Biosprit aus Stroh: Süd-Chemie baut Pionieranlage
26.07.2010 -
Das Münchener Spezialchemieunternehmen Süd-Chemie baut die bisher größte deutsche Anlage zur Herstellung von Biokraftstoffen der zweiten Generation. Die Demonstrationsanlage in unmittelbarer Nähe zum BioCampus im niederbayerischen Straubing soll ab 2011 jährlich auf enzymatischem Wege bis zu 2.000 Tonnen Bioethanol aus cellulosehaltigen Pflanzenteilen wie zum Beispiel Weizenstroh produzieren. Insgesamt schlägt das Vorhaben mit rund 28 Mio. Euro zu Buche. Darin enthalten sind 12 Mio. Euro für Forschungsvorhaben, die zum größten Teil von staatlicher Seite übernommen werden. Sowohl die bayerische Staatsregierung als auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) beteiligen sich mit jeweils 5 Mio. Euro an der wissenschaftlichen Begleitarbeit.
Als im vergangenen Jahr der Preis für einige Nahrungs-Rohstoffe kurzfristig in die Höhe schoss, machten einige Beobachter schnell den zunehmenden Anbau von Energiepflanzen dafür verantwortlich. Aufgrund der erhöhten Nachfrage nach Biosprit-Pflanzen wie Raps oder Mais würden Bauern weltweit die Anbauflächen für Nahrungspflanzen reduzieren, so die Argumentation. Auch wenn nie restlos geklärt werden konnte, was die Kurse letzlich wirklich hochgetrieben hatte, zeigt die Debatte über "Teller oder Tank" doch, wie schnell Hoffnungsträger in Verruf geraten können.
Stängel und Blätter können verwendet werden
Biokraftstoffe der ersten Generation sind besonders anfällig für diese Art von Kritik. Sie werden aus öl-, stärke- oder zuckerhaltigen Pflanzenteilen gewonnen, zum Beispiel Maiskörnern, Rapsblüten, Weizensamen oder Zuckerrohr. Diese Pflanzenteile könnten auch als Lebensmittel dienen. Biokraftstoffe der zweiten Generation allerdings vermeiden dieses Dilemma. Sie bauen auf den cellulosehaltigen Bestandteilen der Pflanze auf wie Stängeln und Blättern. So können auch Reststoffe wie Stroh, die bisher energetisch nicht genutzt wurden, zu Treibstoff werden. Das hat gleich mehrere Vorteile. Nicht nur können die Früchte und Samen der Pflanze weiterhin als Nahrung dienen, auch die Energieausbeute pro Pflanze steigt. Gleichzeitig weisen die Biokraftstoffe der zweiten Generation weiterhin die Vorteile der ersten Generation auf. Sie sind klimafreundlicher als Treibstoffe aus fossilen Energieträgern wie Erdöl oder Erdgas, weil die Pflanze während des Wachstums der Atmosphäre exakt die Menge des Klimagases Kohledioxid entzieht, die später beim Verbrennen in Motoren wieder freigesetzt wird.
BioEnergie 2021 |
Die Fördermaßnahme zur "Forschung für die Nutzung pflanzlicher Biomasse" ist Teil der High-Tech-Strategie der Bundesregierung. Von 2008 bis 2013 werden dazu Projekte mit rund 50 Millionen Euro unterstützt. mehr Informationen: hier klicken |
Die Technologie, die widerstandsfähige Cellulose mit Hilfe von Enzymen aufzuschließen und zu Bioethanol zu verarbeiten, ist noch relativ neu. So läuft zum Beispiel unter der Leitung von Staffan Persson vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Golm derzeit das internationale Verbundprojekt GABI-CELLWALL, das mit Unterstützung des BMBF die Verwertung von pflanzlichen Zellwänden verbessern soll (mehr...). Die meisten Verfahren der zweiten Generation wurden bisher erst im Labor getestet, mit verschwindend kleinen Produktionsmengen. Das Münchener Spezialchemieunternehmen Süd-Chemie errichtet nun die bislang größte Anlage zur biotechnologischen Herstellung von Cellulose-Ethanol in Deutschland. Die Demonstrationsgroßanlage wird ab Ende 2011 jährlich bis zu 2000 Tonnen des Kraftstoffs Bioethanol aus Stoffen herstellen, die in der Landwirtschaft als Reste anfallen, wie zum Beispiel Getreidestroh. "Angesichts der zunehmend teuren und risikoreichen Förderung von Erdöl leisten wir damit einen wichtigen Beitrag für den nachhaltigen Ersatz von erdölbasierten Produkten“, sagte Günter von Au, Vorstandsvorsitzender der Süd-Chemie AG, bei der Verkündung der Pläne. Bei einem Kraftstoffverbrauch des deutschen Güter- und Personenverkehrs auf der Straße von insgesamt 66 Millionen Tonnen im Jahr 2007 wird die geplante Anlage allerdings auch nur ein erster Schritt auf einem langen Weg zu einer nachhaltigen Energiepolitik sein.
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Förderung um Rahmen von Bioenergie 2021
Das Gesamtvorhaben mit einem Volumen von insgesamt rund 28 Mio. Euro umfasst Investitionen in Höhe von rund 16 Millionen Euro und begleitende Forschungsvorhaben in Höhe von knapp 12 Millionen Euro. Diese und weitere im Zusammenhang mit dem Projekt stehende Forschungsvorhaben werden von der Bayerischen Staatsregierung und dem BMBF mit jeweils rund 5 Millionen Euro unterstützt. Das BMBF fördert das Projekt im Rahmen der Maßnahme "BioEnergie 2021", die ein Baustein der Hightech-Strategie der Bundesregierung darstellt.
Süd-Chemie setzt auf die hauseigene Sunliquid-Technologie, die sowohl Cellulose als auch die bisher nur schwer zu verwertende Hemicellulose mit Hilfe von biotechnologisch modifizierten Enzymen aufspaltet. Die Enzyme wandeln die Cellulose dabei in Zuckermoleküle um, die aus sechs oder fünf Kohlenstoffatomen bestehen. Aus dem Zucker wird dann das Ethanol gewonnen. Die auf den jeweiligen Ausgangsstoff abgestimmten Enzyme werden von den Süd-Chemie-Forschern dabei in der Anlage vor Ort hergestellt. Das spart Kosten.
Bis 2020 mindestens 10 Prozent Biosprit-Anteil
Augfrund der leistungsfähigen Enzyme rechnet Süd-Chemie in der neuen Anlage mit einer bis zu 50 Prozent höheren Energieausbeute im Vergleich zu herkömmlichen Technologien der ersten Generation. Die Demonstrationsanlage in Straubing soll dabei eine Fabrik im Kleinen ein, also schon den kompletten Herstellungsprozess abbilden. Läuft der rund, wird wohl bald die nächstgrößere Anlage folgen. Das Münchener Unternehmen, das mit Katalysatoren und Adsorbentien 2009 rund 1,1 Milliarden Euro umsetzte, will als einer der Ersten vom Geschäft mit Biokraftstoffen profitieren. Dass der Markt in den nächsten Jahren schnell wachsen wird, ist wahrscheinlich. Bis 2020 sollen laut einer im Jahr 2008 verabschiedeten EU-Richtlinie die Erneuerbaren Energien im Güter- und Personentransport einen Anteil von mindestens zehn Prozent erreichen. Nach Schätzung von Süd-Chemie würde alleine das in der EU jährlich anfallende überschüssige Getreidestroh ausreichen, um dieses Ziel zu erreichen. In Deutschland liegt der Anteil von Biokraftstoff bei knapp sechs Prozent, Tendenz steigend. Auch im Rest der Welt werden Kraftstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen zunehmen. In den USA schreibt ein Ende 2007 beschlossenes Gesetz vor, dass bis 2022 etwa 15 Prozent des jährlichen US-Benzinverbrauchs mit Biokraftstoffen substituiert werden sollen.