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Markus Sauer: Der genaue Blick hinter die Zellfassade

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Markus Sauer leitet den Lehrstuhl für Biotechnologie und Biophysik an der Universität Würzburg. Quelle: Universität Würzburg

07.04.2010  - 

„Wer sich für ein Haus interessiert, will es nicht nur von Außen anschauen, sondern auch die Zimmer sehen.“ Markus Sauer beschreibt seine Arbeit gerne mit anschaulichen Bildern, dabei interessiert er sich weniger für reale Häuser als für den Blick in das Innere von einzelnen Zellen. Mit Hilfe der Fluoreszenz-Mikroskopie können er und sein Team an der Universität Würzburg sogar einzelne Moleküle und ihre Bewegungen in lebenden Zellen sichtbar machen. Im Grunde sei es eine kindliche Neugier, die ihn antreibe, die kleinsten Einheiten von Organismen bis in ihren letzten Winkel zu untersuchen, erklärt der 45-Jährige.



 

Nach dem Abitur hatte Sauer ursprünglich begonnen, Medizin zu studieren, geleitet von hehren Zielen und einen starken Idealismus: Er wollte der Menschheit helfen, nicht nur bei einzelnen Kranken die Symptome zu lindern. Während eines Praktikums im Krankenhaus erzählte er einem Professor von seinen Zukunftsplänen. „Sie wollen also in die Forschung“, erkannte dieser schnell. „Dann reicht es nicht, wenn sie nur Medizin studieren, nehmen sie Chemie oder Physik dazu.“ Der junge Student wechselte alsbald zur Chemie.

Mikrotubulingerüst eine Zelle. Links unten mit normaler Auflösung, rechts oben mit der Würzburger dSTORM-Technologie.Lightbox-Link
Mikrotubulingerüst eine Zelle. Links unten mit normaler Auflösung, rechts oben mit der Würzburger dSTORM-Technologie.Quelle: Sauer/Universität Würzburg

Wie ein Kreuzfahrtschiff bei Nacht

Heute leitet Markus Sauer den Lehrstuhl für Biotechnologie und Biophysik an der Universität Würzburg und entwickelt Methoden, um auf kleinster - sprich: molekularer - Ebene diejenigen Prozesse sichtbar zu machen, die für die medizinische Forschung wichtig sind: Jede Zelle besteht aus Millionen von Molekülen, die sich zum Zellkern, der Zellmembran oder ihren sonstigen Bestandteilen formieren. Will man herausfinden, wie ein Virus in einer Zelle wütet oder welche Reaktion ein bestimmter Wirkstoff im Zellinneren auslöst, gilt es, die Struktur dieser Molekülformationen möglichst genau abzubilden.

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Schon lange wird in der Mikroskopie mit fluoreszierenden Stoffen gearbeitet: Mit solchen Farbstoffen eingefärbte Moleküle leuchten zurück, wenn man sie mit Licht bestrahlt. Diese Bilder waren aber oft ungenau, erklärt Sauer. Er vergleicht sie mit dem Blick auf ein Kreuzfahrtschiff bei Nacht: „Wenn in allen Kajüten gleichzeitig Licht brennt, sieht man vom Strand aus nur einen verschwommenen hellen Fleck, die Reihen der einzelnen Fenster sind nicht zu unterscheiden.“ Seine Lösung: Die Lichter in den einzelnen Kajüten nacheinander anschalten. Jedes kurzzeitig erleuchtete Fenster wird mit einem Kreuz markiert und anschließend das Licht in der nächsten Kajüte angeschaltet. So entsteht Kreuzchen für Kreuzchen das Bild des Kreuzfahrtschiffes. „Malen nach Zahlen“ nennt Sauer dieses Prinzip.

Dynamsiche Prozesse innerhalb der Zelle abbilden

Doch wie schafft man es, in einer Zelle die einzelnen Kajüten -sprich: Moleküle - nacheinander ein- und wieder auszuschalten? Die von Markus Sauer eingesetzten Farbstoffe sind so ausgewählt, dass sie in der Zelle nach bestimmten statistischen Regeln an- und ausgehen, sobald sie von einem Laser angeregt werden. So gelingt es, die Positionen der einzelnen Farbstoffe mit Hilfe einer schnellen Software zu bestimmen und ein detailliertes Bild zu rekonstruieren. Diese neue Methode nennt Sauer “direct stochastic optical reconstruction microscopy” (dSTORM). Damit können sogar dynamische Prozesse innerhalb der Zellen abgebildet werden. „Speed-Boote können wir noch nicht erfassen, aber das wäre der nächste Schritt“, erklärt Sauer.

Nach dem guten Rat seines Professors ist Markus Sauer den Weg in die Forschung ziemlich geradlinig gegangen. Mit 33 Jahren gewann er den BioFuture-Preis des Bundesforschungsministeriums und gründete mit dem Presigeld die erste Arbeitsgruppe, die sich der Fluoreszenz-Mikroskopie widmete. Sauer habilitierte in physikalischer Chemie, erhielt einen Lehrstuhl für Physik in Bielefeld und ist jetzt in Würzburg in der Biologie angesiedelt. „Die wirklich interessanten Erkenntnisse liegen immer an der Grenze zwischen zwei oder drei Fachbereichen.

Proteinfaltung innerhalb von Millisekunden

Für meine heutige Arbeit sind sowohl Chemie, Physik als auch die Biologie essentiell.“ Als Chef eines interdisziplinären Teams ist es ihm wichtig, dass seine Mitarbeiter eine gemeinsame und vor allem eine kollegiale Sprache miteinander finden. Dafür greift er auch gerne zu ungewöhnlichen Mittel: Am Jahresanfang war er gerade mal wieder mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Woche Skifahren. „In einer Selbstversorgerhütte, direkt an der Skipiste“, erzählt Sauer. Solche gemeinsamen Erfahrungen außerhalb des Arbeitsalltags schweißen die Arbeitsgruppen zusammen, erklärt er.

Trotz seiner Forscherkarriere hat Sauer seinen Idealismus, mit dem er ins Medizinstudium startete, nicht aus den Augen verloren. „Je älter ich werde, desto stärker spüre ich wieder das Bedürfnis, etwas zu schaffen, was der Menschheit hilft.“ Mit seiner Mikroskopie-Methode erforscht Markus Sauer zum Beispiel den Prozess der Proteinfaltung. Alzheimer und Parkinson entstehen, wenn Proteine – oft nur geringfügig – ihre Struktur ändern und dann verklumpen. „Warum das geschieht, versteht bis heute niemand“, so Sauer. Dieser Prozess ist rasend schnell und braucht oft nur Millionstel bis Tausendstel Sekunden. Sauers Gruppe hat Techniken entwickelt, um ihn trotzdem unter dem Fluoreszenz-Mikroskop beobachten zu können. Je besser man diesen Prozess versteht, desto einfacher können Mediziner Wege finden ihn aufzuhalten, so seine Hoffnung.


Autorin: Ute Zauft 

 

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