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Warum die Automobilindustrie auf Bioplastik abfährt

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Wurde früher Holz für den Fahrzeugbau verwendet, so könnte in Zukunft der Holzbestandteil Lignin als Ausgangsmaterial für Biokunststoff dienen. Quelle: BIOPRO/Bächtle

15.06.2011  - 

Im Jahr 2011 feiert das Automobil den 125. Geburtstag. In Baden-Württemberg gibt es zahlreiche Veranstaltungen, die an dieses Jubiläum erinnern sollen - immerhin baute Carl Benz im Ländle das erste Automobil der Welt. Auch in Zukunft sollen die Unternehmen zwischen Mannheim und Freiburg Motor der Fahrzeugentwicklung bleiben. Auf dem Thementag „Biokunststoffe im Auto der Zukunft“ zeigte die Landesgesellschaft Biopro Baden-Württemberg GmbH, dass in vielen Autos heutzutage schon ein Stückchen Biotechnologie steckt.

Im altehrwürdigen Ambiente des Hauses der Wirtschaft in Stuttgart konnten sich am 10. Juni zahlreiche Gäste ein Stückchen Zukunft anschauen. Egal ob Autobauteile aus nachwachsenden Rohstoffen oder ein Roller mit einer Karosserie auf Hanfbasis, inzwischen gibt es zahlreiche Konzepte und Ideen, wie das Auto der Zukunft „grüner“ werden kann.

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Zahlreiche Projekte und Ideen an der Schwelle zum industriellen Durchbruch

Warum Autos in Zukunft überhaupt aus nachwachsenden Rohstoffen gebaut werden müssen, brachte Günther Leßnerkraus vom Wirtschaftsministerium in Baden-Württemberg auf den Punkt „Die gesamte Erde steht vor gewaltigen Herausforderungen.“ Weil das Erdöl zur Neige gehe, sei es umso wichtiger, Ressourcen zu sparen. „Es ergibt ja keinen Sinn, mich 80kg-Mann in einem zwei Tonnen schweren Auto mit einem Verbrauch von 10 Litern je 100 Kilometer durch die Gegend zu bewegen“, erklärte er vor etwa 200 Schülern aus dem gesamten Land. Ein möglicher Weg, um knappe Rohstoffe wie Erdöl zu schonen, ist auf alternative Materialien umzusteigen. Deutschland produziert jedes Jahr etwa 20 Millionen Tonnen Kunststoff, davon gingen etwa zehn Prozent in den Automobilbau – große Einsparpotentiale also, wenn sich das Erdöl-basierte Plastik durch grüne Produkte ablösen ließe.

Ein Roller mit einer Karosserie auf Hanfbasis war einer der Besuchermagneten der angeschlossenen Ausstellung.Lightbox-Link
Ein Roller mit einer Karosserie auf Hanfbasis war einer der Besuchermagneten der angeschlossenen Ausstellung.Quelle: BIOPRO/Bächtle

Dass es inzwischen tatsächlich auch für den Fahrzeugbau Alternativen zu konventionellem Plastik gibt, war so nicht vorherzusehen, sagte Ralf Kindervater. „Hätten Sie mich vor fünf Jahren gefragt: Was machen wir mit Bioplastik?, hätte ich gesagt: Nix“, räumte der Biopro-Chef ein. Jetzt stünden zahlreiche Projekte im Ländle aber an der Schwelle zum industriellen Durchbruch. Die wenigsten Produkte werden dabei so gut sichtbar sein, wie die von der Tecnaro GmbH. Das in Ilsfeld-Auenstein beheimatete Unternehmen bietet Innenraumverkleidungen auf Basis des Holzbestandteils Lignin an. Andere Unternehmen entwickeln kleinere Bauteile wie Gaspedalhebel oder Lüfter, deren Grundbausteine aus nachwachsenden Rohstoffen stammen. Viele der Arbeiten profitieren von einer Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Programms „BioIndustrie 2021“, das vor fünf Jahren gestartet ist.

„Wir waren vor 100 Jahren völlig unabhängig vom Erdöl. Heute sind wir vollkommen abhängig. Aber in 100 weiteren Jahren werden wir wieder völlig unabhängig sein“, erklärte Christian Bonten, der Leiter des Instituts für Kunststofftechnik an der Universität Stuttgart. Damit nahm er die Anwesenden mit auf eine Reise durch die Geschichte des Kunststoffs. Ursprünglich sollte Plastik knappe Rohstoffe ersetzen, wie Bonten an zahlreichen Beispielen zeigte.

Mit Lignin lassen sich formschöne Bauteile für die Innenverkleidung eines Fahrzeugs herstellen.Lightbox-Link
Mit Lignin lassen sich formschöne Bauteile für die Innenverkleidung eines Fahrzeugs herstellen.Quelle: BIOPRO/Bächtle
Zelluloid oder Zelluoseazetat wurden früher benutzt, um rare Naturstoffe wie Schildpatt, Horn, Perlmutt oder Elfenbein zu ersetzen. Egal ob Zigarettendöschen oder Haarkamm, mit großer Mühe versuchten die Designer mit unterschiedlichen Kunststoffen das Originalmaterial möglichst genau zu kopieren. Heute ist das anders: „Wenn ihr heute in einen Autoinnenraum schaut, ist überall klar zu erkennen, das ganz viel Plastik verbaut wurde“, sagte Bonten in Richtung der vielen Schüler in Stuttgart. Der Kunststoff werde nicht mehr versteckt, sondern bewusst als eigenständiger Werkstoff  eingesetzt. Gerade in den vergangenen Jahren haben die Automobilbauer jedoch zunehmend versucht, die Erdöl-basierten Kunststoffteile durch solche aus nachwachsenden Rohstoffen zu ersetzen.

Schon 1915 gab es die ersten Biokunststoffe im Automobilbereich

Streng genommen handelt es sich dabei um keinen ganz neuen Trend. Henry Ford verbaute schon im Jahre 1915 in seinem legendären T-Modell eine Starterbox aus Weizengluten verstärkt mit Asbestfasern. In den 1920er Jahren konstruierte er Autoprototypen mit Karosserieteilen aus Hanffasern und Sojamehl. Der Werkstoff war so stabil, dass Henry Ford zu Werbezwecken mit einer Axt auf einen Kofferraumdeckel einschlug – ohne ihn dadurch zerstören zu können. Höhepunkt der Entwicklung war schließlich ein Prototyp, dessen Karosserie vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen bestand. Auch im aktuellen Ford Mustang kommen Werkstoffe auf Soja-Basis zum Einsatz, wenn auch in weit geringerem Ausmaß. Gerade einmal fünf Gewichtsprozent des Mustangs macht der Biokunststoff aus. Er besteht aus einem Polyurethan-Schaum, dessen Grundstoffe zu 40 Prozent aus Soja stammen. Auf den ersten Blick ist das nicht viel, doch die Masse macht den Unterschied.

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„Ford hat Anfang 2009 berichtet, das einmillionste Auto mit solchem Material ausgeliefert zu haben“, so Michael Thielen, Chefredakteur des Bioplastics Magazine. Dadurch konnten allein im Jahr 2008 2.400 Tonnen CO2 vermieden werden. Ein weiterer Pionier in dem Feld sei Toyota, sagte Thielen. In einigen Baureihen würden Sitzpolster, Fußmatten und Seitenverkleidungen auf der Basis des Biokunststoffs Polymilchsäure hergestellt. Bis zu 60% des Cockpit-Innenraums wollen die Japaner künftig mit solchen Ökokunststoffen gestalten.

Wie lange es noch dauern wird, bis moderne Fahrzeuge wieder vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden, konnte keiner der Anwesenden sagen. Trotzdem dürfte Bonten am Ende Recht behalten: „Wir Kunststoff-Leute werden die Welt nicht allein retten, aber wir machen Sie unabhängig vom Öl.“

 

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