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Neuartige Antibiotika überlisten Resistenz

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Das Wachstum des Bakteriums Staphylococcus aureus wird von einer Schimmelpilzkolonie behindert, die Penicillin abgibt. Quelle: Christine Case/Skyline College California

22.10.2008  - 

Bakterien sind Überlebenskünstler. Sie kommen im ewigen Eis der Pole ebenso vor wie an den heißen Schwefelquellen des Ozeanbodens. Die Anpassungsfähigkeit der Bakterien wird allerdings zum Problem, wenn Krankheitserreger sich durch Antibiotika nicht mehr wirksam bekämpfen lassen, weil sie innerhalb kurzer Zeit resistent geworden sind. Am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig sind Forscher nun auf Stoffe aus der Natur gestoßen, die einen neuen Weg in der Bekämpfung krankmachender Bakterien eröffnen könnten. Die neu entdeckte Substanz verhindert, dass die Erreger ihr Erbmaterial ablesen und sich damit vermehren können, wie die Wissenschaftler in Cell (Vol. 135, 17. Oktober 2008, S. 295-307) berichten.


 

Die aus Myxobakterien isolierten antibiotischen Substanzen verhindern, dass Enzyme der Krankheitserreger, die für das Kopieren des Erbmaterials zuständig sind, ihre Arbeit tun können. Damit wird die Zellteilung der Bakterien – wie beispielsweise Tuberkulose-Erreger - verhindert. Zusammen mit Kollegen der Rutgers-Universität im amerikanischen New Jersey haben die HZI-Forscher herausgefunden, dass die Substanzen in den Bakterien an einer anderen Stelle wirken als alle bisher bekannten Antibiotika - wie etwa das Rifamycin, ein Standardmedikament gegen Tuberkulose. Diese Erkenntnis macht die Braunschweiger Naturstoffe zu äußerst interessanten Kandidaten für die Antibiotika-Entwicklung - zumal die Substanzen auch antibiotika-resistente Bakterienstämme abtöten.
 

Dr. Herbert Irschik und Dr. Rolf Jansen vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Brausnchweig.Lightbox-Link
Dr. Herbert Irschik und Dr. Rolf Jansen vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Brausnchweig.Quelle: HZI

Antibiotika sind aus der modernen Medizin nicht wegzudenken. Ihnen verdanken wir, dass Seuchen wie Pest, Cholera oder Tuberkulose entweder als ausgestorben gelten oder zumindest stark zurückgedrängt werden konnten. Allerdings schaffen es die Bakterien oft schon nach wenigen Jahren, Resistenzen gegen die aktuellen Antibiotika zu entwickeln. Es entsteht ein Wettlauf zwischen Medizin und Krankheitserregern, und der schmale Vorsprung, den die Wirkstoffentwickler inne haben, ist mit hohen Kosten erkauft. Außerdem dazu ist die Entwicklung neuer Antibiotika-Varianten nicht gerade trivial: Die Wirkstoffe dürfen nur die Bakterien, nicht aber menschliche Zellen angreifen. Die Angriffsziele der Antibiotika in den Bakterien sind deshalb eng begrenzt; jede neue Wirkstruktur ist den Antibiotika-Forschern hoch willkommen, insbesondere, wenn damit ein neuer Wirkmechanismus aufgezeigt wird.


Das HZI verfügt über eine umfassende Sammlung von Naturstoffen, die sich in der Vergangenheit bereits als ergiebig für die Wirkstoffforschung erwiesen haben. Aus der Sammlung stammt beispielsweise das Epothilon, das im vergangenen Jahr als Krebsmedikament zugelassen wurde. Produziert werden die Substanzen von Myxobakterien - einer Gruppe von Mikroorganismen, die im Boden leben.
 

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Auch die neue Substanz stammt aus dem Naturstoff-Reservoir des HZI, wie der Biologe Herbert Irschik erklärt: "In unserem Fundus haben wir drei Stoffe - Myxopyronin, Corallopyronin und Ripostatin - isoliert und chemisch charakterisiert. Ihre antibiotische Wirkung konnten wir bereits vor etlichen Jahren nachweisen. Diese richtet sich auf ungewöhnliche Weise gegen die bakterielle RNA-Polymerase, also das Enzym, das die DNA der Krankheitserreger abliest. In eukaryontischen Zellen, zu denen auch die des Menschen gehören, greifen die Substanzen die RNA-Polymerase nicht an."


Doch bevor diese ersten Indizien die Substanzgruppe wirklich zu Antibiotika-Kandidaten machten, mussten Wissenschaftler genauer herausfinden, wie die Bakterien am Wachstum gehindert werden. "Wir haben deshalb zunächst biotechnologische Prozesse entwickelt, mit denen wir die myxobakteriellen Naturstoffe in größeren Mengen produzieren und isolieren können", erklärt der an der Studie beteiligte Chemiker Rolf Jansen.

Anschließend kam es zur Kooperation mit der US-amerikanischen Forschergruppe an der Rutgers-Universität. Die Strukturbiologen untersuchten an der RNA Polymerase, wie die aus dem HZI stammenden Substanzen wirken. Dabei bestätigten sich die Hinweise, dass die Naturstoffe die bakterielle RNA-Polymerase in neuartiger Weise blockieren: Die Naturstoffe koppeln sich innerhalb der RNA-Polymerase an eine andere Stelle an als die bisher bekannten Antibiotika. Sie verbinden sich mit dem Enzym - das aussieht wie eine geöffnete Krabbenschere - direkt an seiner Gelenkstelle. Das scherenförmige Enzym kann sich dadurch nicht mehr öffnen. So verhindern die Wirkstoffe, dass sich die RNA-Polymerase an die abzulesende DNA anheften kann - das Ablesen des Erbmaterials ist komplett unterbunden. Dieser neue Mechanismus wirkt auch bei Bakterien, die gegen herkömmliche Antibiotika bereits resistent sind.

Die Erkenntnisse der US-Forscher sind für Jansen und Irschik das Signal für einen langen Entwicklungsprozess: "Myxopyronin, Corallopyronin und Ripostatin sind in der Form, wie wir sie jetzt vorliegen haben, noch nicht als Medikament geeignet", erklärt Irschik. Jetzt sei weitere Forschung der Chemiker nötig, wie Jansen ergänzt: "Unsere Naturstoffe sind so genannte Leitstrukturen, die die Chemiker im Detail verändern werden, um ihre antibiotische Wirkung zu verbessern und Nebenwirkungen zu minimieren. Dann folgen ausführliche Tests, die mehrere Jahre dauern können, bevor die Mediziner ein neues Medikament in die Hände bekommen."

 

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