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Peter Pohl: Der Sequenzierer vom See

Peter Pohl ist Chef des Sequenzier-Spezialisten GATC Biotech mit Sitz in Konstanz am Bodensee. Der studierte Verwaltungswissenschaftler liebt die Musik von Gustav Mahler. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Peter Pohl ist Chef des Sequenzier-Spezialisten GATC Biotech mit Sitz in Konstanz am Bodensee. Der studierte Verwaltungswissenschaftler liebt die Musik von Gustav Mahler. Quelle: GATC Biotech AG

23.02.2011  - 

Das Unternehmen, die Familie, Konstanz: Auf den ersten Blick wirkt Peter Pohls Leben festgefügt, vorherbestimmt. Dabei scheint gerade bei ihm die (glückliche) spontane Fügung eine große Rolle zu spielen. Auf die große Bühne wollte er, als Manager für ein international agierendes Orchester. Es wurde ein mittelständisches Unternehmen am Bodensee: Der Sequenzierspezialist GATC Biotech. Und er ist zufrieden. Seine Frau hat er - das ist in Deutschland tatsächlich so nur im sonnigen Südwesten möglich - im Eiscafe kennengelernt. Mit den beiden Kindern kann die Familie mittlerweile Hausmusik machen, die Frau spielt Gitarre. Was den GATC-Pohl und den Gustav-Mahler-Pohl verbindet: Pohl war schon immer ein Macher. „Die mündliche Prüfung in Konstanz war am Montag. Am Mittwoch habe ich beim Orchester in Wien angefangen.“

 

Es ist nicht so, dass Peter Pohl die Perspektiven gefehlt hätten. Der 29-Jährige war gerade aus Wien zurück. Drei Jahre hatte er nach seinem Studium der Verwaltungswissenschaften dafür gesorgt, dass alles reibungslos lief, wenn das Gustav-Mahler-Jugendorchester durch die Welt tourte. Jetzt wollte er in einem Jahr sein Französisch und Italienisch perfektionieren. Die Karriere im Kulturmanagement war vorgezeichnet. Doch dann rief Thomas an. Der leitete die  Gesellschaft für Analysetechnik und Consulting mbH, die 1990 vom Vater und seinen drei Söhnen Thomas, Fritz und Peter gegründet wurde. „Mein Bruder meinte, es gäbe da ein Marketingthema, wo sie meine Hilfe gebrauchen könnten“, erinnert sich Pohl. Etwa zwei Wochen würde es dauern, hieß es. „Nach 14 Jahren bin ich immer noch da.“ Mittlerweile als CEO der GATC Biotech AG. Bei dem „Marketingthema“ ging es darum, das Unternehmen, das damals noch ein selbstkonstruiertes Sequenziergerät vertrieb, ganz auf das Dienstleistungsgeschäft auszurichten.

In dieser Folge der Kreidezeit erklären wir, wie eine Sequenzierung von Genen funktioniert.Quelle: biotechnologie.de

Gerätepark mit allen modernen Sequenziertechniken

Mission erfüllt. 2011 ist GATC Biotech der europäische Marktführer in der DNA-Sequenzierung. Mehr als 120 Mitarbeiter verfügen über einen Gerätepark mit allen führenden Sequenziertechnologien von Applied Biosystems, Pacific Biosciences, Roche und Illumina. Das Tempo der Branche ist halsbrecherisch, der Preisdruck immens. „Für die Summe, die wir vor 13 Jahren für einen Auftrag bekommen haben, müssen wir heute die 71.000-fache Menge sequenzieren.“ Pro Jahr erodieren die Preise um 20 Prozent, schätzt Pohl. Wie geht das Konstanzer Familienunternehmen, an dem die drei Brüder nach dem Tod des Vaters 98 Prozent der Anteile halten, damit um? Das Zauberwort ist „Convenience“. Das bedeutet, dass irgendwo in Europa ein Forscher abends eine Probe in einen GATC-Briefkasten fallen lässt. Eilboten bringen das Material in eines von mehreren GATC-Laboren. Dort wird die Nacht über gearbeitet. Während die Wissenschaftler den ersten Morgenkaffee trinken, können sie die Ergebnisse  von den GATC-Servern herunterladen. Mehrere tausend Proben kommen in einer gewöhnlichen Nacht zusammen.

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Die Idee kam aus den eigenen Reihen, wie GATC Biotech in der 20-jährigen Unternehmensgeschichte überhaupt immer organisch gewachsen ist. Das ist kein Dogma, hat sich aus der Haltung der drei Brüder aber ergeben. „Wir haben ein gutes Dutzend von M&A-Verhandlungen geführt“, sagt Pohl, „aber die Preisvorstellungen waren immer zu hoch. Da stecken wir das Geld doch lieber in die eigene Technologie.“ Eine nicht alltägliche Haltung in einer Branche, die einst ein beliebter Abladeplatz für Risikokapital war.

DNA-Tests für die Pränataldiagnostik

Allerdings gibt es die meisten Mitbewerber wie Lion BioScience aus Heidelberg, Genset aus Paris oder Lark aus den USA nicht mehr. Bodenhaftung und Pragmatismus sind Eigenschaften, die zur DNA von GATC gehören. Das erste Labor kostete ganze 1.000 Euro. „Die 140 Quadratmeter haben wir selbst ausgestrichen, Fliesen gelegt, alte Tische, Second-Hand-Pipetten und eine gebrauchte Zentrifuge von der Uni Konstanz besorgt“, erinnert sich Pohl. Der Hobby-Wakeboarder Peter Pohl ist im jetzigen Vorstand für die Visionen zuständig. Das neueste GATC-Projekt ist deshalb auch sein  Baby. Vor zwei Jahren gründete er die GATC-Tochter Lifecodexx, die einen diagnostischen DNA-Test im pränatalen Bereich entwickelt. In Konstanz, „im letzten Zipferl Deutschlands“, wie der gebürtige Österreicher sagt, fühlt sich der ehemalige Globetrotter Peter Pohl nun heimisch. Die andrenalinreiche Welt der Konzerttourneen, die Proben mit Claudio Abbado, den Glanz der Hochkultur, das vermisst er nicht. „In der klassischen Musik spielt man die Stücke mehr oder weniger so, wie sie vor hundert Jahren schon gespielt wurden“, sagt Pohl, der selbst vor allem gerne Mahler, Brahms & Co hört. „In den LifeSciences, da weiß man nicht, was am nächsten Tag passieren wird. Das gefällt mir.“


 

Autor: Christoph Mayerl

 

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