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Biosprit: Die Milch macht's

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Die Samen des kreuzblättrigen Wolfsmilchgewächses (Euphorbia lathyris) enthalten bis zu 50 Prozent fettes Öl. Es ist geradezu prädestiniert für den Einsatz in Kraftstoffen, wie Forscher aus Gatersleben herausgefunden haben. Quelle: Snorski/wikimedia_commons/CCbySA3.0

09.12.2014  - 

Auf den ersten Blick ist die immergrüne Kreuzblättrige Wolfsmilch (Euphorbia lathyris) eher unscheinbar. Tatsächlich hat das Kraut es aber in sich: Die Samen enthalten 40-50 Prozent fettes Öl. Der reichlich fließende Milchsaft enthält zudem 8-12 Prozent Kohlenwasserstoffe als Terpene. Vor allem die darin enthaltenen energiereichen Triterpenoide haben das Interesse der Wissenschaft geweckt. Denn diese könnten Biokraftstoffen beigemengt werden. Weil die Pflanze auch auf trockenen und kargen Böden gedeiht, die sich kaum anderweitig nutzen lassen, würden wertvolle Ackerflächen entlastet. Mit Unterstützung des Bundesforschungsministerium hat ein internationales Wissenschaftlerteam unter Beteiligung deutscher Forscher um Hans-Peter Mock vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) die Pflanze nun genau unter die Lupe genommen. Das Ziel: Die Wildpflanzen besser verstehen und Optimierungspotenzial für den Einsatz als Energiepflanze ausloten.

Hierzulande ist Euphorbia bei Hobbygärtnern vor allem wegen ihrer fraktalen Wuchsform und der angeblichen Wirkung gegen Wühlmäuse beliebt. Für Hans-Peter-Mock von der Abteilung Physiologie und Zellbiologie des IPK in Gatersleben sind es hingegen vor allem ihre inneren Werte, die zählen. Das Wolfsmilchgewächs enthält reichlich Milchsaft mit einem hohen Anteil energiereicher Kohlenwasserstoffe, sogenannter Triterpenoide. Als Beimengung könnten sie Biokraftstoff einen zusätzlichen Energieschub verleihen. Bereits vor Jahrzehnten sind die Forscher auf die Pflanze aufmerksam geworden.

Wolfsmilchgewächs als Benzinpflanze

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Der US-amerikanische Pflanzenforscher und Nobelpreisträger Melvin Calvin, Namensgeber des von ihm entdeckten Calvin-Stoffwechselzyklus in Pflanzen, schlug bereits Mitte der siebziger Jahre vor, Euphorbia als „Benzinpflanze“ zu nutzen. Umgesetzt wurden diese Pläne damals aber nicht. Das könnte sich nun jedoch ändern. „Euophorbia gedeiht auch auf mageren Flächen. Sie findet sich zum Beispiel häufig in den Trockengebieten Spaniens“, berichtet Mock, Leiter der Arbeitsgruppe Angewandte Biochemie am IPK. Zusammen mit anderen Forschern in Europa hat sein Team daher nun untersucht, ob sich das Wolfsmilchgewächs als Energiepflanze nutzen lässt. Neben den IPK-Forschern aus Gatersleben waren auch Wissenschaftler aus Spanien und Frankreich an dem Projekt beteiligt. Der Erdölkonzern Repsol und das spanische Unternehmen Synergia unterstützten die Arbeiten von der Industrie-Seite. Im Rahmen des Projekts „Produktion Energiereicher Triterpenoide in Euphorbia lathyris, einer potentiellen Nutzpflanze für Biokraftstoffe der dritten Generation“ (Eulafuel) hat das  Bundesforschungsministerium die Arbeiten am IPK als Teil der Forschungsinitiative Plant-KBBE II von 2010 bis 2013 mit rund 227.000 Euro gefördert.

Bei Hobbygärtnern ist Euphorbia vor allem wegen ihrer fraktalen Wuchsform und der angeblichen Wirkung gegen Wühlmäuse beliebt.Lightbox-Link
Bei Hobbygärtnern ist Euphorbia vor allem wegen ihrer fraktalen Wuchsform und der angeblichen Wirkung gegen Wühlmäuse beliebt.Quelle: Frank_Vincentz/ wikimedia_commons, CCbySA3.0

Zahlreiche Abwehrstoffe im Milchsaft
Mit einer Vielzahl von molekularen, biochemischen und histologischen Methoden rückten die Wissenschaftler der Pflanze zuleibe, um die Zusammensetzung und Bildung des Milchsafts, des sogenannten Latex, genauer zu ergründen. Die Arbeitsteilung war klar: Französische Forscher vom Institut für Pflanzenmolekularbiologie des Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) und der Universität Strasbourg untersuchten vor allem, welche Stoffwechselprodukte in Euphorbia vorkommen. Spanische Wissenschaftler in Barcelona und Valencia interessierten sich vor allem für die RNA-Ebene. Ein Blick in das sogenannte Transkriptom zeigt, welche Gene einer Pflanze zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich aktiviert sind. Das IPK-Team wiederum analysierte die Proteinzusammensetzung des Milchsafts. „Wir haben sehr viele Informationen bekommen“, so Pflanzenforscher Mock. „Überraschend war zu sehen, wie viele unterschiedliche reizende oder Allergie-auslösende Stoffe in dem Latex vorhanden sind“. Den Wissenschaftlern hat der Latex einiges analytisches Geschick abverlangt. „Wir mussten die sehr häufig vorkommenden Proteine zunächst entfernen, um seltenere Moleküle zu analysieren“, berichtet Mock. Zudem enthält der Latex bestimmte Stoffe, die Proteine rasch ausfallen lassen und so der weiteren Analyse entziehen. Der Kniff der Wissenschaftler: Durch Zugabe spezieller Enzyme werden die Proteine in zahlreiche Bruchstücke, die Peptide zerlegt. Dies stoppt das Ausfallen und macht so weitere Untersuchungen möglich.

Kommerzielle Umsetzung prinzipiell machbar
Die Wolfsmilchgewächse nutzen den Milchsaft auch zur Feindabwehr. Inhaltstoffe wie Ingenol und Ingenol-Ester können Hautreizungen hervorrufen. Tatsächlich wird die Pflanze nur mit Handschuhen geerntet, um allergische Reaktionen zu vermeiden. Was zunächst augenscheinlich einer kommerziellen Nutzung entgegensteht, könnte sich aber sogar noch als Vorteil herausstellen. Die Idee der Forscher: Künftig könnten Pflanzen geschaffen werden, die nur vergleichsweise wenig Abwehrstoffe bilden –  die so freiwerdende Energie aber nutzen, um mehr Triterpenoide zu bilden. Die am Projekt beteiligten Firmen, Repsol und Synergia in Spanien, halten angesichts der im Laufe der Arbeiten erhobenen Daten, die kommerzielle Umsetzung des Projekts für prinzipiell möglich. Seit 2010 forscht Repsol, eines der zehn größten privaten Mineralölunternehmen der Welt, systematisch an nachwachsenden Rohstoffen. 2010 wurde die „New Energy Business Unit“ aufgebaut, die unter anderem auch an Jatropha forscht. Die Purgiernuss gilt ähnlich wie Euphorbia als besonders genügsam. Bis die kreuzblättrige Wolfsmilch fit ist für den industriellen Einsatz im großen Maßstab, dürften aber selbst im besten Fall noch Jahre vergehen. Bereits früher profitiert das IPK-Team von den Arbeiten, berichtet Mock: „Zusammen mit einem polnischen Partner suchen wir in einem ähnlichen Projekt mit Schöllkraut derzeit nach Inhaltsstoffen die sich medizinisch nutzen lassen. Hier sind uns die mit Euphorbia gemachten Erfahrungen von großem Nutzen.“

© bioökonomie.de/bk
 

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