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Christoph Syldatk: Naturstoffe aus dem Schwammlabor

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Prof. Dr. Christoph Syldatk leitet den Lehrstuhl für Technische Biologie der Universität Karlsruhe Quelle: Tebi Karlsruhe

27.11.2006  - 

Im Schwammlabor von Christoph Syldatk sind eine ganze Reihe von Organismen zuhause: Bakterien aus der Arktis oder Tiefsee, aber auch Pilze und Algen. Aus diesen winzigen Lebensformen will der Professor am Lehrstuhl für Technische Biologie der Universität Karlsruhe mithilfe biotechnologischer Methoden beispielsweise Naturstoffe für die pharmazeutische Industrie gewinnen. Dabei könnten die marinen Organismen beispielsweise als  Ausgangspunkte dafür dienen, bestimmte Eiweißmoleküle zu gewinnen und deren Produktion bis hin zu großen Maßstäben in Bioreaktoren für verschiedenste industrielle Anwendungen zu optimieren.

Biologie war schon in der Schule das Lieblingsfach von Christoph Syldatk, dem Leiter des Lehrstuhls für Technische Biologie am Institut für Bio- und Lebensmitteltechnik der Universität Karlsruhe (TH). "Am besten gefiel mir die Zellbiologie und Physiologie und deshalb entschied ich mich auch fürs Biologie-Studium", erklärt Syldatk ganz einfach. Das Studium absolvierte der Naturwissenschaftler an der Technischen Universität in Braunschweig, wo er schon früh den Kontakt zur Gesellschaft für Biotechnologische Forschung GBF knüpfte, heute bekannt als Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI). "Die Wissenschaftler dort haben Praktika für uns Studenten angeboten und in diesen habe ich dann mein besonderes Interesse für Biotechnologie entdeckt", so Syldatk. Ganz anders als heute war die Biotechnologie Anfang der 1980er Jahre noch eine wirkliche Nische: Von 180 Studenten eines Jahrgangs entschieden sich damals nur zehn für diesen Schwerpunkt. "Die Praktika waren gefürchtet, weil sie mit viel Arbeit verbunden waren und man oft bis spät abends im Labor oder im Technikum sein musste", erinnert sich der Professor für Technische Biologie.

Nach Promotion, Habilitation und einer Tätigkeit als Hochschuldozent in Braunschweig war Syldatk ein Jahrzehnt lang Professor mit dem Lehrgebiet "Technische Mikrobiologie" am Institut für Bioverfahrenstechnik der Stuttgarter Universität, bevor er im Jahr 2003 zum Leiter des Lehrstuhls für Technische Biologie am neu gegründeten Institut für Bio- und Lebensmitteltechnik der Universität Karlsruhe ernannt wurde.

Neue Enzymreaktionen zur Herstellung ungewöhnlicher Feinchemikalien

Ein wichtiger Forschungsschwerpunkt Syldatks und seiner Mitarbeiter ist die Weiße Biotechnologie, also der Einsatz von Mikroorganismen zur Herstellung der verschiedensten industriellen Produkte - allen voran Feinchemikalien, die bisher auf der Basis von Verfahren gewonnen werden, die Erdöl als Energieressource brauchen. Angesichts steigender Ölpreise und schwindender Vorkommen an fossilen Brennstoffen sind hier Alternativen gefragt und Syldatk ist einer der Wissenschaftler, solche Wege aufzuzeigen. 

In solchen Bioreaktoren können sogenannte rekombinante Proteine, biotechnologisch hergestellte Eiweißmoleküle, in größerem Maßstab hersgestellt werdenLightbox-Link
In solchen Bioreaktoren können sogenannte rekombinante Proteine, biotechnologisch hergestellte Eiweißmoleküle, in größerem Maßstab hersgestellt werdenQuelle: Tebi Karlsruhe

Am Anfang steht dabei am Lehrstuhl für Technische Biologie immer eine Reaktion, Stoffumwandlung oder Produktbildung - beispielsweise durch spezielle Mikroorganismen oder durch einen Schwamm. Zunächst muss dabei das verantwortliche Gen isoliert werden und die Karlsruher Wissenschaftler kümmern sich dann darum, dessen Aktivität zu optimieren. Dabei nutzen die Forscher meist Organismen, die für den industriellen Maßstab bereits alte Bekannte sind und sich leicht genetisch verändern lassen, weil das Genom bereits lange entschlüsselt ist - wie beispielsweise das Bakterium Escherichia coli.  Was zunächst noch in einem kleinen Reaktionsgefäß passiert, wird dann Schritt für Schritt bis hin zur Eiweißn-Produktion im Bioreaktor gesteigert, so dass am Ende der Prozessentwicklung die technische Anwendung des nun künstlich gezielt hergestellten Enzyms steht. Solche Biokatalysatoren lassen sich für eine Vielzahl an Anwendungen einsetzen, weil sie Prozesse beschleunigen oder überhaupt erst auslösen können, ohne sich selbst zu verbrauchen.

Teil eines Kompetenzzentrums für Marine Biotechnologie

Die Technische Biologie Karlsruhe ist Teil des bundesweiten Kompetenznetzwerkes BioTecMarin für Marine Biotechnologie, das von Syldatks Mainzer Kollegen Prof. Werner Müller an der dortigen Universität koordiniert wird. In einem Schwammlabor mit modernster Mess- und Regeltechnik werden hier die marinen Organismen bis in den Bioreaktor-Maßstab kultiviert. Sie sollen dazu dienen, Grundlagen zu erarbeiten, um neue, interessante Naturstoffe zu gewinnen. Allerdings wird hier kein "Schwamm-Farming" betrieben – dies wäre für den Weltmarkt niemals ausreichend - sondern Biomasse für Experimente anderer Arbeitsgruppen des Netzwerkes produziert. Aus den Schwämmen werden dann zum Beispiel Gene interessanter Eiweiße isoliert und deren Produktion anschließend, wie bereits beschrieben, mit Mikroorganismen optimiert. Industrielle Anwendung könnten solche Produkte beispielsweise im pharmazeutischen Bereich in der Krebstherapie finden.

Im Schwammlabor werden die Organismen in Aquarien gezüchtet.Lightbox-Link
Im Schwammlabor werden die Organismen in Aquarien gezüchtet.Quelle: Tebi Karlsruhe


Die unterschiedlichen Forschungsfragen werden fast alle in Kooperation bearbeitet. "Heute kann man an einem Lehrstuhl nicht mehr alle Kompetenzen selbst haben, das geht gar nicht", erklärt Syldatk. Kooperiert wird daher weltweit mit vielen anderen mikrobiologischen, chemischen, verfahrenstechnischen und genetischen Arbeitsgruppen vor Ort, zum Beispiel mit der Angewandten Mikrobiologie, der Organischen Chemie und dem Forschungszentrum Karlsruhe. Dabei bringt die Technische Biologie meist den enzymtechnischen und mikrobiellen Teil inklusive der Prozessentwicklung im Labormaßstab bis zu 30 Litern ein. "Wir sind keine Apparateentwickler – in Netzwerken zu arbeiten, das ist die Zukunft, auch mit Unternehmen aus der Industrie", so der Professor für Technische Biologie. Dabei sieht Syldatk die Rolle der Universitäten durchaus darin, für Basispatente zu sorgen, die als Folgepatente von der Industrie genutzt werden.

Eine klare Sicht auf die Wissenschaft behalten

Auf 18 Patente kann die Karlsruher Forschungseinrichtung Syldatks schon verweisen. Doch als eines seiner spannendsten Projekte bezeichnet der Lehrstuhlinhaber immer noch seine Doktorarbeit, in der er öl- und kerosinabbauende Mikroorganismen isoliert und eingesetzt hat.

Aber auch wenn die Experimente schon immer einen großen Teil seiner Zeit beansprucht haben, betont der Biologe, dass es ebenso ein Leben außerhalb der Wissenschaft geben muss: "Man braucht einfach auch andere Dinge, damit man danach wieder eine klare Sicht auf die Wissenschaft hat – und nicht zu enttäuscht ist, wenn mal wieder ein Projektantrag abgelehnt wurde", sagt der passionierte Saxophonist, Gitarrist und Kunstfreund.

Erstveröffentlichung des Textes in abgewandelter Form unter www.bio-pro.de

 

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