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Meeresbakterien mit ungewöhnlichem Appetit entdeckt

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Auf dem Meeresgrund haben Forscher neue ungewöhnliche Bakterien entdeckt. Quelle: pixelquelle.de

21.09.2007  - 

Der Meeresboden mit seinen über Jahrtausende gealterten und vom Sauerstoff abgeschnittenen Ablagerungen bietet zwar keinen Lebensraum für höhere Organismen. Anders sieht es für Mikroorganismen aus. Wie Wissenschaftler vom Bremer Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie im Fachmagazin Nature (2007, 19. September, online)  berichten, existieren im Schlamm von Gasquellen auf dem Meeresgrund bisher unbekannte Bakterien mit ungewöhnlichem Appetit: Sie nutzen die Gase Ethan, Propan und Butan als Nahrung. Dafür sind sie mit einem speziellen Verdauungsenzym ausgestattet, das  auch bei der chemischen Synthese in der Industrie hilfreich sein könnte.

Der Meeresboden erscheint auf den ersten Blick als eine lebensfeindliche Welt: Oft schon ein paar Millimeter unter der Oberfläche gibt es keinen Sauerstoff mehr. Auch gehaltvolle Nährstoffe wie Kohlenhydrate und Proteine aus frischem Plankton sind im Meeresboden rar; sie werden bereits oberhalb im Wasser von allerlei Organismen verzehrt. Nur schwer "verdauliche" Reste lagern sich im Meeresboden zusammen mit Mineralpartikeln ab. So entstanden in der Erdgeschichte gewaltige Sedimente. Dennoch existieren auch in diesen Sedimenten Lebewesen, und zwar Mikroorganismen wie Bakterien. Sie können dort dank eines besonderen Stoffwechsels leben, der sie befähigt, Substanzen aus der gealterten Rest-Biomasse zu verwerten und dabei oxidierte Formen von Eisen, Schwefel und anderen Mineralien als biologische Oxidationsmittel zu nutzen. Solche Sediment-Bakterien beeinflussen stark die Meereschemie und das globale Recycling des Kohlenstoffs. Doch sind noch längst nicht alle Mikroorganismen und die durch sie bewirkten Prozesse in dieser entlegenen Biosphäre erforscht.

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Propan verwertende Bakterien unter dem Mikroskop.Quelle: MPI für marine Mikrobiologie, Bremen

Ungewöhnliche Nahrungsquelle

Im Sediment an natürlichen Gasaustritten auf dem Meeresboden sind Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen, der Woods Hole Oceanographic Institution (USA), der Universitäten Aachen, Hamburg und Athens (USA) und vom GeoForschungsZentrum Potsdam auf bislang unbekannte Bakterien mit einer ungewöhnlichen Nahrungsquelle gestoßen. Wie das Team im Fachmagazin Nature (2007, 19. September, online) berichtet, handelt es sich dabei um Ethan, Propan und Butan. Wegen ihres Energiegehalts haben diese ungesättigten Kohlenwasserstoffe große wirtschaftliche Bedeutung. So ist Methan der Hauptbestandteil von Erdgas. Propan und Butan kommen als Brenngase in Druckbehältern in den Handel. Ethan ist auch als Ausgangssubstanz für industrielle chemische Synthesen begehrt.

Rückschlüsse auf die Vorgänge im Meeresboden

Die Entstehung und das Vorkommen von Methan, Ethan, Propan und Butan ist Prozessen tief im Meeresboden zu verdanken: Hier wird die Restsubstanz einst lebender Wasserbewohner durch Langzeitprozesse, an denen auch Mikroorganismen beteiligt sind, in die genannten Gase sowie Erdöl verwandelt. Sind die geologischen Gegebenheiten in der Tiefe so, dass die Gase - bei dem dort herrschenden Druck fast immer in Wasser gelöst - in Richtung Sedimentoberfläche wandern können, findet man dort Gas- und teils auch Öl- und Schlammquellen.

Gesättigte Kohlenwasserstoffe
Ethan, Propan und Butan gehören zu den sogenannten gesättigten Kohlenwasserstoffen, den organischen Verbindungen mit dem einfachsten Molekülaufbau. Bei Raumtemperatur sind diese Verbindungen ausgesprochen reaktionsträge. Erst bei Zündung, also mehreren hundert Grad Celsius, und im Gemisch mit Sauerstoff gehen sie chemische Reaktionen ein, dann allerdings sehr heftig und oft explosionsartig.

Die Bremer Forscher holten nun gemeinsam mit ihren Kollegen Schlamm von Gasquellen ins Labor und schlossen ihn in Flaschen ohne Sauerstoff mit den Gasen ein. Tatsächlich wurden die Gase auch in den Flaschen verbraucht. Gleichzeitig kamen die Verursacher durch Vermehrung zum Vorschein: neuartige Mikroorganismen, die ihre Energie zum Leben allein aus der Oxidation von Ethan, Propan oder Butan zu Kohlendioxid, wobei Sulfat als biologisches Oxidationsmittel dient und zu Schwefelwasserstoff reduziert wird. Eine weitere Besonderheit der gasfressenden Bakterien: Sie wachsen im Vergleich zu anderen Bakterien ungewöhnlich langsam: Frühestens alle drei Tage teilt sich eine Zelle. Zum Vergleich: Zuchtbakterien bei der Joghurtherstellung teilen sich halbstündlich. Die Forscher glauben, dass sie die zuerst entdeckten Repräsentanten einer noch größeren Artenvielfalt gasfressender Bakterien tief im Sediment sein könnten.

Aus technischer Sicht eher störend

Die Gefahr, dass solche Bakterien unsere Gasvorräte leerfressen, besteht allerdings nicht. Sonst wäre das in der Erdgeschichte schon längst geschehen. Denn für die bakterielle Gasverwertung wird sulfathaltiges Meerwasser benötigt, und das kommt mit den Gasvorräten nur im begrenzten Umfang in Kontakt. Wo dies geschieht, zum Beispiel an Gasquellen, kommen die Bakterien dann zum Zuge.

Global gesehen ist das sogar nützlich: So gelangen diese Gase nicht in die Umwelt, wo sie möglicherweise die Atmosphärenchemie ungünstig beeinflussen würden. Nicht so angenehm wären solche Bakterien in künstlich angelegten unterirdischen Gasspeichern (sog. Kavernen- und Porenspeichern). Zwar könnten die Bakterien nicht viel vom Speichergas fressen; doch würden sie aus dem vielerorts verbreiteten Sulfat auffällige Mengen an Schwefelwasserstoff bilden, der wegen seiner Korrosivität und Giftigkeit die Qualität des Gases verdirbt.

Beachtenswert sind die neu entdeckten Bakterien auch in biochemischer Hinsicht, denn sie müssen die chemisch sehr stabilen Substanzen Ethan, Propan und Butan als Nahrungsquelle "aufschließen", ohne Hilfsmittel wie Sauerstoff und Hitze. Offensichtlich besitzen die Bakterien eigens dafür ein ungewöhnliches "Verdauungsenzym". Könnte man einen ähnlich funktionierenden Katalysator künstlich herstellen, wäre er für chemische Syntheseprozesse in der Industrie von Interesse.

 

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