Direktlink :
Inhalt; Accesskey: 2 | Hauptnavigation; Accesskey: 3 | Servicenavigation; Accesskey: 4

Nach Herzinfarkt: Stammzelltherapie zeigt Wirkung

Eine Lösung mit kultivierten Stammzellen aus dem Knochenmark. Frisch isolierte Zellen dieser Art werden Patienten nach einem Herzinfarkt in den betroffenen Herzmuskelbereich gespritzt. Dort sollen sie die Regeneration ankurbeln. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Eine Lösung mit Stammzellen aus dem Knochenmark. Zellen dieser Art werden Patienten nach einem Herzinfarkt in den betroffenen Herzmuskelbereich gespritzt, um die Regeneration anzukurbeln. Quelle: Peter Mark, RTC Rostock

04.03.2010  - 

Bei einem Herzinfarkt kommt es zum Durchblutungskollaps, dabei stirbt Gewebe ab, das Herz wird massiv geschwächt. Die Regenerative Medizin setzt auf Stammzellen, um die geschädigten Organe möglichst wieder auf Touren zu bringen. Deutsche Mediziner gehören zu den Pionieren bei der Stammzelltherapie: Körpereigene Stammzellen werden aus dem Knochenmark eines Infarktpatienten gewonnen und in die betroffene Herzregion gespritzt. Ein Team um Andreas Zeiher und Stefanie Dimmeler vom Universitätsklinikum in Frankfurt hat nun Ergebnisse der bisher umfassendsten deutschen Stammzelltherapie-Studie vorgelegt. Wie die Forscher im Fachjournal Circulation Heart Failure (2010, Bd.3, S.89) berichten, ist die Stammzellkur sicher und wirksam. Besonders Patienten mit großen Infarktschäden scheinen zu profitieren.

Viele bedeutende Innovationen in der Herzmedizin stammen aus Deutschland. Ob Stents, Katheter oder Ballondilatation - die Kardiologie gilt traditionell als experimentierfreudig. Doch als der Düsseldorfer Herzmediziner Bodo Strauer 2001 körpereigene Stammzellen aus dem Knochenmark für die Behandlung von infarktgeschädigten Herzen einsetzte, war die Skepsis noch groß. Kollegen aus dem Ausland hätten die Idee der Stammzelltherapie nach Herzinfarkt wohlwollend als  „german dream“ abgetan, erzählt Stefanie Dimmeler, Leiterin des Instituts für Kardiovaskuläre Regeneration in Frankfurt (mehr Infos zu ihrer Person: hier klicken). Doch fast zehn Jahre später hat der Ansatz große Fortschritte gemacht. Fast geräuschlos hat er Einzug in deutsche Kliniken gehalten. Mehrere Forschergruppen im Land führen große klinische Studien durch. Nun hat ein Team um Andreas Zeiher und Stefanie Dimmeler im Fachjournal Circulation: Heart Failure (2010, Bd.3, S.89) Resultate der ersten großen deutschen Studie (REPAIR-AMI) vorgelegt, die nach wissenschaftlich harten Kriterien die Folgen einer Stammzellbehandlung bei Herzinfarkpatienten unter die Lupe nimmt.

Bei der Stammzelltherapie werden die Zellen entweder in die Herzkranzgefäße injiziert oder aber direkt in das Muskelgewebe. Lightbox-Link
Bei der Stammzelltherapie werden die Knochenmarkszellen entweder in die Herzkranzgefäße injiziert oder aber direkt in das Muskelgewebe.

Nutzen der Zelltherapie hoch signifikant

Für die REPAIR-AMI Studie hatte das Team vom Klinikum der Goethe-Universität in Frankfurt insgesamt 204 Infarktpatienten rekrutiert. Bei allen wurde neben der konventionellen Therapie eine Punktion im Knochenmark vorgenommen, um so ein Gemisch aus adulten Stammzellen zu gewinnen. Nach drei bis sechs Tagen injizierten die Mediziner 101 Patienten das aufbereitete Zellgemisch über die Herzkranzgefäße ins Herz, 103 Patienten wurde eine Lösung ohne Stammzellen gespritzt. Die Ergebnisse der Frankfurter Phase II/III Studie sind ermutigend: Zwei Jahre später hatte keiner der Probanden mit Stammzelltherapie einen erneuten Infarkt erlitten, in der Placebogruppe dagegen waren es sieben.  In der stammzell-behandelten Patientengruppe waren drei Menschen gestorben, in der Kontrollgruppe gab es hingegen acht Tote. „In der Kombination der harten Endpunkte Tod, erneuter Herzinfarkt, und Wiedereinlieferung ins Krankenhaus sind die Ergebnisse hoch signifikant“, betont Dimmeler. Auch wenn Patienten die positiven Effekte der Therapie zunächst nicht unmittelbar spüren, sie lassen sich messen. Kardiologen verwenden hierbei das Kriterium der Pumpleistung, also das Volumen an Blut, welches das Herz bei der Kontraktion zu pumpen vermag:  „Die Pumpleistung besserte sich bei den behandelten Patienten  während des gesamten Beobachtungszeitraums um 2 bis 3 Prozentpunkte“, so Dimmeler. Noch deutlicher profitierten Patienten mit großen Infarktbereichen von der Stammzell-Spritze, hier verbesserte sich das Auswurfvolumen der linken Herzhälfte gar um bis zu 7,5 Prozentpunkte. Zum Vergleich: Gesunde Patienten erreichen hier einen Wert von 60 Prozentpunkten bei der Pumpleistung.

Klinische Studien zu Stammzelltherapien

Mehr Infos zur Rostocker PERFECT-Studie zu körpereigenen Stammzelltherapie: hier klicken

Mehr Infos zur Frankfurter REPAIR-AMI-Studie: hier klicken

Gespritzte Stammzellen liefern heilsamen Cocktail

Wie die verabreichten Stammzellen aus dem Knochenmark im Herz tatsächlich wirken, ist Forschern allerdings immer noch nicht vollständig klar. Zahlreiche experimentelle Studien zeigen jedoch: Die Stammzellen selbst siedeln sich kaum im Herzmuskel an, die langfristige Einbaurate ist verschwindend gering. Die Stammzellen, so vermuten die Forscher, wirken vielmehr indirekt als Lieferanten für heilungsfördernde Substanzen: „Die Zellen schütten einen Cocktail von Wachstumsfaktoren und Cytokinen aus. Dadurch regen sie die umliegenden Herzmuskelzellen an, sich zu teilen“, erläutert Dimmeler. Außerdem würden die Stammzellen die Entstehung neuer Blutgefäße fördern, die ihrerseits Faktoren ausschütten, um die Regeneration im Herz anzukurbeln.

Probleme mit der Patentierbarkeit

So vielversprechend die Ergebnisse der Frankfurter Repair-AMI Studie auch sind, sie wird zunächst ein rein akademisches Forschungsprojekt bleiben. Zwar hat Dimmeler mit Kollegen in Frankfurt das Unternehmen t2cure gegründet, die Kommerzialisierung der Herzinfarkt-Therapie gestaltet sich aber äußerst schwierig. Das Problem: Bei der Gewinnung des Stammzellgemischs aus dem Knochenmark verwenden die Forscher keinen gesonderten Aufreinigungsschritt. „Das Tragische ist: Damit ist die effektive Therapie in der von uns gewählten Vorgehensweise nicht patentierbar“, sagt Dimmeler. Deshalb sei auch kein Pharmaunternehmen daran interessiert, hier einzusteigen und eine bis zu 15 Millionen Euro teure Zulassungsstudie zu finanzieren. Mit eigenen Mitteln sei eine solche Summe nicht zu stemmen, zumal akademische Studien nicht zulassungsfähig seien, bedauert die Molekularbiologin. Dimmeler, die 2005 mit dem renommierten Leibniz-Preis ausgezeichnet wurde und seit 2008 im Deutschen Ethikrat als Stammzellexpertin mitwirkt, könnte sich für ähnliche Fälle ein Modell vorstellen, in dem wissenschaftlich sauber aufgearbeitete Studien es trotzdem ermöglichen, dass in Kooperation mit Krankenkassen für die Patienten solche innovativen wenn auch nicht patent-geschützten Therapien zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig sollte durch eine weitere wissenschaftliche Begleitung der Patienten die Nachhaltigkeit und Langfristigkeit der Effekte beobachtet und ausgewertet werden, so die Forscherin.

Eine weitere Studie läuft in Rostock

Anders gelöst haben das Problem die Organisatoren der anderen großen deutschen Stammzell-Studie namens PERFECT, die derzeit unter Leitung des Herzmediziners Gustav Steinhoff am Rostocker Referenz- und Translationszentrum für kardiale Stammzelltherapie (RTC) durchgeführt wird (mehr...).  Die Rostocker verwenden für ihre Herzinfarkttherapie nur eine bestimmte Gruppe von körpereigenen Stammzellen aus dem Knochenmark (CD133+-Zellen), die im Verlauf einer Bypass-Operation direkt in den Herzmuskel der Patienten gespritzt wird.  

Mehr zum Thema auf biotechnologie.de

News: Neue klinische Studien mit Stammzellen gestartet

Förderung: Rostock eröffnet Zentrum für Stammzelltherapie im Herz

Menschen:  Stefanie Dimmeler: Jagd auf RNA-Schnipsel

News: Herz kann sich selbst heilen

Wochenrückblick: Das Herz mit Stammzellen reparieren

Dieses Verfahren ist patentiert, und mit der Firma Miltenyi Biotec aus dem nordrhein-westfälischen Bergisch-Gladbach ist auch der nötige Industriepartner für die Zulassungsstudie an Bord. Miltenyi setzt Blutwäsche-Systeme ein, mit denen sich die benötigten Stammzellen aus dem Knochenmark äußerst akkurat aufreinigen lassen. Die Rostocker Studie wird vom Land und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt. In etwa drei Jahren soll sie abgeschlossen sein. Sollte auch die PERFECT- Studie erneut den klaren Nutzen der Stammzelltherapie nach Herzinfarkt belegen, so könnte das Verfahren die erste auf dem Markt zugelassene Behandlung werden.

Zukunft der Zelltherapie

Was die Zukunft der Stammzelltherapien am Herzen angeht, ist die Frankfurter Biomedizinerin Stefanie Dimmeler optimistisch: „Mit den Ergebnissen der ersten Generation der Zelltherapie können wir relativ zufrieden sein“, sagt sie. Um die milden Effekte der Behandlung noch zu steigern, würden derzeit neue Strategien in den klinischen Forscherlabors entwickelt. Sie zielen darauf ab, die von den Patienten gewonnenen Stammzellen im Reagenzglas mithilfe bestimmter Substanzen zusätzlich für ihren Einsatz zu päppeln. Gleichzeitig wollen die Forscher das infarktgeschädigte Herzgewebe besser auf die bevorstehende Stammzellkur vorbereiten, wobei auch physikalische Reize eingesetzt werden. „Wir experimentieren hier derzeit mit niedrigdosierten Schockwellen, die die Zellen im Herz offenbar aufnahmefähiger für heilungsfördernde Substanzen machen“, so Dimmeler. Eine Vision der Forscher ist es, einmal auch ganz ohne Zellen als Lieferanten eines heilenden Cocktails für den maladen Herzmuskel auszukommen. Große Hoffnungen setzen die Forscher auf Herzmuskelstammzellen, die erst kürzlich überhaupt erst entdeckt wurden. Andere Forschergruppen wollen mit bestimmten Tricks Stammzellen gezielt ins Herz locken (mehr...). Auch für die Behandlung anderer Herzerkrankungen, wie etwa Herzrhytmusstörungen oder Herzmuskelschwäche, so die Hoffnung von Forschern weltweit, könnten künftig Stammzellen zum Einsatz kommen (mehr...). Viele Ansätze müssen sich in der Klinik allerdings noch beweisen.

 

Studie

Bestandsaufnahme der Regenerativen Medizin in Deutschland

Sie wollen wissen, wie es um die Regenerative Medizin in Deutschland steht? Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat hierzu die Unternehmensberatung CapGemini beauftragt, eine Studie durchzuführen. Am 20. April 2007 wurden die Ergebnisse der umfassenden Bestandsaufnahme veröffentlicht. Mehr


Biomaterialien

Andreas Lendlein vom GKSS Forschungszentrum in Teltow arbeitet im Rahmen der Regenerativen Medizin an funktionalen Biomaterialien, die sich gezielt in einer bestimmten Weise verformen lassen: zum Beispiel ein sich selbst verknotender Operationsfaden. Lendlein gehört zu jenen 51 Nachwuchsforschern, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit dem BioFuture-Preis ausgezeichnet wurden.

www.biofuture-wettbewerb.de

Podcast mit Andreas Lendlein:
Audiobeitrag hören
(Interview im Auftrag der Helmholtz-Gemeinschaft, 48kbps)


Zentren der Regenerativen Medizin

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützen die Regenerative Medizin mit speziellen Zentren an sechs Standorten in Deutschland: Berlin, Leipzig, Dresden, Hannover, Rostock und in der Region Neckar-Alb.


bcrt.charite.de
www.trm.uni-leipzig.de
www.crt-dresden.de
www.rebirth-hannover.de
www.cardiac-stemcell-therapy.com
www.info-rm.de


Menschen

Forscherprofile

Sie möchten noch mehr Persönlichkeiten aus der biotechnologischen Forschung in Deutschland kennenlernen? In der Rubrik Menschen haben wir bereits eine ganze Reihe von Wissenschaftlern und Unternehmern porträtiert.


Zur Rubrik Menschen

Förderbeispiele

glowing cells in a test tube

Sie möchten erfahren, in welche Forschungsprojekte öffentliche Gelder fließen? Unter der Rubrik Förderbeispiele stellen wir regelmäßig öffentlich geförderte Forschungsvorhaben inhaltlich vor.


Zur Rubrik Erfindergeist