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Oliver Schilling: Scheren im Organismus

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Oliver Schilling ist Arbeitsgruppenleiter am Institut für Molekulare Medizin und Zellforschung an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Quelle: Schilling

01.11.2011  - 

Ob ein Tumor wächst und sich ausbreitet oder eher klein gehalten wird, entscheidet sich oft in den benachbarten Regionen, dem so genannten Stroma. Beim Signalaustausch zwischen Tumor- und Stromazellen kommt es zu einer größeren Ausschüttung von Enzymen, die bestimmte Proteinmoleküle entzwei schneiden. Die abgeschnittenen Moleküle wiederum erfüllen neue Funktionen. Vieles über die Wirkweise jener Molekülscheren, der so genannten Proteasen, liegt noch völlig im Dunkeln. Oliver Schilling von der Universität Freiburg forscht schon seit seiner Diplomarbeit an Proteasen. In einem vom Europäischen Forschungsrat geförderten Projekt untersucht er ihre Rolle bei Krebs. 


Über 500 Proteasen gibt es im menschlichen Körper. Die Enzyme spielen bei vielen zentralen Prozessen eine Rolle, bei der Blutgerinnung beispielsweise, aber auch bei Krebs sowie neurologischen und viralen Erkrankungen. Bei der Alzheimer-Krankheit beispielsweise zerteilen sie ein wichtiges Protein an einer anderen Stelle als bei gesunden Menschen. Der Mensch hat sich Proteasen aber auch schon nützlich gemacht, in modernen Waschmitteln werden Proteasen eingesetzt – um Eiweiße aus der Kleidung zu lösen. Was sie aber im Körper genau machen, an welche Proteine sie binden was sie mit ihnen machen, wie die entstehenden Proteinschnipsel weiterwirken, ist in den Details noch nicht ausreichend geklärt. 

Dass die Enzyme Proteine zerschneiden, ist ein ganz normaler Prozess auch bei gesunden Zellen, erläutert Schilling. „Wir wissen aber, dass ein Tumor und die Zellen in seiner Umgebung bestimmte Proteasen verstärkt bilden.“ Schillings Arbeitsgruppe am Institut für Molekulare Medizin und Zellforschung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat für ihre Forschung eine europäische Förderung gewinnen können. Das Projekt, für das der Europäische Forschungsrat 1,5 Millionen Euro beigesteuert hat, widmet sich darum der Funktion der Proteasen bei der Beziehung zwischen dem Tumorgewebe und den ihn umgebenden Stromaregionen.

Das große grüne Molekül ist die Protease Astacin. In der Mitte befindet sich ein Protein, das gerade zerschnitten wird.Lightbox-Link
Das große grüne Molekül ist die Protease Astacin. In der Mitte befindet sich ein Protein, das gerade zerschnitten wird.Quelle: Universität Freiburg

Molekulare Schnitte: manchmal erwünscht, manchmal unerwünscht

Bei einem Tumor komme es zwischen den Krebszellen und den benachbarten Zellen zu einem Signalaustausch, so Schilling. Die Tumorzellen setzen Wachstumsfaktoren frei, auf die die Stromazellen reagieren, indem sie selbst Eiweiße freisetzen. Auf diese Weise beeinflussen sich die Zellen gegenseitig, kommunizieren also miteinander. Proteasen gehören zu den Enzymen, die rund um Tumoren verstärkt produziert werden, teils von den Krebszellen, teils von den Stromazellen. 

Für einige dieser bei Tumoren verstärkt vorkommenden Enzyme wurden bereits Mausmodelle hergestellt. Das heißt, es wurden Mäuse gezüchtet, denen eine bestimmte Protease fehlt. In diesen Mäusen wird dann ein Tumor erzeugt, um herauszufinden, ob der Tumor besser oder schlechter wächst als bei Mäusen, denen die Protease zur Verfügung steht. Die Ergebnisse sind ganz unterschiedlich, meint Schilling: „Viele Proteasen befeuern die bösartigen Zellen, immer wieder bewirken Proteasen aus dem Umfeld aber auch, dass der Tumor im Zaum gehalten wird“. 

Schilling und seine Kollegen wollen nun genau ergründen, welche Proteasen an der Tumor-Stroma-Interaktion beteiligt sind und wie sie wirken. Schilling nennt das „die Geschmacksvorlieben der Proteasen verstehen lernen“. Viele Schnittprodukte seien zudem bislang nicht erforscht; eine weitere Wissenslücke, die in dem Projekt gefüllt werden soll. 

Methoden und Technologien entwickeln

Seit seiner Diplomarbeit im Jahr 1999 hat der studierte Biologe mit den schnittigen Enzymen zu tun. „In dieser Zeit ist mein Interesse an diesen Molekülen stetig gewachsen. Ich verstehe mich zuerst als Methodenentwickler. Jetzt möchte ich aber verstärkt unsere neuen Methoden anwenden, um die Rolle von Proteasen in Krankheiten zu begreifen.“ 

Bei seinem Postdoc im kanadischen Vancouver arbeitete Schilling drei Jahre lang an Schlüsseltechnologien, um die Schnittprodukte mit ihrer neuen molekularen Struktur zu verstehen. Dort hatte er eines seiner größten Heureka-Erlebnisse: „Ich erinnere mich noch, das war ein 23. Dezember, einen Tag vor Weihnachten. Plötzlich, nach einigen Monaten des Probierens und Verwerfens, hatten wir eine Möglichkeit gefunden, die zugeschnittenen Moleküle mit ihren neuen Anfängen und Enden anzuschauen.“ Die Technologien, die er dort mit entwickelt hat, will Schilling in Freiburg bei der Erforschung der Tumor-Stroma-Interaktionen weiter anwenden und verfeinern. 

Als Forscher treibt ihn das Interesse, Neuland zu betreten. Wichtig ist ihm dabei der rege Austausch mit Kollegen. Die Wissenschaftler in seinem Gebiet arbeiten auf sehr angenehme Weise zusammen, findet er. „Überhaupt hatte ich bisher immer das Glück, in einer stimulierenden Arbeitsgruppe zu arbeiten.“ Und in der Freizeit? „Als echter Forscher und Wissenschaftler habe ich natürlich keine Freizeit“, sagt er und lacht. In Vancouver hat er Kanupolo als Sport betrieben. In Freiburg ist das allerdings ein eher exotischer Zeitvertreib. Ansonsten verreist er, so oft es geht, mit seiner Ehefrau. Gern geht er auch ins Kino; Autorenfilme haben es ihm besonders angetan.

© Biotechnologie/aw
 

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