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Ulrich Rothbauer: Alpaka-Antikörper für die Pharmaindustrie

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Ulrich Rothbauer hat Mini-Antikörper entwickelt, die sich als Nachweiswerkzeug in lebenden Zellen nutzen lassen. Quelle: Rothbauer

08.02.2008  - 

Eigentlich hatte Rothbauer an Enzymen gearbeitet, die eine wichtige Rolle bei der Regulation von Genen spielen. Nur nebenbei beschäftigte er sich mit speziellen kleinen Antikörpern, die bei Alpakas vorkommen. Doch dann gelingt dem promovierten Biologen von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) mit diesem Nebenprojekt der wissenschaftliche Durchbruch: Aufbauend auf den Alpaka-Antikörpern hat er einen Weg gefunden, wie sich die Immunmoleküle als Nachweiswerkzeug in lebenden Zellen einsetzen lassen - normale Antikörper waren dafür bislang schlichtweg zu groß. "Das war ein Highlight im Labor, wenn man bedenkt, was man sonst so für Frustrationen dort erleben muss", erinnert sich der 37-Jährige. "Das ist etwas Besonderes, wenn man Neuland beschreitet und etwas sieht, was noch keiner vor einem gesehen hat." Nun will der Forscher eine Firma gründen, die neue Analysemethoden und Biomarker an die Pharmaindustrie verkauft. Mit dieser Idee konnte er auch die Jury im GO-Bio-Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) überzeugen. Im Herbst 2007 war Rothbauer einer der neun Gewinner.

Auf den ersten Blick sieht Rothbauers Lebenslauf nicht gereade abwechslungsreich aus: Er war immer an der LMU in München. Dort nahm mit dem Studium seine Forscherkarriere ihren Anfang, dort hat er in verschiedenen Arbeitsgruppen gearbeitet und dort hat er schließlich auch seine Doktorarbeit geschrieben. „Ich habe immer gedacht, ich muss jetzt hier endlich weggehen. Aber hier gibt es so viele gute Gruppen. München ist für Forscher ein Cluster, wo unheimlich viel passiert“, rechtfertigt Rothbauer seine Sesshaftigkeit. Nach der Promotion ist es wieder eine Stelle an der LMU, für die er sich entscheidet. Professor Heinrich Leonhardt ist neu in München und sucht einen Post-Doc, der mit ihm ein Biochemie-Labor aufbaut. „Das fand ich besonders spannend: Nicht in ein funktionierendes Labor zu gehen, sondern etwas Neues aufzubauen.“

In dem Labor dreht sich alles um die DNA-Methyltransferase, das „Lieblingsenzym“ von Professor Leonhardt. Ein Stoff, der molekulare Veränderungen, sogenannte Methylierungen, an der Erbsubstanz DNA bewirkt, und damit eine wichtige Rolle bei der Genregulation hat. Die Forschung am „Lieblingsenzym“ und der Aufbau des Labors nehmen viel Zeit in Anspruch, dennoch widmet sich Rothbauer zusätzlich seinem Nebenprojekt. „Wenn abends noch Zeit war, dann habe ich an den Kameliden-Antikörpern geforscht“, erinnert sich Rothbauer drei Jahre später. Kamelartige Tiere heißen auch Kameliden, zu ihnen gehören außer dem Kamel zum Beispiel das Alpaka. Für Immunologen weisen die Kameliden eine Besonderheit auf, die einzigartig bei Säugetieren ist: Sie sind mit zwei unterschiedlichen Stoffklassen von Antikörpern ausgestattet.

Alpakas gehören zu den Kameliden, die besonders kleine Antikörper besitzen. Hier zu sehen sind Anna, Annabell und Ferdel, von denen Rothbauer die Antikörper gewinnt. Lightbox-Link
Alpakas gehören zu den Kameliden, die besonders kleine Antikörper besitzen. Hier zu sehen sind Anna, Annabell und Ferdel, von denen Rothbauer die Antikörper gewinnt. Quelle: Rothbauer

Normale Antikörper funktionieren nicht in lebenden Zellen

Antikörper sind die zentralen Moleküle des Immunsystems. Jedes Wirbeltier besitzt diese Eiweiße. Ihre Aufgabe besteht darin, einen Fremdkörper, also etwa einen Krankheitserreger oder eine Krebszelle, im Organismus zu erkennen, damit das Immunsystem sie zerstören kann. So wie es zu jedem Schloss einen passenden Schlüssel geben muss, so kann das Immunsystem zu jedem Fremdkörper einen passenden Antikörper bilden. Für die Forschung sind Antikörper zu einem unverzichtbaren Wekzeug geworden. Denn ein Wissenschaftler braucht nur einem Kaninchen oder einer Ziege den Stoff, der ihn interessiert, spritzen und kann dann aus dem Blut der Tiere Antikörper gewinnen, die an genau diesen Stoff binden. Mit Antikörpern können Mediziner zum Beispiel nachweisen, ob ein Patient HI-Viren im Blut hat oder ob ein Vogel mit dem Vogelgrippe-Virus infiziert ist.

Doch Antikörper haben einen Nachteil: Es sind vergleichsweise riesige Moleküle, die aus vier langen Aminosäure-Ketten bestehen. Innerhalb lebender Zellen können Antikörper nicht verwendet werden, weil sie zu groß sind und im Zellinneren verklumpen würden. Bisher ist es jedoch nicht gelungen, die Antikörper zu verkleinern. Hier kommen die Alpakas ins Spiel. Denn sie besitzen zusätzlich zu den normalen Antikörpern noch sogenannte „Heavy Chain Antibodies“, die auch als Kameliden-Antikörper bezeichnet werden. Im Gegensatz zu den üblichen vier Ketten bestehen diese aus nur zwei identischen Aminosäure-Ketten.

„Das ist eine Spielerei der Natur, dass es ausgerechnet die Kamele haben und kein anderes Säugetier“, glaubt Rothbauer. Lediglich Haie und einige Knochenfische haben vergleichbar aufgebaute Antikörper. „Professor Leonhardt hatte schon lange die Idee, dass man die Kameliden-Antikörper innerhalb lebender Zellen einsetzen könnte“, erinnert sich Rothbauer. Befreundete Forscher, die an diesem Molekül forschten, vermuteten dagegen, dass die Kameliden-Antikörper sich genau wie normale Antikörper verhalten werden, dass sie also nie innerhalb der Zelle funktionieren können. „Doch wir waren etwas stur. Wir glaubten, dass es gehen könnte und haben es einfach probiert.“

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GO-Bio-Preisträger: Im Herbst 2007 wurde Ulrich Rothbauer im Rahmen des BMBF-Projektforums auf der BIOTECHNICA in Hannover mit dem GO-Bio-Preis ausgezeichnet.

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Fusion aus einem Quallen- und einem Alpaka-Gen

Rothbauer versucht lange herum im Labor. Ihm gelingt es, den Kameliden-Antikörper stark zu verkleinern, ohne dass er seine Fähigkeit verliert, an Fremdkörper zu binden. Das kleine Fragment fusioniert er mit dem sogenannten „Green Fluorescent Protein“. Das ist ein Farbstoff, der in der Natur von Quallen produziert wird und grün fluoresziert. Den entstandenen Stoff, also ein Hybrid aus einem Alpaka- und einem Quallengen, tauft Rothbauer „Chromobody“. Dank der Fluoreszenz können Forscher genau verfolgen, wo der Stoff hingeht und wo er sich anlagert. „Als das tatsächlich sehr einfach in die Zellen ging, waren wir wirklich erstaunt und haben erstmal ganz viele Kontrollen gemacht, ob es wirklich stimmt.“ Die Kontrollen bestätigten: Rothbauer und sein Team hatten es erstmalig geschafft, einen Nachweis mit Kameliden-Antikörpern innerhalb lebender Zellen zu führen.

Mit Chromobodies hat Rothbauer viel vor: Er möchte eine Firma gründen, die neuartige Analyse-Methoden und Biomarker an die Pharma-Industrie verkauft. Mit seinem Konzept hat er bereits den dritten Platz eines bayerischen Businessplan-Wettbewerbs gewonnen, außerdem ist er einer der Gewinner des Go-Bio-Wettbewerbs des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Dieser will kommerziell interessanten wissenschaftlichen Ideen den Weg in die Anwendung erleichtern (mehr...) „Das ist das erste Mal, dass ich mit Komerziellem wie Business-Plänen oder Patentanmeldungen in Berührung komme“, sagt Rothbauer. Doch der Wissenschaftler scheut die Herausforderung nicht: „Die Kommerzialisierung der Forschung ist ein neuer Aspekt im Leben, das macht es interessant.“

Autor des Textes: Ragnar Vogt

 

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