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Biobergbau: Mikroben im Einsatz unter Tage

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Indium wurde bei der Untersuchung des Minerals Sphalerit entdeckt. Bei der Analyse von Sphalerit machte das Element mit der namensgebenden indigoblauen Spektrallinie auf sich aufmerksam. Nun sollen Mikroben das Element aus dem Gestein fördern. Quelle: Geowissenschaftliche Sammlungen Freiberg / Hartmut Meyer

25.07.2013  - 

Freiberg steht für Tradition und Innovation in Sachen Bergbau zugleich. In der sächsischen Kleinstadt wurden die Elemente Indium (1863) und Germanium (1886) entdeckt. Nun wollen die Freiberger auch den Bergbau der Zukunft mitgestalten. Die Experten setzen daher auf Geobiotechnologie: Mikroben werden hierbei unter anderem unter Tage eingesetzt, um interessante Metalle aus dem Gestein herauszulösen. Im Mai dieses Jahres ging an der TU Bergakademie Freiberg das Forschungskolleg „Biohydrometallurgisches Zentrum (BHMZ)“ an den Start. Mit sechs Millionen Euro finanziert die private Dr.-Erich-Krüger Stiftung das Zentrum mit 13 Doktorandenstellen. Die Forschungsprojekte drehen sich um die biotechnische Gewinnung von Metallen aus Erzen, Halden und Recyclingmaterial. Im Fokus: Die Freiberger Elemente Indium und Germanium.

Dünnschicht-Solarzellen, Flachbildschirme, Leuchtdioden oder Glasfasern – kaum ein Hightech-Produkt kommt ohne Spezialmetalle wie Germanium, Gallium, Indium, Scandium oder Tellur aus. Die deutsche Wirtschaft ist bei der Versorgung mit diesen Rohstoffen auf das Ausland angewiesen. Werden die Metalle knapp – sei es aus bergmännischen oder politischen Gründen –, ist die Existenz tausender Arbeitsplätze bedroht. Insbesondere bei Indium droht ein Engpass. Eine Studie aus dem Jahr 2011 zählt es zu den fünf Elementen, bei denen die Versorgung als hochkritisch angesehen wird. Der Abbau von indiumhaltigen Sulfiderzen auch aus Lagerstätten mit geringen Konzentrationen – sogenannten armen Erzen – könnte daher wirtschaftlich werden. „Das Erzgebirge rückt damit als potenzielles Abbaugebiet wieder ins Bild“, sagt Thomas Seifert, Arbeitsgruppenleiter am BHMZ und Professor an der Bergakademie Freiberg.

Bakterien der Gattung Leptospirillum können eisen oxidieren, deshalb kommen sie für Biolaugung infrage.Lightbox-Link
Bakterien der Gattung Leptospirillum können eisen oxidieren, deshalb kommen sie für Biolaugung infrage.Quelle: microbewiki.kenyon.edu

Renaissance des Biobergbaus

Die Besinnung auf die Biotechnologie kommt dabei nicht von ungefähr. Biobergbau, das heißt der Erzaufschluss unter Zuarbeit von Mikroorganismen statt großer Hitze, wird bereits seit etwa 1940 systematisch zur Gewinnung von Metallen eingesetzt. Von Bakterien aufgearbeitetes Eisenerz soll sogar schon im 18. Jahrhundert genutzt worden sein. Auf deutschem Gebiet kamen Bakterien bei der Urangewinnung in der DDR in Sachsen und Thüringen in großem Maßstab zum Einsatz. Seit einiger Zeit wird diese Art der Metallgewinnung vermehrt gefördert. So setzt das im Sommer 2011 gegründete, ebenfalls in Freiberg ansässige Helmholtz-Institut für Ressourcentechnologie einen Schwerpunkt auf die Wertstoffgewinnung mit Hilfe biotechnologischer Verfahren. In einem Statuspapier (mehr...) kommt ein Arbeitskreis der   Fachgesellschaft Dechema Anfang dieses Jahres zu dem Schluss: „Geobiotechnologie könnte auch dazu eingesetzt werden, schlummernde Rohstoffpotentiale zu erschließen.“ Dabei könnten Wertstoffe etwa aus Lagerstätten (Biobergbau), Industrierückständen (Bioremediation) und sogar aus Elektronikschrott (Recycling) effizient und umweltverträglich gewonnen werden.

BHMZ Freiberg

 Mehr Infos zum Forscherkolleg BHMZ in Freiberg: hier klicken

Die Erzlöser unter den Bakterien

Die bedeutendste Technologie, um mit Hilfe von Bakterien Metalle zu gewinnen, ist die Biolaugung. Hierbei werden Metalle aus Erzen gelöst. Als „Mikrokumpel“ kommen Bakterien aus den Gattungen Acidithiobacillus, Acidimicrobium, Leptospirillum oder Sulfobacillus infrage. Biobergbau- und insbesondere Biolaugungsverfahren gelten als umweltschonend. Der Energiebedarf ist gering und es werden keine Schadstoffe wie Schwefeldioxid und keine Treibhausgase wie Kohlendioxid freigesetzt. Allerdings entstehen große Mengen schwefelsäurehaltiges Wasser, das fachgerecht aufgearbeitet werden muss. Trotz dieser Vorteile hat aber auch die sanfte Spielart mit einigen, für den Bergbau typischen Umweltrisiken zu kämpfen. Das zeigt ein Beispiel aus Finnland. Talvivaara, der Weltmarktführer auf dem Gebiet der Biolaugung, betreibt seit 2008 in Sotkamo in Ostfinnland einen Tagebau. Das abgebaute Erz wird in Halden aufgetürmt und mit Wasser berieselt. Nach 500 Tagen sind mit Bakterienhilfe dann 90% des Nickels und 80% des Zinks herausgelöst worden. Außerdem fallen noch ökonomisch bedeutsame Mengen Kupfer, Kobalt und Uran an. Aufgrund verschiedener Lecks – zuletzt im April 2013 – gelangten allerdings mehrfach Schwermetalle und Schwefelverbindungen in die umliegenden Seen – ein Desaster für die Umwelt und das Unternehmen. Sollten die Versicherungen nicht einspringen, würde das wahrscheinlich das Aus für das Talvivaraa bedeuten – und einen Rückschlag für die Biolaugung generell.

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Von solchen Problemen ist man in Freiberg weit entfernt. Die Lagerstätten im Erzgebirge ähneln aber zumindest in Bezug auf die Menge (wenig) und die Metallvielfalt (hoch) denen in Finnland. Laut BHMZ-Sprecher Michael Schlömann ist die Biohydrometallurgie aber gerade bei niedrigen Metallkonzentrationen anderen Techniken überlegen. Neben der von Talvivaara favorisierten Laugung von über Tage aufgeschüttetem Gestein können Biolaugungsprozesse aber auch in Bioreaktoren ablaufen. Das ist allerdings teurer. In Freiberg wird zusätzlich die Möglichkeit einer Laugung vor Ort unter Tage untersucht. Eines der Teilprojekte des BHMZ wird sich daher konkret mit der Möglichkeit einer In-situ-Laugung im Besucherbergwerk „Reiche Zeche“ einen Kilometer entfernt vom Freiberger Zentrum befassen. Innerhalb des BHMZ werden sich einige Gruppen zudem mit der biotechnologischen Rückgewinnung von in Lösung befindlichem Indium und Germanium beschäftigen. Dieses Wissen kommt auch der Bioremediation zugute, bei der es in erster Linie um die Dekontamination von mit Schwermetallen belasteten Gewässern geht. Auch wenn eine Renaissance des deutschen Bergbaus wohl noch ein Weilchen auf sich warten lässt, die Initiativen und Zentren der jüngsten Zeit zeigen: Deutschland will die Geobiotechnologie nutzen, um in naher Zukunft möglichen Rohstoff-Engpässen mit neuen Ideen zu begegnen.

© biotechnologie.de/ml
 

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