Im jüngster Zeit gab es aber einige aufsehen erregende Fortschritte. Im Juli 2007 stellten Forscher des Heinrich-Pette-Instituts für Experimentelle Virologie und Immunologie in Hamburg zusammen mit dem Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie einen vielversprechenden Ansatz vor. Es gelang ihnen, das Erbgut des Virus aus befallenen Zellen dauerhaft zu entfernen (mehr...).

Knochenmarktransplantation mit Doppelwirkung

Ein T-Lymphozyt, der vom HI-Virus infiziert ist. Der Virusbefall verleiht derartigen Immunzellen ein charakteristisches klumpiges Aussehen. Die Ausstülpungen, die in dieser rasterelektronenmikroskopischen Aufnahme grün eingefärbt wurden, sind Viruspartikel, die sich gerade abschnüren.Lightbox-Link
Ein T-Lymphozyt, der vom HI-Virus infiziert ist. Der Virusbefall verleiht derartigen Immunzellen ein charakteristisches klumpiges Aussehen. Die Ausstülpungen, die in dieser rasterelektronenmikroskopischen Aufnahme grün eingefärbt wurden, sind Viruspartikel, die sich gerade abschnüren.Quelle: NIBSC/SPL Photo Researchers, Inc.

Nun teilten Wissenschaftler der Berliner Charite mit, einen Patienten mittels einer Stammzellentherapie zu einem HIV-freien Blutbild verholfen zu haben. Der 42-jährige Amerikaner, der sich vor etwa zehn Jahren mit HIV infiziert hatte, begab sich vor drei Jahren in die Behandlung des Teams um Eckhard Thiel, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie. Der Mann war unabhängig von seiner HIV-Infektion an akuter myeloischer Leukämie erkrankt – einer Form von Blutkrebs.

Nach einem ersten Behandlungsversuch mit Zellgiften meldete sich der Krebs zurück. Der behandelnde Arzt Gero Hütter schlug eine Stammzelltransplantation vor. Dabei wird das blutbildende System im Knochenmark des Patienten zerstört, um es danach mit krebsfreien blutbildenden Stammzellen eines Spenders wieder aufzubauen.

Die Stammzellen des Patienten wiesen eine spezielle Konstellation auf, die in der Bevölkerung relativ häufig ist. Sie kommt unter weißen Amerikanern und Europäern bei einem von tausend Menschen vor. Der Spenderpool war also verhältnismäßig groß. Thiel und Hütter gingen aber noch einen Schritt weiter. Einer der 60 in Frage kommenden Knochenmarksspender wies nämlich zusätzlich eine interessante und vielversprechende Genmutation auf.

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Etwa jeder zehnte Europäer ist Träger einer mutierten Genkopie für den Zellrezeptor CCR5 (vom Vater oder der Mutter), ein bis drei Prozent der europäischen Bevölkerung hat die Mutation sowohl von der Mutter als auch vom Vater geerbt. Der CCR5-Rezeptor ist im Zusammenhang mit Aids deshalb von Bedeutung, weil das HI-Virus mit seiner Hilfe an die menschliche Wirtszelle andockt, um Erbinformationen in das Innere zu schleusen und sie damit zu infizieren. Personen, die von beiden Eltern die Mutation vererbt bekommen haben, bilden aber keinen CCR5-Rezeptor. Somit sind sie gegen eine Übertragung des HI-Virus geschützt.

HI-Viren seit 20 Monaten nicht mehr nachweisbar

Charite-Arzt Hütter hat mit diesem Effekt kalkuliert. „Diesen Spender haben wir mit der Hoffnung ausgewählt, dass nach der Transplantation seiner Stammzellen auch die HIV-Infektion des Patienten verschwinden könnte.“ Nach der Knochenmarktransplantation wurde die medikamentöse Behandlung des Patienten zunächst eingestellt, da die Mediziner befürchteten, sie könnte zu einer Abstoßungsreaktion des gespendeten Knochenmarks führen. Normalerweise führt die Absetzung der Medikamente innerhalb weniger Wochen zum Ausbruch von AIDS. Doch nichts geschah. Bis heute, mehr als 20 Monate nach der Transplantation, ist kein HIV beim Patienten nachweisbar.

Diese Grafik zeigt HI-Viren. Typisch sind die Spikes auf der Oberfläche der Virushülle. Diese Proteine bilden für die Infektion wichtige Andockstellen.Lightbox-Link
Diese Grafik zeigt HI-Viren. Typisch sind die Spikes auf der Oberfläche der Virushülle. Diese Proteine bilden für die Infektion wichtige Andockstellen.Quelle: psdesign1/Fotolia

„Dies ist ein interessanter Fall für die Forschung“, erklärt Rudolf Tauber, Prodekan für Forschung der Charite. Für  die breite Anwendung sei es aber noch viel zu früh. Nicht nur sei die gesuchte Mutation sehr selten, eine Knochenmarktransplantation sei zudem immer mit großen Nebenwirkungen und Risiken verbunden.

„Wer jetzt jedoch Millionen von HIV-Infizierten Hoffnung auf Heilung verspricht, handelt unseriös“, sagte Tauber mit Blick auf die Bild-Zeitung, die den Behandlungserfolg am Mittwoch auf der Titelseite gefeiert hatte. Dieser Einzellfall unterstreiche jedoch die Schlüsselrolle des Gens für den Rezeptor CCR5 in der Übertragung und Erkrankungsentwicklung von HIV, sagte Tauber. Die Blockade des Rezeptors CCR5 gilt als erfolgversprechender Ansatz in der HIV-Behandlung, etwa für eine zukünftige Gentherapie. Mittlerweile ist mit Celsentri auch ein Medikament auf dem Markt, das CCR5 hemmt. Der dort tätige Wirkstoff Maraviroc wurde vom Pfizer-Forschungszentrum im englischen Sandwich schon 1997 identifiziert und seither weiterentwickelt. Das Medikament verhindert durch die Blockade des CCR5-Rezeptors den Eintritt von HI-Viren in die Zelle. So kann eine weitere Ausbreitung verhindert werden, kuriert ist der Patient damit aber nicht.

Über den derzeitigen Gesundheitszustand ihres Patienten machte die Charite keine Angaben. Es sei noch lange nicht sicher, ob die Krankheit restlos besiegt ist, teilten die Wissenschaftler der wegen der heilsverkündenden Schlagzeile im Boulevardblatt „Bild“ herbeigeeilten Presse auf ihrer Ad-hoc-Pressekonferenz mit. Einzelne HI-Viren können in verschiedenen Geweben wie Lymphknoten oder der Milz im Körper überwintern. „Wir können nicht mit Sicherheit sagen, dass das Virus sich nicht wieder vermehrt“, sagte Thomas Schneider, der Leiter der Infektiologie der Charite. „Doch alleine, dass das bis heute nicht geschehen ist, ist schon eine kleine Sensation.“

 

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