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Den molekularen Pfaden der Alterung auf der Spur

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Mäuse, bei denen die Produktion des Eiweißes SirT7 gezielt ausgeschaltet wurde, wiesen häufiger degenerierte Herzmuskelzellen (rot) auf. Hier im Bild durch die Einlagerung von Collagen zu sehen (grün). Quelle: MPI für Herz- und Lungenforschung

06.02.2008  - 

Das Altern stellt die Wissenschaft vor eine komplizierte Aufgabe: Seit Jahren arbeiten Forscher daran zu verstehen, welche molekularen Mechanismen bei der Alterung eigentlich im Detail ablaufen. Eine Eiweißfamilie - die Sirtuine - steht dabei im Verdacht, bei diesen Prozessen eine wichtige Rolle zu spielen. Sie stärken Zellen offenbar gegenüber Stressreizen und fördern körpereigene Reperaturfunktionen, aber ob sie sich gezielt im Kampf gegen Alterskrankheiten oder gar zur Förderung eines langen Lebens beim Menschen nutzen lassen, ist noch unklar. Wissenschaftler um Eva Bober vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Nauheim haben nun einen bislang noch wenig untersuchten Vertreter dieser Eiweißfamilie und seinen Einfluss bei Herzerkankungen genauer unter die Lupe genommen. Wie die Forscher im Fachmagazin Circulation Research (2008, 31. Januar online) berichten, traten bei Mäusen ohne dieses Eiweiß alterstypische Veränderungen am Herzen wesentlich früher auf. Nun wollen die Forscher nach Substanzen suchen, durch die die Produktion dieses Eiweißes gezielt angekurbelt werden kann.

Das Altern ist auf molekularer Ebene ein ziemlich komplexes Zusammenspiel mehrerer zellulärer Prozesse wie Differenzierung, Teilung und programmierter Zelltod (Apoptose). Mit zunehmendem Alter gerät dieses Gleichgewicht außer Kontrolle, soviel steht fest. Maßgeblichen Anteil daran hat offenbar die Eiweißfamilie der Sirtuine, die nicht nur in Hefen und Bakterien, sondern auch beim Menschen vorkommen. Sirtuine sind genau genommen Enzyme - eine Klasse der sogenannten Histondeacetylasen (HDAC) -  die durch ihre katalytischen Fähigkeiten eine Reihe von zellulären Prozessen steuern können. Dies gilt unter anderem für epigenetische Mechanismen, die die Aktivierung und Stilllegung von bestimmten Genabschnitten regulieren. 

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Sirtuine sollen im Kampf gegen Alterung helfen

So setzen Sirtuine meist eine ganze Kette von Reaktionen in Gang, die die natürlichen Abwehrkräfte mobilisieren: Der Zellstoffwechsel wird langsamer, die Zellatmung verstärkt sich, das Erbgut wird besser geschützt. Insgesamt erhöht sich die Widerstandskraft und Lebenszeit der Zellen. Unklar ist allerdings noch, ob die Wirkungen der Sirtuine in allen Organismen tasächlich ähnlich sind. Einige positive Effekte sind für Hefen und Fruchtfliegen schon längst bewiesen, für Mäuse aber noch nicht. Auch ist nicht klar, ob die gezielte Überproduktion dieser Eiweiße wirklich lebensverlängernd ist oder im Kampf gegen Alterskrankheiten eingesetzt werden kann. Anlass zu Zweifeln gab etwa eine Studie, bei der Mäuse mit zusätzlicher Genkopie von SirT1 - einem der am besten erforschten Sirtuine -  trotzdem nicht länger lebten. Bei Hefen hatte es zuvor geklappt.

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Quelle: pixelquelle.de

Gesunder Rotwein: Im Jahr 2003 fanden Forscher heraus, dass das im Rotwein vorkommende Resveratrol zu den Stoffen gehört, die die Produktion von Sirtuinen ankurbeln können - in ähnlichlicher Weise, wie dies eine extreme Hungerdiät auch vermag. Firmen wie Sirtris oder Elixir versuchen aufbauend auf solchen Erkenntnissen, Medikamente zu entwickeln, die gegen altersbedingte Krankheiten wie Diabetes Typ 2 einsetzbar sind.  

Entdeckung:
Publikation in Nature 2003, Vol. 425, S. 191-196

Die Familie der Sirtuine wurde für den Menschen im Jahr 1999 entdeckt, insgesamt sind bislang sieben verschiedene Vertreter (SirT1-7) bekannt. Während SirT1, SirT2 und 3 bereits relativ gut erforscht sind, ist die Rolle von SirT4, 5 6 und 7 noch weniger gut verstanden. Von SirT7 ist bekannt, dass es bei vielen Säugerarten im zunehmenden Alter immer weniger produziert wird. Dies haben Forscher um Eva Bober vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Nauheim zum Anlass genommen, den Zusammenhang zwischen SirT7 und dem Alterungsprozess genauer unter die Lupe zu nehmen, und dabei seinen Einfluss auf herzbedingte Erkrankungen zu klären.

Im Visier der Nauheimer Wissenschaftler: Eiweiß SirT7 und Herzalterung

Für ihre Untersuchungen züchteten die Wissenschaftler gentechnisch veränderte Mäuse, bei denen das für die Produktion von SirT7 zuständige Gen ausgeschaltet war. Diese wurden mit Artgenossen mit funktionierendem SirT7 über einen längeren Zeitraum beobachtet und verglichen. Wie Bober und ihr Team nun im Fachmagazin Circulation Research berichtet, ging der Verlust von Sirt7 den Mäusen im wahrsten Sinne des Wortes ans Herz: Im Vergleich zu den anderen Tieren beobachteten die Forscher wesentlich früher alterstypische Veränderungen am Herz (degenerative Herzhypertrophie). So zeigten die Tiere bereits im Alter von neun Monaten eine starke Vergrößerung der Herzwand, Anzeichen einer krankhaften Vermehrung des Bindegewebes (Fibrose) und eine Aktivierung von Markereiweißen, die ein molekulares Anzeichen für die fortschreitende Herzdegeneration sind. Zudem gingen deutlich mehr Zellen den programmierten Zelltod ein, und es trat eine chronische Entzündung des Herzmuskels auf.

So sehen Herzmuskelzellen (rot) aus, deren Produktion von SirT7 normal verläuft. Die blaue Farbe markiert die Zellkerne.Lightbox-Link
So sehen Herzmuskelzellen (rot) aus, deren Produktion von SirT7 normal verläuft. Die blaue Farbe markiert die Zellkerne.Quelle: MPI für Herz- und Lungenforschung

Ein ähnliches Bild ergaben Untersuchungen an kultivierten, isolierten Herzmuskelzellen: Die Anzahl der Herzmuskelzellen, die spontan in den programmierten Zelltod eintraten, war bei den aus den gentechnisch veränderten Mäusen stammenden Zellen mehr als doppelt so hoch wie beim Wildtyp. Die Forscher konnten durch weitere Experimente ausschließen, dass der verstärkt einsetzende Zelltod nur die Folge der chronischen Entzündung des Herzmuskels war. "Er beruht tatsächlich auf autonomen Zellprozessen", erklärt Eva Bober. Zusammen mit ihrem Team konnte die Nauheimer Forscherin zum großen Teil klären, auf welche Weise Sirt7 die Zellalterung reguliert: Sirt7 schaltet ein Apoptose-auslösendes Eiweiß aus, das als p53 bezeichnet wird und für seine krebsunterdrückende Wirkung bekannt ist. Bober und ihre Kollegen haben nun festgestellt, dass ein Fehlen von SirT7 die p53-Regulation offenbar komplett durcheinander bringt, was zu einem häufigeren programmierten Zelltod führt.

Suche nach Substanzen, die Aktivität von SirT7 steigern

Die Wissenschaftler fanden zudem Hinweise für einen Einfluss von Sirt7 auf wenigstens zwei Signalwege, die bei der Entstehung der Herzhypertrophie und der Kardiomyopathie (Erkrankungen des Herzmuskels) aktiv sind. "SirT7 dürfte der Entwicklung einer degenerativen Herzhypertrophie entgegensteuern", sagt Bober. Sie betont, dass man sich in der Studie zwar auf die Rolle von SirT7 bei der Herzalterung konzentriert habe, "es ist aber wahrscheinlich, dass die verringerte Expression von Sirt7 mit zunehmendem Alter generell ein wichtiger Faktor für die abnehmende Widerstandsfähigkeit der Zellen gegenüber Stressreizen sein dürfte."

Die Nauheimer hoffen daher, mit SirT7 einen geeigneten Ansatzpunkt gefunden zu haben, um Alterungsprozesse möglicherweise aufzuhalten. Ihr nächstes Ziel ist es, Substanzen zu identifizieren, mit denen die SirT7-Expression künstlich aufrecht erhalten werden kann.

 

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