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Inge Broer: Mit kühlem Kopf auf vermintem Terrain

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Inge Broer: Professorin an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock. Quelle: Inge Broer

09.11.2007  - 

Für Inge Broer gehört der Spaziergang auf vermintem Terrain zum Alltag. Als eine der ersten Wissenschaftlerinnen arbeitete sie mit genetisch veränderten Pflanzen - ein Forschungsgebiet, das heiß debattiert, und gelegentlich auch mal gestürmt wird. Da braucht man vor allem eines - einen kühlen Kopf. Zu Polemik lässt sich die Professorin an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock nicht hinreißen. Ob für oder gegen Gentechnik - was für Broer zählt, ist die wissenschaftliche Begründbarkeit.

Die Anfänge ihrer wissenschaftlichen Karriere verbringt Broer in Bielefeld. Als angehende Biologiestudentin steht sie der Gentechnik ablehnend gegenüber. „Als bei uns die Genetikprofessur eingerichtet wurde, habe ich meinen Kommilitonen gesagt: Genetik mache ich nie“ erzählt die heutige Professorin. Schon im Studium merkt sie aber, das „Genetik einfach viel zu spannend ist um das nicht zu machen“, erzählt sie. Was sie an dem Fach so fasziniert hat? „Dass es so logisch ist,“ sagt Broer. Ihre Bedenken gegenüber den Folgen der Technik hat sie deshalb nicht gleich über Bord geworfen. Aber sie wollte ihre Kritik wissenschaftlich fundieren.

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Sie wollen sich über Forschungsvorhaben mit gentechnisch veränderten Pflanzen informieren? Das Online-Portal

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Von der Gentechnik-Gegnerin zur Agrobiotech-Professorin

Das Promotionsthema „Herstellung einer herbizidresistenten Pflanze“ akzeptiert sie nur, um das Sicherheitsrisiko solcher Pflanzen endgültig nachzuweisen. „Jugendlichen Leichtsinn“ nennt sie das heute, denn ein Risiko konnte sie beim besten Willen nicht finden. Ein Wendepunkt in ihrer Haltung zur Gentechnik? „Ja und Nein“ antwortet die Wissenschaftlerin. „Die Technik als ganze abzulehnen, ist Unsinn, das habe ich in meiner Forschung gelernt“, sagt Broer, denn „das Risiko ist nicht die Herstellungsweise, sondern das Produkt“. Ihrer Meinung nach muss jede GV-Pflanze mit einer neuen Eigenschaft eben von neuem auf Herz und Nieren getestet werden. Und auch der Verwendungszweck ist ihr wichtig. „Für mich ist wesentlich, dass die Pflanzen, die wir machen, einen Nachhaltigkeitsaspekt haben. Ansonsten sehe ich nicht, warum man das machen soll“, schildert Broer ihre Grundeinstellung.

Kartoffel als Rohstofflieferant

Vor vierzehn Jahren begann Broer, damals noch von Bielefeld aus, an der Uni Rostock die Arbeitsgruppe „Pflanzengenetik und Agrobiotechnologie“ aufzubauen – mit Erfolg. Inzwischen arbeitet sie als Professorin mit ihrer Gruppe unter anderem an einer Kartoffel, die Polyaspartat produziert. Polyaspartat ist eine biologisch abbaubare Substanz, die als Ersatz für Polyacrylcarboxylate zur Kunststoffproduktion verwendet werden kann. Dazu setzten die Forscher der Kartoffel ein Gen aus einem Cyanobakterium ein, welches das polyaspartathaltige Cyanophycin als Speichersubstanz herstellt. „Wir schaffen in Kartoffelknollen inzwischen über fünf Prozent der Trockenmasse. Das ist wirklich gigantisch viel,“ erzählt Broer begeistert. Trotzdem gibt es noch viel zu tüfteln. „Die ersten Pflanzen sahen merkwürdig aus“ so Broer, denn was sie in die Aspartat-Produktion stecken, fehlt ihnen natürlich woanders. Ein weiteres Arbeitsfeld ist die Optimierung von Pflanzen, die Arzneiwirkstoffe herstellen. So arbeitet Broers Gruppe zur Zeit an Erbsen, die Impfstoff gegen die, zu 100% tödliche sogenannte Hämorrhagische Krankheit bei Kaninchen produzieren. Bisher wird der Impfstoff mit tierischem Material hergestellt – technisch ist eine Alternative möglich.

GABI - LogoLightbox-Link

Im Forschungsverbund Genomanalyse im biologischen System Pflanze (GABI) widmen sich die Wissenschaftler unter anderem elf Pflanzengenomen. Im Jahr 2006 wurde vom BMBF das Programm GABI-FUTURE ins Leben gerufen. Bis 2009 werden 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. 

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Bei Demonstrationen gilt: Mit den Skeptikern reden

Im Labor steht die Wissenschaftlerin schon lange nicht mehr. „Leider“, wie sie selber sagt. Neben Forschung und Lehre arbeitet Broer auch an der Vernetzung von Kompetenz und Ressourcen in der Grünen Gentechnik. So ist sie Mitbegründerin und Vorsitzende des 1999 entstandenen Vereins FINAB e.V., in dem, so Broer, „Wissenschaftler aus allen Bereichen zusammen kommen, die sich irgendwie mit Agrarforschung beschäftigen.“ Und auch bei dem 2004 gegründeten AgroBioTechnikum in Großlüsewitz, ein „verlängerter Arm der Forschung in die Anwendung“, wie sie sagt, leistete sie Geburtshilfe.

Besonders im Zusammenhang mit dieser Institution, an der Broer ihre Freilandversuche mit gv-Pflanzen durchführt, erhitzen sich die Gemüter von Umweltschützern und Gentechnikgegnern. Im Rahmen der G8-Proteste gab es sogar Versuche, Felder des AgroBioTechnikums  mit gv-Pflanzen zu besetzen und zu zerstören. Der Debatte um Grüne Gentechnik stellt sich Broer gewissenhaft. „Wir haben bei Demonstrationen jedesmal am Feld gestanden und mit den Leuten geredet“ erzählt sie. Einwände nimmt sie dabei durchaus ernst. „Ich halte diese Diskussionen für sehr wichtig. Man muss immer wieder das Ohr für Bedenken der Leute haben“.

Die Zeit außerhalb des Berufs verbringt Inge Broer am liebsten mit der Familie: „Wenigstens im Urlaub habe ich dann auch mal genug Zeit für meine beiden Söhne.“

Autorin des Textes: Miriam Ruhenstroth

 

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