Wochenrückblick KW 19

16.05.2011

Biomarker für die Diabetes-Forschung entdeckt

Forscher des Helmholtz Zentrums München haben zusammen mit dem Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim einen Biomarker aufgespürt, der den Test von neuen Diabetes-Arzneien ermöglichen soll.

Die nun im Journal of Biomolecular Screening (2011, Online-Vorabveröffentlichung) publizierten Ergebnisse sind die ersten Früchte der Zusammenarbeit des Pharmaunternehmens und der außeruniversitären Forschungseinrichtung bei Diabetes und Arteriosklerose. Boehringer Ingelheim brachte im Rahmen der Kooperation seine Expertise bei der Diabetes-Forschung ein, die Forscher um Martin Habré de Angelis vom Institut für Experimentelle Genetik  (zum Forscherprofil) zusätzliches metabolomisches und bioinformatisches Wissen. Der Biomarker soll die vorklinische Testung von sogenannten FABP4-Inhibitoren erlauben und damit die Auswahl von potenziell wirksamen Substanzen erleichtern. Studien an Menschen und Mausmodellen zeigen, dass das Eiweißmolekül FABP4 ein vielversprechendes Zielprotein für neue Medikamente zur Behandlung von Diabetes mellitus und Arteriosklerose sein könnte.

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Menschen: Martin Hrabé de Angelis: Pendler zwischen den Welten

Was bislang fehlte, war ein geeigneter Indikator, der die akuten Auswirkungen einer großen Anzahl von potenziellen FABP4-Inhibitoren in vorklinischen Tests anzeigt. Der jetzt vom Helmholtz Zentrum München identifizierte Biomarker schließt diese Lücke und ermöglicht nun in Zusammenarbeit mit dem Pharmakonzern Boehringer Ingelheim FABP4-Inhibitoren gegen Diabetes mellitus und Arteriosklerose zügig weiter zu erforschen. Der praktikable Biomarker wurde in Metabolomics-Studien gefunden. Bei diesen systematischen Analysen werden Stoffwechselprodukte in biologischen Proben umfassend untersucht. Die Wissenschaftler am Helmholtz Zentrum München haben erstmals die moderne Lipidomics-Technologie eingesetzt, die sich auf den Fettstoffwechsel konzentriert. Weil diese Methode breit einsetzbar ist, kann sie auch für die Entwicklung anderer Medikamente genutzt werden, schreiben die Forscher.

Wellenmuster bei Zellteilungsproteinen aufgeklärt

Biophysiker aus Dresden und Saarbrücken haben die Entstehung von molekularen Wellenmustern bei Zellteilungseiweißen aufgeklärt.

Die Forscher um Leibniz-Preisträgerin Petra Schwille (mehr zu ihrem Profil: hier klicken) berichten in der Fachzeitschrift Nature Structural & Molecular Biology (2011, Bd. 18. S. 577). Die Wissenschaftler hatten bereits in einer früheren Arbeit gezeigt, dass die sogenannten Min-Proteine außerhalb von Zellen wellenförmige Strukturen ausbilden.

Das Zusammenspiel von Mini-Proteinen löst im Reagenzglas die Enstehung von Wellenmustern aus. In der Zelle sind die Min-Proteine an der Zellteilung beteiligt.Lightbox-Link
Das Zusammenspiel von Mini-Proteinen löst im Reagenzglas die Enstehung von Wellenmustern aus. In der Zelle sind die Min-Proteine an der Zellteilung beteiligt.Quelle: Nature Structural & Molecular Biology
 Durch eine detaillierte Untersuchung der Dynamik einzelner Proteine in diesen Strukturen konnten sie nun tiefe Einblicke in die zugrundeliegenden molekularen Vorgänge gewinnen. Wenn sich eine stäbchenförmige Zelle des Bakteriums Escherichia coli teilt, tut sie dies in der Mitte ihrer Längsachse. Dafür sorgen unter anderem die so genannten Min-Proteine (Min E und Min D), die die Zellteilung lokal hemmen können. Sie sammeln sich an einem Zellende an, zerstören dort mögliche Vorläuferstrukturen des Zellteilungsapparats und wechseln nach etwa 30 Sekunden an das andere Zellende, wo sich der Prozess wiederholt. In der Zellmitte halten sich die Proteine zu selten auf, um ihre hemmende Wirkung zu entfalten. Daher geht die Zellteilung genau dort vonstatten und führt zu zwei gleich großen Tochterzellen.

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Förderung: Leibniz-Preise für vier Lebenswissenschaftler

Menschen: Petra Schwille: Liveshow in der Zelle

Um die Entstehung dieser in Raum und Zeit veränderlichen Proteinverteilung außerhalb eines Organismus untersuchen zu können, hat Petra Schwille zusammen mit ihrem Saarbrücker Kollegen Karsten Kruse die beteiligten Proteine aus der Zelle von E. coli herausgelöst. „Bietet man den Proteinen eine Membran an, an die sie binden können, so bilden sie dort sich bewegende Strukturen, sogenannte laufende Wellen“, erläutert Kruse. „Unsere theoretische Analyse hatte nahegelegt, dass der Mechanismus hinter diesen Wellen im Bakterium zu der dort beobachteten Pendelbewegung zwischen den Zellpolen führt.“ Um die Dynamik der Min-Proteine in Raum und Zeit quantitativ zu charakterisieren und daraus Details über den Vorgang der Zellteilung zu gewinnen, wurden die isolierten Proteine mit Fluoreszenzfarbstoffen markiert. So war es möglich, einzelne Moleküle zu verfolgen. Die aktuelle Arbeit hat insbesondere neue molekulare Prozesse bei der Zellteilung aufgedeckt, die nun in eine weitergehende theoretische Analyse einfließen. Eine der möglichen Anwendungen könnte die Herstellung von Antibiotika sein, die die Zellteilung des Krankheitserregers hemmen.

MorphoSys-Tochter lizenziert sieben Antikörper aus

Die MorphoSys-Tochter AbD Serotec hat sieben Antikörper an den spanischen Biomarker-Spezialisten Proteomika SL auslizenziert.

Das Unternehmen will auf dieser Basis neue Immundiagnostika entwickeln. Diese Tests sollen zur Überwachung von Therapien eingesetzt werden. Damit könnte der Spiegel zirkulierender Medikamente oder die im Patienten hervorgerufene Immunantwort bestimmt werden. Das ist besonders für kostspielige Therapien mit biologischen Medikamenten interessant, bei denen die Patientenauswahl und Arzneidosierung eine wichtige Rolle spielen. Schon heute bietet Proteomika Tests zur Überwachung von Therapien mit Anti-CD-20- (Rituxan) oder Anti-TNF-alpha-Antikörpern (Enbrel, Humira, Remicade) an. Die neuen Produkte sollen bereits im zweiten Quartal 2011 auf den Markt kommen.
AbD war ursprünglich als reine Verkaufsplattform für Antikörper etabliert worden, die allein zu Forschungszwecken eingesetzt werden. So richtig zufrieden waren Marktbeobachter mit der Entwicklung der MorphoSys-Geschäftssparte allerdings nie. Im vergangenen Jahr konnte AbD die Wachstumsziele erneut nicht erfüllen.

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Wochenrückblick: MorphoSys kauft Sloning für 19 Millionen Euro

Menschen: Simon Moroney: Mit Morphosys nach Antikörpern fischen

2010 lag der Umsatz bei 20,2 Millionen Euro und war damit um 5 Prozent gestiegen. Der Bereich Diagnostika gilt jedoch bei der MorphoSys-Tochter als Wachstumstreiber. "AbD Serotec ist an der Schnittstelle von Diagnostik und Therapie ideal positioniert, da unsere Antikörperplattform die Möglichkeit bietet, deutlich differenzierte Diagnostik-Produkte zu generieren. Wir glauben, dass die HuCAL-Antikörperplattform von MorphoSys in diesem Bereich von ebenso großer Bedeutung sein kann wie auf dem therapeutischen Markt", kommentiert Dieter Feger, Leiter von AbD. Derzeit laufen bereits mehr als 20 Partnerschaften mit Diagnostik-Firmen. Die Proteomik-Kits gehören zu den ersten, die auf den Markt kommen. AbD ist an den Einnahmen über eine Tantieme beteiligt. Deren Höhe wurde allerdings nicht veröffentlicht.

Neurale Stammzellen mit eigenem Zuckerprofil

Bochumer Zellbiologen haben ein süßes Geheimnis neuraler Stammzellen gelüftet: Offenbar unterscheiden sich bestimmte Zuckerstrukturen auf der Oberfläche von Stamm- und Vorläuferzellen stärker voneinander als bisher angenommen.

Über ihre Forschungsergebnisse berichten die Neurobiologen in der der Fachzeitschrift Journal of Biological Chemistry (2011, Bd. 286, S. 16321).

Zwei Typen von Stammzellen können mit dem gegen Zuckerstrukturen gerichteten Antikörper aus Bochum (rote Färbung) auseinandergehalten werden.Lightbox-Link
Zwei Typen von Stammzellen können mit dem gegen Zuckerstrukturen gerichteten Antikörper aus Bochum (rote Färbung) auseinandergehalten werden.Quelle: American Society for Biochemistry and Molecular Biology
Für ihre Studien haben die Forschern einen neuen Antikörper mit der Bezeichnung 5750 entwickelt, der an einen bestimmten Zuckerrest namens LewisX auf der Zellmembran bindet. Wie der Zellforscher berichten, könnte der Antikörper zu einem wichtigen Werkzeug für die klinische Forschung werden. „Um Stammzellen für therapeutische Zwecke nutzen zu können, ist es wichtig, dass man die verschiedenen Typen auseinanderhalten kann“, sagt Eva Hennen von der Abteilung für Zellmorphologie und Molekulare Neurobiologie der Ruhr-Universität Bochum. Bereits in der Vergangenheit wurden Antikörper, die LewisX-Zuckerreste erkennen, routinemäßig eingesetzt, um sogenannte neurale Stammzellen zu identifizieren, aus denen die verschiedenen Zellen des Nervensystems entstehen.

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Menschen: Daniel Werz: Der Zucker-Architekt

News: Berlin: Forscher diskutieren über Zuckermoleküle vom Fließband

Die Neurobiologen aus Bochum konnten nun zeigen, dass sich hinter der Bezeichnung „LewisX“ nicht nur ein einziges Zuckermotiv verbirgt, sondern eine ganze Reihe verschiedener Zuckerreste. Mit ihrer Arbeit konnten sie zeigen, dass unterschiedliche Arten von neuralen Stammzellen mit individuellen Kombinationen von LewisX-Zuckerresten auf ihrer Zelloberfläche ausgestattet sind. Dabei erkennt der von den Forschern neu entwickelte Antikörper offenbar eine andere Art von Zuckerrest, als die bisher erhältlichen Antikörper. So lassen sich mit seiner Hilfe gezielt bestimmte Typen neuraler Stammzellen aus einer Mischung unterschiedlicher Stammzellarten isolieren. Nun sollen die Eigenschaften der Stammzellen, die LewisX-Zuckerreste tragen, näher untersucht werden. Die Forscher fanden bereits heraus, dass sich das LewisX-Motiv auf der Zelloberfläche ändert, wenn die Stammzellen sich weiterentwickeln – etwa zu Oligodendrozyten, die die Isolationsschicht der Nervenzellen bilden oder zu Nervenzellen selbst.

Ausbalancierte Gene schützen vor Kettenrauchen

Das Zusammenspiel zweier Gene bestimmt, wie anfällig Menschen für die Sucht nach Nikotin werden. Die Studie, die nicht nur für Raucher interessant sein dürfte, veröffentlichten deutsche Forscher zusammen mit internationalen Kollegen in Neuron (Bd. 70, Ausg. 3, S. 522-535, 12. Mai 2011).
Vor einem Jahr wurde bekannt, dass Veränderungen in einem bestimmten Gencluster mit dem Risiko für Nikotinabhängigkeit und Lungenkrebs zusammenhängen (mehr...). Wie dieser Mechanismus genau funktioniert, hat sich Inés Ibañez-Tallon und ihre Mitarbeiter vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch zusammen mit Kollegen des Pasteur-Instituts in Paris und der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau angesehen.

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News: Nikotinsucht - Gene beeinflussen Hang zum Qualmen

News: Studie mit Krebsimpfstoff aus Tabakpflanzen gestartet

Die Forscher untersuchten einen spezifischen Rezeptor für den Botenstoff (Neurotransmitter) Aceytlcholin, der von dem Gencluster gebildet wird, in Eizellen des Krallenfrosches (Xenobus laevis) sowie in Mäusen. Der Acytylcholinrezeptor wird beim Rauchen von Nikotin aktiviert. "Er wird nur in ganz wenigen Regionen des Gehirns ausgebildet. Eine davon ist die Habenula“, erläutert Ibañez-Tallon. Dabei handelt es sich um zwei dünne Markbündel im Zwischenhirn, die die Zirbeldrüse mit dem Thalamus verbinden und sich ins Riechhirn fortsetzen. Ihre Funktion ist noch ungeklärt, möglicherweise spielen sie als Umschaltstation für die Verarbeitung von Riechreizen eine Rolle.
Die Forscher schalteten bei Mäusen nun zwei Gene des Clusters gezielt an und aus. War nur das sogenannte beta4-Gen aktiviert, dann entwickelten diese Mäuse eine starke Aversion gegen Nikotin: Sie tranken nur Wasser ohne Nikotin. Ein weiteres Gen namens alpha5 ist bei starken Rauchern oft mutiert. Schalteten die Wissenschaftler mit Hilfe eines Virus zusätzlich die mutierte Variante dieses alpha5-Gens an, veränderte sich das Verhalten der Mäuse völlig. Bereits nach zwei Wochen hatten die Mäuse ihren Widerwillen gegen Nikotin überwunden und tranken nur noch nikotinhaltiges Wasser. Nach Ansicht der Forscher könnte dies darauf hindeuten, dass erst die ausbalancierte Aktivität dieser beiden Gene den Nikotinverbrauch zügelt. Fällt dagegen eine Komponente durch Mutation aus, fällt die Kontrolle weg und eine erhöhte Anfälligkeit für eine Nikotinsucht ist die Folge.

Bärlapp-Genom erlaubt Blick in 340 Millionen Jahre Pflanzenevolution

Eine internationale Forschertruppe mit deutscher Beteiligung konnte das Genom eines Moosfarns entziffern. Die urtümliche Pflanze weist einige Besonderheiten auf, die zum Beispiel den Weg zu neuen Medikamentenwirkstoffen weisen könnten.

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Gras-Genome von Weizen und Apfel geknackt

News: Enormes Tempo der Evolution überrascht Pflanzenforscher

News: Erstmals gesamtes Genom von Raps entziffert

Die mehr als hundert Forscher berichten über ihre Entdeckung im Fachmagazin Science (Onlineveröffentlichung, 5. Mai 2011). Aus Deutschland waren Genetiker aus Berlin, Bochum, Freiburg, Halle, Potsdam, Rostock und Tübingen dabei. Der Moosfarn Selaginella moellendorffii gehört zu den Bärlappgewächsen und damit zu den ältesten Gefäßpflanzen der Erde. Da er sich in den vergangenen 340 Millionen Jahren kaum verändert hat, ist der Blick auf die 22300 Gene ein Blick in die Vergangenheit der Pflanzenwelt. Wie die etwa hundert Forscher unter Leitung von Jo Ann Banks von der US-amerikanischen Purdue University feststellten,  fehlen Selaginella die Gene, die in anderen Pflanzen die Blütenentwicklung, den Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenstadium und weitere Funktionen kontrollieren.

Der Moosfarn "Selaginella moellendorffii" hat sich in den vergangenen 340 Millionen Jahre kaum verändert und erlaubt einen genetischen Blick in die Vergangenheit.Lightbox-Link
Der Moosfarn "Selaginella moellendorffii" hat sich in den vergangenen 340 Millionen Jahre kaum verändert und erlaubt einen genetischen Blick in die Vergangenheit.Quelle: Ruhr Universität Bochum

Wie Selaginella ähnliche Funktionen steuert, ist bislang nicht klar. Die Forscher fanden jedoch auch Gene, die typisch für Selaginella und andere Gefäßpflanzen sind, aber nicht in anderen Pflanzengruppen vorkommen. Die Funktion dieser Gene ist bisher ebenfalls unbekannt. Ein Vergleich zwischen Selaginella und der "modernen" Modellpflanze Arabidopsis thaliana ergab weitere spannende Unterschiede. Die Forscher untersuchten die Gene, die für die Herstellung bestimmter Stoffwechselprodukte verantwortlich sind, welche den Pflanzen etwa ihren Duft verleihen oder ihre Abwehrmechanismen steuern. Viele Arzneimittel werden aus diesen Stoffwechselprodukten gewonnen, die auch sekundäre Metabolite genannt werden. Da sich die Gene in Selaginella und Arabidopsis völlig unabhängig voneinander entwickelten, sind höchstwahrscheinlich auch die sekundären Metabolite sehr verschieden. Selaginella könnte somit einmal eine neue Quelle für Medikamente sein, hoffen die Forscher.