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Peter Seeberger: Süßer Angriff auf Malaria

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Peter Seeberger, Professor für organische Chemie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich Quelle: ETH Zürich

10.09.2007  - 

Wenn sich Peter Seeberger etwas in den Kopf gesetzt hat, dann kämpft er sich durch. Bis zum Ziel. Auf diese Weise hat es der 41-Jährige schon weit geschafft. Einst wollte der Erlanger Chemiestudent an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich promovieren. Seit 2003 hat er dort selbst den Lehrstuhl als Professor für organische Chemie inne und gilt als Experte auf dem Gebiet der synthetischen Herstellung von Zuckerverbindungen. Seeberger will damit vor allem Medizinern helfen: Zum Beispiel mit einem Impfstoff gegen die Tropenkrankheit Malaria. Jetzt wird er für seine Errungenschaften mit dem Körber-Preis 2007 gewürdigt. Die offizielle Verleihung der mit 750.000 Euro dotierten Auszeichnung fand am 7. September in Hamburg statt.

Schon von Anfang an verlief die Karriere des heutigen Chemieprofessors eher ungewöhnlich. Ein deutsches Diplom kann er nämlich nicht vorweisen, das hat er sich erspart. Nach sechs Semestern Chemiestudium in Erlangen zog es den Jungwissenschaftler Anfang der 90er Jahre als Fulbright-Stipendiat in die USA nach Colorado. Für ein Jahr, so dachte er, könnte man dort gut studieren. Seeberger blieb 13 Jahre. „Die ersten drei Monate in Colorado waren hart. Ich musste mich in die neue Sprache einarbeiten und viel Wissen nachholen, weil ich dort ins Doktorandenprogramm der Biochemie gewechselt habe“, erinnert sich Seeberger. Seine Klausurergebnisse im ersten Semester waren schlechter als gewohnt, doch er ließ nicht locker. Schon im zweiten Semester zählte der Deutsche zu den besten Studenten – und ließ schließlich den deutschen Abschluss sausen.

Künstliche Zuckermoleküle in Massenherstellung

Schon damals konzentrierte sich Seeberger auf die künstliche Herstellung von Eiweißen und Nukleinsäuren. „Ich fand die biologischen Perspektiven innerhalb der Chemie interessanter“, sagt der Forscher heute. Inzwischen hat Seeberger mit seinen Arbeiten die Basis dafür geschaffen, dass die Analyse des Zuckers und seiner Aufgaben im menschlichen Organismus immer weiter voranschreitet. Von Colorado aus ging er für einen Postdoc-Aufenthalt ans Sloan-Kettering-Krebszentrum in New York und wechselte schließlich mit nur 31 Jahren als Assistenzprofessor ans renommierte Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge. Dort entwickelte er Ende der 90er Jahre einen Syntheseroboter, der die künstliche Herstellung der hoch komplexen Zuckermoleküle 500mal schneller als vorher ermöglichte.

Zuckermoleküle sind sehr komplex: Ganz rechts ist ein Eiweiß mit angehängten verzweigten Zuckerketten zu sehen, in der Mitte ein 'reines' Eiweißmoleküle und ganz links das Erbmolekül DNA.Lightbox-Link
Zuckermoleküle sind sehr komplex: Ganz rechts ist ein Eiweiß mit angehängten verzweigten Zuckerketten zu sehen, in der Mitte ein 'reines' Eiweißmoleküle und ganz links das Erbmolekül DNA.Quelle: Glykostrukturfabrik/Berlin

Zucker aus natürlichen Quellen zu isolieren ist sehr schwierig, da die Moleküle nur in geringen Mengen vorliegen. Die chemische Herstellung der Glykane ist daher die einzige Alternative, wenn auch eine knifflige. „Zuckermoleküle bilden keine lange Kette wie zum Beispiel Eiweiße, sondern sind vielfach verzweigt“, erklärt Seeberger. Früher war eine Doktorarbeit erforderlich, um einen Zucker künstlich herzustellen. Mit seinem Roboter ist die Zuckersynthese nun eine Sache von ungefähr 24 Stunden und revolutionierte damit die Welt der Zuckerforschung - auch Glycomics genannt. Zwar kann das Gerät nicht alle erdenklichen Zuckermoleküle herstellen, aber immerhin einen sehr großen Teil. „Ich konnte auf dem Wissen aus der DNA-Synthese aufbauen“, sagt er und verweist auf die gute Zusammenarbeit mit seinem Doktorvater Marvin Caruthers, der in den 80er Jahren die Technik zur Synthese des Erbguts mitentwickelt hat.

Revolution mit altem VW-Käfer

Seebergers Maschine ähnelt dabei einem umgebauten VW-Käfer: In ihrem früheren Leben hat sie Aminosäuren zu Eiweißen zusammengefügt. Nach dem Umbau durch den Forschert setzt das alte Gerät  nun komplexe Zuckermoleküle Baustein für Baustein zusammen. Zuvor stattet er diese Bausteine chemisch so aus, dass sich steuert lässt, wie und in welcher Position sich mit anderen verbinden. In der Maschine reagieren diese präparierten Bausteine in nacheinander folgenden Schritten miteinander. "Wenn wir den Roboter in der richtigen Reihenfolgen mit den Zuckern füttern, dann wächst die geplante Kette allein heran", erklärt Seeberger.

Dieser kurze Film auf dem Videoportal Youtube vermittelt einen Einblick, wie der Malaria-Erreger Blutzellen befällt (in Englisch). Quelle: Youtube/ Ian Crandall (Laboratory for Collaborative Diagnostics, Kanada)

Impfstoff auf Zuckerbasis bei Mäusen erfolgreich

Für Seeberger ist die Herstellung des Zuckers allerdings nur ein erster Schritt. Weil Zuckermoleküle durch ihre zentrale Rolle in der Kommunikation von lebenden Organismen offenbar an einer Vielzahl von Krankheiten beteiligt sind, will der Chemiker sein Wissen einsetzen, um neue Impfstoffkandidaten zu entwickeln. So ist bei der Tropenkrankheit Malaria, der laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation jährlich bis zu fünf Millionen Menschen zum Opfer fallen, ein Zuckermolekül maßgeblich für den tödlichen Verlauf der Krankheit verantwortlich. Im Jahr 2002 entschlüsselte Seeberger zusammen mit dem australischen Forscher Louis Schofield den todbringenden Giftstoff GPI-Saccharid – ein Mehrfachzucker, der sich auf der Oberfläche des Malaria-Erregers Plasmodium falciparum befindet. Gleichzeitig fiel dem Team auf, dass vor allem Kinder unter zwei Jahren an Malaria sterben. „In diesem Alter können die Kinder zwar eine Immunantwort gegen Eiweiße erzeugen, aber nicht gegen Zucker“, erklärt er. So gerieten die Zuckermoleküle auch als Impfstoff ins Visier der Forscher.

Im Moment ist Seebergers Start-up-Unternehmen Ancora Pharmaceuticals in Cambridge (USA) dabei, die Synthesemaschine auf den Markt zu bringen und einen markttauglichen Malaria-Impfstoff zu entwickeln. Dank seines Roboters konnte Seeberger den Giftstoff nämlich künstlich herstellen und ihn mit einem Eiweiß verbinden. „Bis der Körper einen einzelnen Zucker als fremd erkennt und schützende Antikörper entwickelt, muss dieser oft Monate oder Jahre im Blut zirkulieren. Ist er mit einem Eiweiß verbunden, produziert der Organismus hingegen innerhalb weniger Tage Antikörper und ist für den Fall der Fälle gewappnet“, erläutert Seeberger. In Versuchen an Mäusen hat sich das Vakzin bereits als sehr wirksam erwiesen (Vgl. Nature, 2002, Vol. 418, S. 785). Die tödliche Vermehrung des Parasiten konnte in den Tieren gestoppt werden. Den Parasiten vernichten würde der Impfstoff allerdings nicht, das ist dem Forscher auch klar. "Aber es ist schon viel, wenn wir Babys schützen könnten, die sonst sterben würden", so Seeberger.

Impfstoffkandidaten gegen HIV und Anthrax in der Pipeline

Im nächsten Jahr, so der Chemieprofessor, soll die Substanz erstmals an Menschen getestet werden. Verlaufen die Studien erfolgreich, rechnet er in fünf bis zehn Jahren mit einer Markteinführung. Sponsoren für diese kostspieligen Tests in großem Maßstab zu finden, ist keine leichte Aufgabe. „Das ist frustrierend, aber verständlich. Schließlich sind solche Wirkstoffe für die Pharmaindustrie zu wenig lukrativ, da ein hohes Risiko unsicheren Gewinnchancen gegenübersteht“, sagt er. Seeberger lässt sich davon jedoch nicht entmutigen und forscht bereits an einer ganzen Reihe von weiteren Impfstoffkandidaten auf Zuckerbasis – gegen HIV, Anthrax und Vogelgrippe.

Mehr Informationan zum Körber-Preis

Jedes Jahr werden herausragende Wissenschaftler in Europa mit dem Körber-Preis geehrt. Mehr Informationen: www.koerber-stiftung.de

Bei so vielen Projekten bleibt dem Forscher deshalb kaum Zeit für private Freuden. So genießt der Skifan die Schweizer Alpen notgedrungen vom Bürofenster aus. Die Arbeit ist momentan wichtiger.

In diesem Jahr wurde der umtriebige Wissenschaftler nun für seine Errungenschaft belohnt: Am 7. September ist ihm der mit 750.000 Euro dotierte Körber-Preis in Hamburg verliehen worden. Die jährliche Auszeichnung geht an europäische Forscher, die sich für ein zukunftsweisendes Vorhaben einsetzen. Die Synthesemaschine und ihre Relevanz für die Impstoffentwicklung wurde von der international besetzten Jury unter Vorsitz des Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft Prof. Peter Gruss in diesem Jahr als ein solches Vorhaben angesehen.

 

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