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Regine Kahmann: Seminare im Wohnzimmer

Regine Kahmann ist Direktorin am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg. Der Pilz "Ustilago maydis" ist ihr Lieblingsforschungsobjekt. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Regine Kahmann ist Direktorin am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg. Der Pilz "Ustilago maydis" ist ihr Lieblingsforschungsobjekt. Quelle: BMBF

22.09.2009  - 

Beulenförmige Geschwüre an Stängeln, Blättern und Kolben: Dieser Mais ist nicht gesund. Die Ursache ist ein Pilz, der die Abwehr der Pflanze auf bisher unbekannte Weise austrickst. Seit ihrer Zeit als Forschergruppenleiterin des Genzentrums Berlin ist Regine Kahmann dem Geheimnis der Krankheit auf der Spur. Mittlerweile hat die Marburger Forscherin zusammen mit ihrem Team entscheidende Details des Wirkmechanismus aufgedeckt.




Seit dem Jahr 2000 steht die Molekularbiologin Regine Kahmann an der Spitze einer Abteilung des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie in Marburg. Das Institut, das etwas außerhalb der Stadt auf einem waldigen Hügel liegt, beschäftigt 185 Mitarbeiter in vier Abteilungen und zwei abteilungsunabhängigen Forschungsgruppen. Die sympathische Biologin vermittelt den Eindruck, als ob sie ihre verantwortungsvolle Position gerne und mit viel Engagement ausfüllt - auch wenn sie nie davon geträumt hat, Direktorin an einem Max-Planck-Institut zu sein. Kahmann hat sich mit ihrer Gruppe der Erforschung des Maisbeulenbrandes, Ustilago maydis, verschrieben. Schon wenige Tage nach einer Infektion verursacht der Pilz beulenartige Wucherungen auf den Maisblättern. Nicht überall zum Schrecken der Landwirte. In der mexikanischen Küche etwa gelten die von Ustilago maydis befallenen Maiskörner als Spezialität.

Entscheidender Baustein beim Infektionsmechanismus geklärt

In Zentralmexiko ist der Pilz "Ustilago maydis" eine Delikatesse. Er soll erdig und ein wenig nach rohem Mais schmecken.Lightbox-Link
In Zentralmexiko ist der Pilz "Ustilago maydis" eine Delikatesse. Er soll erdig und ein wenig nach rohem Mais schmecken.Quelle: National Public Radio USA

Der zur Klasse der Brandpilze zählende Krankheitserreger lässt sich vergleichsweise einfach im Labor züchten und gentechnisch verändern. Die Wissenschaftler nutzen Ustilago maydis als Modellsystem, um die Funktionsmechanismen pilzlicher Pflanzenkrankheiten zu erforschen. Die Erkenntnisse sollen auf andere Pilzkrankheiten übertragen werden, die in der Landwirtschaft größeren Schaden anrichten – deren Erreger sich im Labor aber nicht kultivieren lassen. 2005 ist der Forscherin zusammen mit einer internationalen Arbeitsgruppe ein Durchbruch gelungen: Sie konnten einen entscheidenden Baustein des Infektionsmechanismus des Brandpilzes klären und dadurch den Wirkmechanismus des Pilzes besser verstehen.
Auf der Basis von drei vorliegenden Sequenzierungen analysierte die Gruppe um Kahmann und ihren MPI-Kollegen Jörg Kamper alle 7000 Gene des Pilzes und stießen auf einige Überraschungen. Wie die Wissenschaftler im Fachmagazin Nature (Vol. 444, S. 97-101) berichteten, fanden sie nur wenige der Gene, die bei anderen pilzlichen Pflanzenerregern dafür sorgen, dass spezielle Toxine oder Enzyme gebildet werden, die Zellwände abbauen und den Wirt schädigen. Mithilfe einer umfassenden Genaktivitätsanalyse fanden die Forscher zwölf Gencluster, die Ustilago maydis exklusiv für seine Strategie braucht. Vier davon sind wesentlich am Angriff beteiligt: Die Aktivität dieser Gene nimmt zu, sobald der Pilz eine Pflanze infiziert. In all diesen Genclustern sind die Baupläne von Eiweißen gespeichert, die der Pilz nach außen absondert.

Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie

Regine Kahmann leitet die Abteilung für Organische Interaktionen am MPI in Marburg. An dem 1991 gegründeten Instiut arbeiten 185 Wissenschaftler.

mehr Informationen zur Gruppe Kahmann am MPI: hier klicken

Ihre genaue Rolle im komplexen Ablauf der Pflanzeninfektion ist zwar weiterhin unklar, Kahmann erkannte aber schon damals, dass es sich hier um einen völlig neuen Weg der Infektion von Pflanzern handelte. „Mit den Eiweißen gelingt es dem Pilz offensichtlich, die Wirtpflanze von seiner Harmlosigkeit zu überzeugen“, so Kahmann. Mit einem biochemischen Deckmäntelchen getarnt könne sich der Erreger an der Abwehr der Pflanze vorbeischmuggeln und ungestört ausbreiten. In einem nächsten Schritt entfernte die Gruppe um Kahmann einzelne dieser Cluster aus dem Genom des Pilzes und stellten fest, dass sich die Eigenschaften des Pilzes in unterschiedlicher Weise veränderten: Teilweise konnte er die Pflanze gar nicht mehr befallen. In anderen Fällen wurde der Pilz durch den Eingriff ins Genom aggressiver als der unveränderte Wildtyp.Im Rahmen des Projektes entstand zudem eine umfangreiche Datenbank, in der alle Gene des Maisbrandpilzes mit funktionellen Beschreibungen erfasst sind. Diese Arbeit wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Max-Planck-Gesellschaft finanziell unterstützt. Das Ergebnis ist nun auf der Webseite des Münchner Informationszentrums für Proteinsequenzen Munich Information Center for Protein Sequences (MIPS)  öffentlich zugänglich.

Genzentrum Berlin

Das Genzentrum Berlin wird im Jahr 1987 als Institut für Genbiologische Forschung vom Berliner Senat und der Schering AG gegründet. Angesiedelt ist es auf dem Campus des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik. 1994 wurde es unter seinem Direktor Lothar Willmitzer als Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie nach Golm bei Potsdam verlegt.

Zum MPI-MP: hier klicken

Zur richtigen Zeit am richtigen Platz

Die Grundlagen für Kahmanns heutige Forschungserfolge wurden bereits Mitte der 1980er Jahre gelegt. Damals leitete sie eine unabhängige Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin und untersuchte die Genetik von Bakterien und Phagen - das sind Viren, die nur Bakterien befallen. Daneben liebäugelte die Biologin aber schon seit einiger Zeit mit Ustilago maydis, denn ihr besonderes Interesse gilt den molekulargenetischen Mechanismen zwischen Mikroorganismen mit Pflanzen. Als dann 1987 im Rahmen des Genzentrums Berlin in unmittelbarer Nachbarschaft das Institut für Genbiologische Forschung GmbH (IGF) gegründet wurde, „war ich zur richtigen Zeit am richtigen Platz“, erzählt Kahmann.

GenoMik-Förderinitiative des BMBF

Um den genetischen Grundlagen von Bakterien auf die Spur zu kommen und diese Erkenntnisse für Medizin, Landwirtschaft, Ernährung und Industrie zu nutzen, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Jahr 2001 das Förderprogramm GenoMik "Genomforschung an Mikroorganismen" initiiert.
mehr zum GenoMik Programm bei uns auf biotechnologie.de: hier klicken

Das IGF war eine gemeinsame institutionelle Gründung des Landes Berlin und der Schering AG, die auch die Kosten des Neubaus und die laufenden Kosten gemeinsam trugen. Kahmann verwendete die finanzielle Unterstützung dazu, ihre „Ustilago-Gruppe“ auszubauen und stürzte sich mit Eifer in die Erforschung der Wechselwirkung zwischen Pilz und Pflanze. „Das war der Grundstein für alles, was danach kam“, schwärmt die Wissenschaftlerin noch heute.

Kahmann fordert viel von ihrem wissenschaftlichen Nachwuchs, sie pflegt aber auch einen entspannten Umgang mit ihm. Wenn Seminartermine an der Universität ausfallen, werden diese mitunter an Wochenenden nachgeholt. Dann aber in angenehmer Atmosphäre: Die Professorin lädt zu sich nach Hause ein. „Die Diskussionen sind so angeregt, dass ich im kommenden Semester diese Art des Seminars wählen werde“, erzählt Kahmann lachend. Dass sie ihre Privatsphäre den Studierenden öffnet, liegt vielleicht auch daran, dass „sich eine eigene Familie irgendwie nicht ergeben hat“, meint die Wissenschaftlerin. Bedauerlich findet Kahmann, dass in ihrer Abteilung keine einzige Frau eine Gruppenleiterstelle innehat. Die Rahmenbedingungen müssen hier dringend verbessert werden“, fordert die MPI-Direktorin. Sie selbst wird auch in Zukunft weiter am Brandpilz forschen, denn trotz der jüngsten Erfolge sind immer noch viele Details des Wirkungsmechanismus von Ustilago maydis nicht geklärt. „Ich kann nicht sagen, dass ich am Ziel wäre: Aber ich bewege mich auf das Ziel zu“, resümiert Regine Kahmann.

Auszug aus BMBF-Broschüre: "Wege in die Biotechnologie - 25 Jahre Nachwuchsförderung"

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Wege in die Biotechnologie: In den vergangenen 25 Jahren hat das BMBF mehr als 200 junge Wissenschaftler darin unterstützt, in die Biotechnologie zu gehen. Eine neue Broschüre verschafft nun Einblicke in den Verlauf dieser Karrieren: Was ist aus den einstigen Nachwuchsforschern geworden? Wie sind sie beruflich vorangekommen? Woran arbeiten sie heute? Die Broschüre kann kostenlos im Bestellservice geordert oder als PDF heruntergeladen werden.


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