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Synthetische Biologie: Genom-Designer stellen neue Programme vor

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JCVI-syn1.0 ist ein Meilenstein der synthetischen Biologie, das erste teilungsfähige Bakterium mit einem im Labor rekonstruiertem Genom. Quelle: Deerinck, Ellisma/University of California

25.01.2012  - 

Forscher im Fach "Synthetische Biologie“ wollen mit gentechnischen Tricks der neuesten Generation Zellen umprogrammieren und sie so mit ganz neuen und nützlichen Eigenschaften ausstatten. Bei einer Tagung der Fachgesellschaft Dechema in Frankfurt am Main berichteten Bioingenieure, an welchen Projekten sie derzeit arbeiten. Während einige den genetischen Buchstaben-Code erweitern wollen, tüfteln andere bereits an greifbaren medizinischen Anwendungen: US-Forscher um Craig Venter wollen etwa mit Hilfe von synthetischem Erbgut die Entwicklung der saisonalen Grippe-Impfstoffe enorm beschleunigen. Auch die Suche und Produktion neuartiger Antibiotika soll von der Synthetischen Biologie profitieren.

Von Spezialisten für DNA-Synthese über Bioingenieure bis hin zu Genomtechnikern. Zur Tagung am 24. Januar hatte die Fachgesellschaft Dechema unter dem Titel „Synthetic DNA: Writing with the letters of life“ führende Akteure aus der Synthetischen Biologie eingeladen. Sie alle eint das Ziel, Zellen ein verbessertes molekulares Design zu verpassen und so lebende Fabriken für neue Produkte zu schaffen.

Wie können Zellen umprogrammiert werden und mit neuen Eigenschaften ausgestattet werden? In dieser Kreidezeit erklären wir, was sich hinter dem Begriff "Synthetische Biologie" verbirgt.Quelle: biotechnologie.deGenome als Baueinheit

Am J. Craig Venter Institute (JCVI) im US-amerikanischen Rockville verstehen sich die Forscher als Vorreiter der Synthetischen Biologie. Immer wieder sorgen die Ergebnisse aus den Laboren für Schlagzeilen. Über seinen größten bisherigen Meilenstein, die Schaffung einer Bakterienzelle mit einem künstlich zusammengebauten Genom (mehr...), berichtete in Frankfurt JCVI-Forscher John Glass. „Für uns sind komplette Genome die entscheidenden Bauelemente der Synthetischen Biologie“, so Glass. Die US-Forscher wollen herausfinden, welche minimale genetische Ausstattung eine Bakterienzelle besitzen muss, um im Labor existieren zu können- das sogenannte Minimalgenom. Die bisherige Arbeit an der Mikrobe Mycoplasma mycoides  JCVI-syn1.0 hat den Forschern wichtige Werkzeuge geliefert, mit denen sie ihrem Ziel näher kommen wollen. „Derzeit arbeiten wir fieberhaft daran, das Gen-Repertoire von 485 auf unter 400 Erbanlagen zu verkleinern“, sagte Glass. Der Molekularbiologe gab auch einen Ausblick auf weitere Projekte in der Forschungs-Pipeline des JCVI. Durch den Einsatz künstlicher Chromosomen versuchen die Wissenschaftler, Cyanobakterien zu Wasserstoff-Fabriken umzuprogrammieren. „In einem weiteren Projekt wollen wir mit Hilfe von Synthetischer Biologie die Herstellung saisonaler Grippeimpfstoffe beschleunigen“, so Glass. Bisher müssen die Partikel grassierender Viren aufwendig in Eizellen gezüchtet und danach aufgereinigt werden – das gesamte Prozedere dauert im Schnitt 35 Tage. „Wir können diese Phase mittels Sequenzierung und gezielter DNA-Synthese auf fünf bis sieben Tage abkürzen“, sagte Glass.

Schlummernde Antibiotika-Gene wecken

Wie die Bioingenieurskunst zu dringend benötigten, neuartigen Antibiotika führen kann, berichtete Eriko Takano von der Universität Groningen in den Niederlanden.  Ihr Team fahndet im Erbgut von Mikroorganismen nach genetischen Modulen, die in der Lage sind, bisher unbekannte Antibiotika zu produzieren. „Manche dieser Module sind im Laufe der Evolution in einen Schlummerzustand geraten. Wir können sie wieder aufwecken, indem wir sie künstlich nachbauen und neu designen“, so Takano. 

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Bei dem Bakterium Streptomyces clavuligerus ist den Forschern aus den Niederlanden dieser Kniff schon geglückt - nun stellt die Mikrobe einen bisher unbekannten Stoff her, der andere Bakterien abtötet.

Komplexe genetische Programme und Schaltkreise

Das Design biologischer Systeme mithilfe standardisierter Bausteine und ingenieurswissenschaftlicher Prinzipien – wenn man so Synthetische Biologie definiert, dann ist Christopher Voigt vom MIT in Boston wohl einer der Forscher, der diese Herangehensweise am konsequentesten umsetzt.  Sein Team entwickelt molekulare Sensoren, Schalter und Operatoren und fügt diese zu genetischen Schaltkreisen zusammen. Solche Konstruktionen kommen auch bei dem internationalen Studentenwettbewerb iGEM zum Einsatz (mehr...). Zu den komplexesten „genetischen Programmen“ aus dem Voigt-Labor zählt ein Bakterium mit einem eingefügten Schaltkreis aus elf verschiedenen Regulator-Bausteinen.

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Noch tiefer an die Erbsubstanz – an die Buchstaben des genetischen Alphabets- gehen die Experimente, mit denen sich der belgische Mikrobiologe Philippe Marlière beschäftigt. In dem unter anderem von der EU finanzierten „Xenome“-Projekt verfolgt Marlière zwei visionäre Ziele, um die Chemie lebender Organismen umzuprogrammieren. In einem Projekt geht es darum, die vier Nukleotide der DNA durch neuartige Bausteine zu ersetzen, ohne damit die Erbinformation als solche zu verändern. Einen ersten Fortschritt in dieser Richtung gibt es bereits: im vergangenen Jahr war es Marlière zusammen mit Berliner Forschern gelungen, Darmbakterien darauf zu trimmen, ein künstliches Nukleotid anstelle von Thymin in seine DNA einzubauen (mehr...). Für Marlière lassen sich auf diese Weise sicherere Produktionsorganismen im Labor herstellen, die in der Natur nicht existieren können.

Xeno-Nukleinsäure als dritte Geninformation

Noch weitgehend Zukunftsmusik indes ist das Projekt XNA (Xeno-Nukleinsäure), in dem die Forscher eine dritte und rein künstliche Variante einer Nukleinsäure schaffen wollen. Damit würde neben der DNA und der RNA ein dritter genetischer Informationsträger entstehen. „Das ist ein extrem schwieriges Unterfangen“, so Marlière. In Frankreich, wo der Forscher am Genoscope in Evry bei Paris arbeitet, sei seine Forschung auf ein recht negatives Echo gestoßen. „In Deutschland wird wesentlich häufiger und sachlicher über das Thema Synthetische Biologie berichtet“, sagte er im Gespräch mit biotechnologie.de. Er betonte, ein wesentliches Ziel seiner Forschung sei schließlich, Bakterien für den Einsatz in geschlossenen Systemen noch sicherer zu machen.

Auseinander gingen bei der Tagung in Frankfurt indes die Meinungen, ab wann man bei den Designer-Mikroben von künstlichen Leben sprechen sollte. Für Marlière stellt das von den US-Forschern geschaffene M. mycoides durchaus „künstliches Leben“ dar, da der Stoffwechsel der Zellen schließlich komplett umprogrammiert werde. John Glass sagte indes, am J. Craig Venter Institut habe man mittlerweile den Begriff „künstliches Leben“ ganz aus dem Sprachgebrauch gestrichen, um Missverständnissen vorzubeugen. „Wir sprechen von Zellen mit synthetischem Genom“, so Glass.

© biotechnologie.de/pg
 

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