Direktlink :
Inhalt; Accesskey: 2 | Hauptnavigation; Accesskey: 3 | Servicenavigation; Accesskey: 4

Hendrik Dietz: Winzige Bauteile aus DNA formen

Hendrik Dietz verfügt über ein ausgeprägtes bildliches Vorstellungsvermögen ,was ihm bei der Konstruktion von Nanostrukturen aus Aminosäuren zugute kommt.  <ic:message key='Bild vergrößern' />
Hendrik Dietz verfügt über ein ausgeprägtes bildliches Vorstellungsvermögen ,was ihm bei der Konstruktion von Nanostrukturen aus Aminosäuren zugute kommt. Quelle: Heddergott / TUM

14.12.2009  - 

"Es ist, als ob die DNA Yoga-Übungen gelernt hätte", sagen US-amerikanische Kollegen bewundernd über eine Entdeckung, an der Hendrik Dietz maßgeblich beteiligt war. Während seines zweijährigen Aufenthalts an der Harvard Medical School gelang es ihm zusammen William Shih, aus DNA-Stücken eine Sammlung an verschiedenen Bauteilen im Nano-Maßstab zu kreieren. Die Fachwelt war erstaunt. Im Juni 2009 wurde Dietz auch deshalb zum Professor für Experimentelle Biophysik an der Technischen Universität ernannt. Im Alter von 31 Jahren.


 

Vielleicht ist es ganz gut, dass Hendrik Dietz erst einmal Physik studiert hat, bevor er sich mit Biologie befasste. Denn wahrscheinlich sind es dieses Quäntchen Fremdheit und der Blick von außen, die ihn zu einem Shootingstar der Biophysik-Szene gemacht haben. Was die Fachwelt so elektrisiert hat, nennt er selbst leicht ironisch „Basteln und Stricken auf der Nanoskala“. In nur zweijähriger Arbeit gelang es ihm und seinen Harvard-Kollegen William M. Shih und Shawn M. Douglas, aus DNA – der Desoxyribonukleinsäure, aus der auch unsere Gene bestehen – allerlei Formen herzustellen: winzige Ziegelsteine, Bälle, Zahnräder, gerade und verbogene Bänder und andere, zum Teil recht komplexe Strukturen. Was zunächst wie eine Spielerei aussieht, ist mittlerweile ein anerkanntes und automatisiertes Herstellungsverfahren für Nanostrukturen.

Mit Klammermolekülen und zusätzlich eingebrachten Basenpaaren bringt Hendrik Dietz die DNA dazu, sich nach seinem Willen zu winzigen Bauteilen zusammenzusetzen.Lightbox-Link
Mit Klammermolekülen und zusätzlich eingebrachten Basenpaaren bringt Hendrik Dietz die DNA dazu, sich nach seinem Willen zu winzigen Bauteilen zusammenzusetzen.Quelle: HD/SMD

Eiweiße rundum abtasten

Geboren 1977 in Dresden, studierte Dietz Physik in Paderborn und im spanischen Saragossa. Die Technische Universität München kennt er seit seiner Diplomarbeit am Lehrstuhl für angewandte Physik von Professor Hermann Gaub. „Mich fasziniert es, wie komplex die Abläufe in einer Zelle sind“, sagt Dietz. „Da arbeiten 4.000 bis 5.000 Proteine, also Eiweißstoffe, zusammen, jedes erledigt seine Aufgabe, und all diese Aufgaben sind untereinander verknüpft. Zu erforschen, wie das funktioniert, war eine Herausforderung, die mich unmittelbar gereizt hat.“ Und so wandte Dietz ein Verfahren an, das damals noch ganz jung war: Er untersuchte Eiweißmoleküle mithilfe des Rasterkraftmikroskops. Es besitzt eine extrem feine Spitze, mit der man Kräfte auf der atomaren Ebene ausüben und messen kann.

Hendrik Dietz’ Doktorvater Matthias Rief hatte dieses Mikroskop bereits dazu verwendet, ein kettenförmiges Muskelprotein zu strecken. Dietz beschritt jedoch einen anderen Weg. „Proteine sind dreidimensionale Gebilde, und wenn man sie auseinander zieht, geht die gesamte Information, die in der räumlichen Faltung steckt, verloren“, erklärt er. Er entwickelte eine Methode, mit der man die Winzlinge als Ganzes an unterschiedlichen Stellen packen und in verschiedenen Richtungen an ihnen ziehen kann. So bleibt ihre Faltung erhalten, und die gemessenen Kräfte geben Auskunft über die innere Struktur, Stabilität und Elastizität der Moleküle.

Mehr zum Thema auf biotechnologie.de

News: Nano-Lego mit DNA-Bausteinen

Menschen: Wilfried Weber - Signalwegen auf der Spur

biotechnologie.tv: Interview zur Synthetischen Biologie

Werkzeuge aus Aminosäuren

Das Ziel, das Dietz nach seiner Promotion vor Augen schwebte – und das er bis heute verfolgt – ist es, aus Aminosäuren, den Bestandteilen der Proteine, kleine Werkzeuge zu bauen, die zum Beispiel ihrerseits Stoffe herstellen können. Allerdings ist es sehr schwer, auf dieser winzigen Größenskala mit Proteinen zu arbeiten, sie sind zu komplex in Gestalt und Funktion. Dietz suchte deshalb nach einer anderen Möglichkeit, wie er die gewünschten Nanowerkzeuge bauen könnte. DNA war der Schlüssel dazu. Deren Moleküle sind kettenförmig, regelmäßig und stabil und vor allem sehr gut erforscht.

Schon 1991 hatten die Forscher Junghuei Chen und Nadrian C. Seeman einen winzigen DNA-Würfel erzeugt. Damit hatten sie ein neues Feld begründet, weil sie zum ersten Mal zeigten, dass man mit DNA bauen kann. Danach gab es eine Reihe kleinerer Fortschritte, „aber im Jahr 2006 kam wirklich eine Revolution“, so Dietz. Paul W. K. Rothemund vom Caltech in Kalifornien gelang es, mit DNA komplexe Formen zu erzeugen. Er benannte seine Methode nach der japanischen Papierfaltkunst Origami und demonstrierte sie mit Smiley-Faces und einer Karte von Nord- und Südamerika im Nanomaßstab. Der Nachteil dieser Objekte: Sie waren nur zweidimensional, also flache Muster auf einer Unterlage.

Ein Puzzle, das sich selbst zusammensetzt

Als Hendrik Dietz auf einer Fachtagung erfuhr, dass William Shih an der Harvard Medical School dreidimensionale Objekte aus DNA fertigen wollte, schloss er sich 2007 dessen Forschungsgruppe an. Zusammen mit dem Informatiker Shawn Douglas gelang den Wissenschaftlern in den nun folgenden zwei Jahren der Coup. Sie „tackerten“ einsträngige, von Viren hergestellte DNA, die sie „Rückgrat“ nannten, mit winzigen, künstlich produzierten DNA-Schnipseln, den sogenannten „Klammermolekülen“, so zusammen, wie sie es vorher programmiert hatten. Das Wunder geschah im Reagenzglas: „Man stellt alle benötigten Teile her, gibt sie zusammen, erwärmt, schüttelt und schaut, was dabei herauskommt“, so Dietz.

Mit seiner Methode, DNA-Stränge an bestimmten Stellen durch Klammermoleküle miteinander zu verbinden, gelang es Hendrik Dietz zunächst, Formen aus geraden Teilstücken herzustellen, wie Quader oder Blöcke.Lightbox-Link
Mit seiner Methode, DNA-Stränge an bestimmten Stellen durch Klammermoleküle miteinander zu verbinden, gelang es Hendrik Dietz zunächst, Formen aus geraden Teilstücken herzustellen, wie Quader oder Blöcke.Quelle: Hendrik Dietz / TUM

Wie ein Puzzle, das sich selbst zusammensetzt, entstanden durch Selbstorganisation die kleinen Objekte, und zwar viele Millionen gleichzeitig. Unter dem Elektronenmikroskop können die Wissenschaftler ihre Form erkennen und kontrollieren, ob alles geklappt hat. Im Lauf der Zeit sammelten die Forscher immer mehr Erfahrung im Umgang mit ihrem Baumaterial. Und so gelang es, die Vorschriften für das Zusammenbauen der DNA zu systematisieren und als Computerprogramm zu speichern. „Wir haben jetzt ein Regelwerk, mit dem man die kleinsten DNA-Bausteine programmieren kann. Man kann sie nach Belieben zusammenfügen wie Legosteine“, sagt Dietz. Mittlerweile ist es auch möglich, die DNA zu krümmen und zu verdrehen.

DNA, zu Brezeln geformt

Seit Hendrik Dietz und seine Mitstreiter ihre Ergebnisse im Mai 2009 in Nature und im August 2009 in Science veröffentlicht haben (mehr...), interessieren sich viele für den Physiker. Sogar die New York Times berichtete, und das amerikanische News-Network msnbc widmete der Erfindung einen Artikel mit dem Titel ,,DNA, zu Brezeln geformt“. Auch Fachkollegen sind voll des Lobes: Thomas H. LaBean von der Duke University in North Carolina kommentierte den Artikel euphorisch in Nature, die Arbeit stelle „eine dritte Revolution in der DNA-Nanotechnologie dar“ und eröffne eine „neue Dimension in der DNA-Kunst“. Und die Wissenschaftler Yan Liu and Hao Yan von der Arizona State University schrieben ebenso begeistert in Science: „Es ist, als ob die DNA Yoga-Übungen erlernt hätte, um eine Vielzahl unterschiedlicher Haltungen im Nanomaßstab einzunehmen.“

Labor für Biomolekulare Nanotechnologie

Derzeit baut Hendrik Dietz seine Arbeitsgruppe im Physik-Department der Technischen Universität München auf.

Zur Dietz Research Group: hier klicken

Dietz selbst entschloss sich, zurück nach Deutschland zu gehen, denn er wollte eine eigene Forschungsgruppe gründen und nicht mehr nur das bearbeiten, was andere ihm vorschrieben. Da kam ihm das Angebot der TU München ganz recht. Im Juni 2009 nahm er den Ruf auf den Lehrstuhl für Experimentalphysik in München an und ist nun jüngster Professor des Physik-Departments an der TU. Neben praktischen Anwendungen seiner Nanoobjekte etwa für die Mikroskopie oder die Grundlagenforschung verfolgt er nach wie vor das große Ziel, es der Natur gleichzutun oder vielleicht sogar ein wenig besser zu sein. Er will Eiweiße  bauen, die bestimmte Aufgaben in Zellen erledigen – etwa Poren in der Zellhülle öffnen und schließen –, oder die chemische Stoffe herstellen, indem sie auf atomarer Ebene die Reaktionsbestandteile in die richtige Form pressen und so zur Reaktion zwingen. Natürliche Eiweißstoffe eins zu eins nachzubauen, hält Dietz jedoch für keine gute Lösung. „Diese Moleküle tragen evolutionären Ballast mit sich herum, also Teile, die für ihre Funktion vielleicht gar nicht notwendig wären. Mit einem synthetischen Ansatz kann man das vielleicht besser machen.“ Bei der Durchsetzung solch revolutionärer Ideen helfen Dietz natürlich sein guter Ruf als kreativer Wissenschaftler und seine viel beachteten Publikationen. So kann er auch „verrückte“ Ideen vorschlagen, die unter anderen Umständen belächelt würden. Dennoch hat er manchmal Selbstzweifel: „Ich kann natürlich immer noch grandios scheitern ...“


Autorin: Brigitte Röthlein

Auszug aus Ausgabe 5 von "Faszination Forschung", dem Wissenschaftsmagazin der Technischen Universität München

hier klicken

 

Menschen

Forscherprofile

Sie möchten noch mehr Persönlichkeiten aus der biotechnologischen Forschung in Deutschland kennenlernen? In der Rubrik Menschen haben wir bereits eine ganze Reihe von Wissenschaftlern und Unternehmern porträtiert.


Zur Rubrik Menschen

Förderbeispiele

glowing cells in a test tube

Sie möchten erfahren, in welche Forschungsprojekte öffentliche Gelder fließen? Unter der Rubrik Förderbeispiele stellen wir regelmäßig öffentlich geförderte Forschungsvorhaben inhaltlich vor.


Zur Rubrik Erfindergeist

Nachwuchsförderung

Collage aus Broschüren-Deckblatt

Wege in die Biotechnologie: In den vergangenen 25 Jahren hat das BMBF mehr als 200 junge Wissenschaftler darin unterstützt, in die Biotechnologie zu gehen. Eine neue Broschüre verschafft nun Einblicke in den Verlauf dieser Karrieren: Was ist aus den einstigen Nachwuchsforschern geworden? Wie sind sie beruflich vorangekommen? Woran arbeiten sie heute? Die Broschüre kann kostenlos im Bestellservice geordert oder als PDF heruntergeladen werden.


Zur Rubrik Publikationen