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Die Nano-Spritze der Bakterien verstopfen

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Shigella flexneri, der Erreger der Bakterienruhr (orange), nimmt Kontakt mit einer menschlichen Wirtszelle (blau) auf. Der Balken entspricht einem Mikrometer bzw. einem tausendstel Millimeter. Quelle: MPI für Infektionsbiologie

15.06.2010  - 

Krankheitserregende Bakterien haben es nicht leicht. Für eine erfolgreiche Infektion müssen zunächst die gestaffelten Verteidigungslinien des Immunsystems überwunden werden. Sind die Keime erfolgreich in eine Zelle eingedrungen, gilt es noch, sie zur Fabrik für die Vermehrung der Bakterien umzuprogrammieren. Einige Bakterien haben eine Art Spritze entwickelt, um die dazu notwendigen Steuermoleküle direkt in die Zelle abzugeben. In Zusammenarbeit mit Kollegen des Bundesinstituts für Materialforschung und –prüfung ist es Max-Planck-Forschern aus Berlin und Göttingen gelungen, den Aufbau dieser Spritze zu klären. Das könnte zu Antibiotika führen, die sehr früh in den Verlauf einer Infektion eingreifen könnten.



 

Jeden Tag ist der menschliche Organismus dem Angriff verschiedenster Krankheitserreger ausgesetzt. Die meisten Erreger werden dabei durch unser Immunsystem abgewehrt. In der Zelle angelangt müssen die Bakterien die Zellen ihres Wirts so manipulieren, dass sie nicht angegriffen werden und dass die Zelle für sie die Produktion Tausender weiterer Bakterien übernimmt. Zu diesem Zweck schleusen Bakterien über ein Transportsystem in ihrer Hülle  sogenannte Virulenzfaktoren in die Wirtszelle ein, also Stoffe, die der Zelle sagen, was sie tun soll. Einige Bakterien, wie die Erreger von Bakterienruhr, Lebensmittelvergiftung, Typhus und Pest, haben dabei ein besonderes Transportsystem entwickelt, das als Typ-III-Sekretionssystem bezeichnet wird. Unter dem Elektronenmikroskop sieht dieses Sekretionssystem wie eine Spritze aus, wobei der Spritzenkörper in die Bakterienmembran eingebettet ist und die Nadel nach außen weist. Mit Hilfe dieser Nano-Spritze können die Bakterien die Virulenzfaktoren schnell und präzise in die Zelle injizieren.

Den Spritzenapparat im Reagenzglas nachgebaut

Wie die Bakterien diese Nano-Spritze konstruieren, war bisher weitestgehend unbekannt. Wissenschaftler des Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin und des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie in Göttingen haben es jetzt zusammen mit dem Bundesamt für Materialforschung und -prüfung geschafft, grundlegende Mechanismen des Zusammenbaus der Spritze zu entschlüsseln. Diese Analysen waren möglich, weil es den Forschern gelang, den Spritzenapparat im Reagenzglas nachzubauen. Die nähere Untersuchung dieser Vorgänge zeigte, wie die Eiweiß-Bausteine zu einer Hohlnadel zusammengefügt werden:

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Das Bakterium stellt die Eiweiße in seinem Zellinneren her, schleust sie durch die Spritze nach außen und setzt sie eines nach dem anderen auf die Spitze der wachsenden Nadel. Auch konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die Proteine beim Zusammenbau der Nadel ihre räumliche Struktur ändern. Es gelang ihnen, die Strukturänderungen während des Nadelaufbaus für jeden Aminosäure-Baustein des Proteins genau zu verfolgen.

Die Struktur des Nadel-Proteins aufgeklärt

Die Strukturänderung des Nadelproteins während des Spritzenaufbaus wurde durch Röntgenstruktur-Untersuchungen am BESSY in Berlin und am ESRF in Grenoble sowie durch komplementäre NMR-spektroskopische Untersuchungen in flüssiger und fester Phase am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen untersucht. Dabei verglichen die Wissenschaftler die dreidimensionale Struktur des Nadelproteins vor und nach der Entstehung der Nadel. BESSY (Berliner Elektronenspeicherring-Gesellschaft für Synchrotronstrahlung) und ESRF (European Synchrotron Radiation Facility, Grenoble) sind Forschungseinrichtungen, die Wissenschaftlern aus aller Welt die Infrastruktur für Strukturuntersuchungen mittels Röntgenstrahlen zur Verfügung stellen.

Neuer Weg für infektionsverhindernde Medikamente

Die Erkenntnisse könnten zu Medikamenten führen, die zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Infektion ansetzen. Diese Wirkstoffe, Antiinfektiva genannt, könnten nämlich bereits den Aufbau der Spritze und das Einschleusen von Virulenzfaktoren in die Wirtszelle verhindern. Dies wäre ein wesentlicher Vorteil gegenüber Antibiotika, die erst durch die Membran in das Zellinnere der Bakterien müssen, um ihre Wirkung zu entfalten. Ein weiterer Nachteil von Antibiotika ist, dass diese nicht zwischen "bösen", also krankmachenden, und guten Bakterien unterscheiden. Dies führt in der Praxis oft zu unerwünschten Nebenwirkungen. Auch das Problem der Entwicklung von Antibiotikaresistenzen könnte mit solchen Antiinfektiva umgangen werden.

 

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