Direktlink :
Inhalt; Accesskey: 2 | Hauptnavigation; Accesskey: 3 | Servicenavigation; Accesskey: 4

Wie Pflanzen ihr Wachstum fein ausbalancieren

Zwei Keimlinge der Ackerschmalwand vor einem Ausschnitt aus einer Microarray-Analyse. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Zwei Keimlinge der Ackerschmalwand vor einem Ausschnitt aus einer Micorarray-Analyse. Quelle: MPI für Entwicklungsbiologie, Tübingen

29.12.2005  - 

Pflanzen verfügen während ihrer gesamten Lebenszeit über die Fähigkeit, ständig neue Organe zu bilden. Dafür sind Stammzellen verantwortlich, die sich in einem winzigen Gewebebereich des Sprosses befinden. Unklar war bisher, wie Pflanzen es schaffen, dass sie immer genau die Anzahl von Stammzellen parat haben, die sie brauchen, um weder zu verkümmern noch von krebsartigen Wucherungen befallen zu werden. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut (MPI) für Entwicklungsbiologie in Tübingen haben diese Vorgänge jetzt beschrieben. Wie sie im Fachmagazin Nature (Vol. 438, S. 1172-1175) berichten, gibt es offenbar einen fein austarierten Mechanismus zwischen Genen und wachstumsfördernden Hormonen.

Alle oberirdischen Teile einer Pflanze – Blätter, Blüten, Stängel, Samen – entspringen letztlich einem kleinen Bereich an der Spitze des Sprosses. Die als Sprossmeristem bezeichnete Region enthält sogenannte totipotente Stammzellen, die während der gesamten Lebenszeit der Pflanze aktiv bleiben. Im Gegensatz zu Tieren, die nach Abschluss der Embryonalentwicklung nur noch über gewebsspezifische Stammzellen verfügen, können Pflanzen dadurch über viele Jahre hinweg weiter wachsen und neue Organe ausbilden. Um lebensfähig zu bleiben, muss die Pflanze die Zahl dieser Stammzellen allerdings genau ausbalancieren, sonst drohen krebsähnliche Wucherungen oder die Pflanze verkümmert.

Rätsel um Balance zwischen Genen und Hormonen gelüftet

Bislang war jedoch unklar, wie die feine Balance in der Sprossspitze aufrechterhalten wird. Lediglich zwei Regelwerke sind bereits erforscht. Zum einen gibt es wachstumsfördernde Pflanzenhormone wie Auxin und Cytokin. Zum anderen hat ein zentrales Steuerungsgen mit Namen „Wuschel“ einen entscheidenden Einfluss darauf, wie viele Zellen als Stammzellen im Sprossmeristem verbleiben. Die MPI-Arbeitsgruppe von Jan Lohmann hat nun anhand der genetisch vollständig entschlüsselten Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) vier sogenannte ARR-Gene identifiziert, die als mechanistische Verbindung zwischen den Pflanzenhormonen und den genetischen Steuerungselementen im Meristem gelten können.

Komplexe Rückkopplungsschleife

Wie die Forscher mithilfe aufwändiger genetischer und biochemischer Experimente herausgefunden haben, unterliegen diese vier Erbanlagen dem Einfluss des Wuschel-Gens. Besonders die Aktivität eines der vier Gene wird auf diese Weise gedrosselt. Zugleich erfüllen die ARR-Gene eine wichtige Aufgabe im hormonellen Regelwerk: Sie sind Teil einer Rückkopplungsschleife, mit der das wachstumsfördernde Pflanzenhormon Cytokinin seine eigene Wirkung begrenzt. Dabei kann das Hormon nur dann seine volle Wirkung entfalten, wenn das Wuschel-Steuerungsgen aktiv ist. „Die meristematische Regulation ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Wirkung von frei zirkulierenden Hormonen auf bestimmte Gewebe begrenzt werden kann“, sagt Lohmann. Erst über solche Mechanismen werde es möglich, dass ein und dasselbe Hormon in verschiedenen Geweben unterschiedliche Reaktionen auslöst – je nachdem, auf welche genetischen Voraussetzungen es dort trifft.