Nediljko Budisa: Eine neue Chemie des Lebens
21.04.2009 -
„Mein wissenschaftliches Ziel ist ganz einfach: Den genetischen Code zu ändern, nicht mehr und nicht weniger“, sagt Nediljko Budisa, Leiter der BioFuture-Forschungsgruppe „Molekulare Biotechnologie“ am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried und künfti Professor an der Technischen Universität Berlin. Damit hat sich der gebürtige Kroate allerdings nicht nur ein ehrgeiziges, sondern ein geradezu visionäres Ziel gesetzt.
Der genetische Code ist eines der fundamentalsten Prinzipien des biologischen Lebens. „Er ist in allen Organismen mit wenigen Variationen gleich und war schon im frühesten gemeinsamen Vorfahr aller Lebewesen vorhanden“, sagt Budisa. Der Code ist der Schlüssel, nach dem in jeder Zelle RNA-Sequenzen in Proteine übersetzt werden. Proteine bestehen aus einzelnen Bausteinen, den Aminosäuren. Beim Ablesen der RNA werden jeweils drei aufeinanderfolgende Basen, ein sogenanntes Codon, in eine Aminosäure übersetzt. Dabei steht jede Dreierkombination für eine bestimmte Aminosäure.
Am Übersetzungsschlüssel drehen
„An diesem Übersetzungsschlüssel möchten wir ein bisschen drehen“, sagt Budisa. Bis auf wenige Ausnahmen bestehen alle Proteine aus einem Standardbausatz von zwanzig Aminosäuren. Von dieser Molekülklasse gibt es aber viel mehr – einige Hundert kommen natürlich vor, weitere Variationen lassen sich künstlich im Labor erzeugen. Budisa untersucht, wie man Zellen dazu bringen kann, auch diese anderen Aminosäuren in der Proteinherstellung zu verwenden. Damit könnte man Proteine mit ganz neuen Eigenschaften erhalten. „Da gibt es ein ungeheures Potential“ schwärmt er. Von Proteinen mit eingebautem medizinischem Wirkstoff über farbige Proteine bis zu Proteinen, die auch in organischen Lösungsmitteln aktiv sind – möglich wäre damit fast alles.
BioFuture-Wettbewerb |
Nediljko Budisa ist einer von insgesamt 51 Forschern, die mit dem BioFuture-Preis des BMBF ausgezeichnet wurden. |
Aber wie programmiert man den genetischen Code um? Dafür gibt es mehrere Methoden. Entweder man ändert die Enzyme, die dafür zuständig sind, die richtige Aminosäure zu erkennen. Das Problem dabei: „Zurzeit können wir nicht so effiziente Enzyme herstellen wie die Natur“, sagt Budisa. Deswegen hat er sich auf den zweiten Weg verlegt: Er nutzt die Tatsache, dass biologische Prozesse nie ganz präzise ablaufen. Einem Enzym, das beispielsweise die Aminosäure Methionin erkennt, kann man auch etwas Ähnliches „unterjubeln“, etwa Selenomethionin. Zwanzig bis dreißig verschiedene Aminosäuren haben die Forscher auf diese Weise schon eingebaut.
Ziel: Industriell relevante Eiweiße herstellen
Das nächste Ziel ist, die Methode weiterzuentwickeln, und industriell relevante Proteine zu verändern. „Wir schauen uns dafür nach Industriepartnern um und manche Zusammenarbeiten laufen auch schon“ sagt der Forscher. Seit zwölf Jahren arbeitet der 42-Jährige bereits auf dem Feld der synthetischen Biologie. Trotzdem fühlt er sich immer noch wie ein Pionier: „Wir stehen noch ganz am Anfang“, sagt er. Das Thema hat ihn bereits im Studium beschäftigt. Die Chemie des Lebens nicht nur verstehen, sondern eine neue schaffen „das war meine Vision“, erzählt Budisa. Dass ihn diese Vision ausgerechnet nach Deutschland führte, ist „einer Reihe von glücklichen Unfällen“ zu verdanken, wie er lachend sagt. Eigentlich war er nach dem Studium in Kroatien schon auf dem Weg in die USA. Aber dann traf er Robert Huber, Chemiker, Nobelpreisträger und bis 2005 Direktor des Max-Planck-Institutes für Biochemie in Martinsried. „Ich habe ihm meine Idee erzählt und er hat mich sofort eingeladen, bei ihm zu promovieren“ erzählt er.
Molekulare Biotechnologie |
Sie wollen mehr über die Arbeit von Nediljko Budisa erfahren? Dann schauen Sie auf seiner Webseite am MPI für Biochemie vorbei. Mehr Infos: hier klicken |
Zwölf Jahre bleibt er bei Huber und verfolgt seine Idee, auch gegen den Rat seines Mentors, stur weiter – mit Erfolg. Im Jahr 2005 wurde Budisa mit dem BioFuture-Preis vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ausgezeichnet. Mittlerweile kann sich der Forscher auch über einen Ruf an die TU Berlin freuen. Und das ganz ohne Aufenthalt in den USA. „Da muss ich als Ausländer den Deutschen mal ins Gewissen reden: Sie sollten sich nicht zu einer wissenschaftlichen Provinz der USA degradieren. Ein bisschen mehr Selbstbewusstsein würde nicht schaden“, sagt er. Auch wenn die Verhandlungen mit Berlin noch laufen – in Deutschland wird er höchstwahrscheinlich bleiben. Ob er sich dort Zuhause fühlt? „Ach, wissen Sie“, sagt er mit einem Schmunzeln, „in Kroatien bin ich fremd, in Deutschland bin ich fremd, jetzt bin ich ein echter Wissenschaftler – denn Wissenschaft gehört zur ganzen Welt.“
Autorin: Miriam Ruhenstroth