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Neuen Übeltäter bei der Entstehung von Allergien gefunden

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Für Naturfreunde ist eine Blumenwiese schön anzusehen, für Allergiker kann sie zum Albtraum werden. Quelle: pixelquelle.de

28.02.2007  - 

Blütenpollen, Hausstaub, Tierhaare oder Nahrungsbestandteile – für die meisten Menschen sind diese Partikel harmlos, doch bei Allergikern können sie Niesen, Heuschnupfen, Hautauschlag bis hin zu lebensbedrohenden Atemstörungen auslösen. In Deutschland leiden mittlerweile bis zu 40% der Bevölkerung an solchen Überempfindlichkeitsreaktionen gegenüber körperfremden Substanzen. Wissenschaftler des Homburger Instituts für Pharmakologie der Universität des Saarlandes haben nun zusammen mit Kollegen des Instituts für Physiologie der Universität Leuven in Belgien einen bisher unbekannten Mechanismus identifiziert, der bei der Auslösung von Allergien und allergischen Reaktionen eine entscheidende Rolle spielt. Wie sie im Fachjournal Nature Immunology (2007, Vol. 8, S. 312-320) berichten, könnte diese Entdeckung zu neuen Therapiemöglichkeiten für Allergiker führen: Statt wie bisher nur Symptome zu behandeln, könnten direkt die Ursachen bekämpft werden.

In Deutschland leiden mittlerweile bis zu 40% der Bevölkerung an Allergien - also an Überempfindlichkeitsreaktionen des Körpers gegenüber eigentlich harmlosen Substanzen wie Blütenpollen, Insektengiften oder Nahrungsbestandteilen. Diese als Allergene bezeichnete Stoffe werden von Gesunden problemlos toleriert, lösen aber bei Allergikern typische Reaktionen aus wie verstärktes Niesen, Heuschnupfen, Hautausschlag, Bindehautentzündungen bis hin zu lebensbedrohenden Atemstörungen. Allergene heften sich dabei an Abwehrmoleküle des Körpers, den sogenannten IgE-Antikörpern, die sich auf bestimmten Immunzellen (Mastzellen) befinden. Diese Bindung wiederum ist verantwortlich dafür, dass die Mastzellen übermäßig Entzündungsstoffe (z.B. Histamine, Leukotriene und TNF) produzieren, die die oben genannten Symptome zur Folge haben und so das Gleichgewicht des menschlichen Immunsystems durcheinanderbringen.

Nicht Symptome, sondern Ursachen bekämpfen

Um Allergien zu bekämpfen, können Betroffene derzeit nur auf Mittel zurückgreifen, die die Wirkungen der freigesetzen Entzündungsstoffe abschwächen, beispielsweise Antihistamine. Diese Medikamente setzen jedoch nicht an der Ursache, sondern an den Symptomen an und können deshalb viele Beschwerden lindern, aber nicht komplett verhindern. Wissenschaftler sind hingegen schon seit langem auf der Suche nach einem Weg, direkt die Freisetzung der Entzündungsstoffe zu verhindern und auf diese Weise eine effizientere Behandlung von Allergien zu ermöglichen.

Neuen Mechanismus als Angriffsziel für Therapien entdeckt

Ein Forscherteam um Marc Freichel vom Institut für Pharmakologie der Universität des Saarlandes in Homburg hat nun zusammen mit belgischen Kollegen des Instituts für Physiologie der Universität Leuven einen bisher unbekannten Mechanismus identifiziert, der bei der Auslösung von Allergien und allergischen Reaktionen eine entscheidende Rolle spielt. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass eine Eiweißstruktur auf der Oberfläche von bestimmten Zellen des Immunsystems (TRPM4 Ionenkanal) die Bereitschaft des Körpers erhöhen kann, auf Allergene zu reagieren. Wie sie im Fachjournal Nature Immunology (2007, Vol. 8, S. 312-320) berichten, konnten sie in Tierversuchen mit Mäusen über diesen Ionenkanal die Freisetzung von Entzündungsstoffen in Mastzellen beeinflussen. Hemmten die Forscher den Kanal, kam es zu einer gesteigerten Ausschüttung von Entzündungsstoffen. Aktivierten sie hingegen den Kanal, zeigte sich eine verminderte Freisetzung. Aufgrund dieser Ergebnisse halten die Wissenschaftler TRPM4 für ein geeignetes Ziel, um hier künftige Therapien anzusetzen: Denkbar wären etwa Substanzen, die den Kanal aktivieren und damit die Entstehung von allergischen Reaktionen im Keim unterbinden können und die Suche nach solchen Substanzen hat bereits begonnen.

Genetischen Veranlagungen von Allergikern auf der Spur

Die Forscher vermuten zudem, dass sich eine genetische Veranlagung für Allergien ebenfalls auf diesen Ionenkanal, beziehungsweise auf eine Veränderung des TRPM4-Gens, zurückführen lässt. Dies jedenfalls haben Experimente mit Mäusen angedeutet, denen dieses Gen fehlte. Um diese Annahme zu bestätigen, wollen die Wissenschaftler nun das Erbgut von Allergikern genauer untersuchen. Wie Allergie-Forscher um Michael Kabesch von der Ludwig-Maximilians-Universität München im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzwerks (NGFN) bereits vor einigen Jahren herausgefunden haben, gibt es jedoch eine ganze Reihe von genetischen Veränderungen, die die Entstehung von Allergien begünstigen können. So haben Kinder, denen ein bestimmtes Entgiftungsenzym namens GSTM1 (Glutathion S Transferase M 1) fehlt, ein deutlich erhöhtes Risiko, an Asthma zu erkranken – obwohl Erwachsene mit dieser Erbanlage keine Probleme haben. Auch genetische Veränderungen bei körpereigenen Botenstoffen (Interleukine), die bei Zellen des Immunsystems Wachstum, Reifung und Teilung anregen, können das Gleichgewicht zwischen Allergie und Toleranz und damit die Entstehung von Allergien beeinflussen. Im Jahr 2003 berichtete Kabesch im Fachmagazin Science (Vol. 111, S. 813-817) zudem von einer Studie mit 1800 Kindern, die zeigte, dass die genetische Veränderung im Gen CARD 15 ebenfalls das Risiko erhöht, an Heuschnupfen oder Hautausschlag zu erkranken. Die Forscher um Kabesch sind nun dabei, die Vielzahl der möglichen Risiken vor allem für Kinder in anwendbare Diagnoseverfahren zu kanalisieren, um durch Früherkennungsmethoden eine rasche und zielgerichtete Behandlung der Betroffenen zu ermöglichen.

 

NGFN

Nationales Genomforschungsnetz (NGFN)

Im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) forschen eine Reihe von Wissenschaftlern an der Frage, inwieweit genetische Erbanlagen bei der Entstehung von Allergien eine Rolle spielen.

Mehr Informationen


Asthma

Asthma ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindesalter und beruht auf einer starken allergischen Reaktion im Lungenbereich. An der Ludwig-Maximilians-Universität München exisiert ein asthmagenetisches Labor, in dem Forscher um Michael Kabesch erblichen Ursachen der Erkrankung auf der Spur sind und die Entwicklung von Diagnose-Möglichkeiten vorantreiben wollen.

Mehr Informationen: www.asthmagene.de