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Isabel Bäurle: Auf der Suche nach dem Gedächtnis der Pflanze

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Mit dem Preisgeld des Sofja-Kovalevskaja-Preises baut Isabel Bäurle eine Arbeitsgruppe am Institut für Biologie und Biochemie der Universität Potsdam auf. Quelle: privat

30.11.2010  - 

Was uns nicht umbringt, macht uns stark. Dieses Sprichwort scheint auch für Pflanzen zu gelten, ist aber bei diesen bisher kaum erforscht. Zwar wissen Biologen viel über die unmittelbaren Reaktionen von Pflanzen auf externe Umwelteinflüsse, nur wenig ist jedoch über die Strategien bekannt, mit denen sie sich an dauerhaften oder immer wiederkehrenden Stress anpassen. An der Universität Potsdam will die Molekularbiologin Isabel Bäurle zeigen, wie Pflanzen auf molekularer Ebene Informationen über bestimmte Umwelteinflüsse wie etwa Stress speichern. Denn mittlerweile hat sich gezeigt: Auch ohne Nervensystem können Pflanzen eine Art zelluläres Gedächtnis aufbauen.



 

Die 36-jährige Biologin ist von der praktischen Bedeutung ihrer Arbeit überzeugt. „Die Sommer werden immer heißer und trockener, da ist es kein Wunder, dass die Stressresistenz in der Züchtungsforschung eine immer größere Rolle spielt.“ Das sieht die Alexander von Humboldt-Stiftung ähnlich und fördert deshalb die Forschung der Molekularbiologin an der Universität Potsdam für die nächsten fünf Jahre mit dem Sofja Kovalevskaja-Preis. Mit dem Preisgeld von rund 1,5 Millionen Euro finanziert Bäurle ihre neue Arbeitsgruppe. Mit ihren vier Mitarbeitern experimentiert sie an der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana). Der krautige Kreuzblütler ist das „Haustier der Pflanzengenetiker“, erklärt Bäurle. Die Pflanze ist zwar landwirtschaftlich unbedeutend, hat sich aber über Jahrzehnte als Modellorganismus in der Genetik etabliert. Die Forscherin betont: „Unsere langfristige Perspektive sind ganz klar stressresistente Nutzpflanzen.“

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Das Bild zeigt wildtypische und Keimlinge mit einer Mutation ("vergesslicher"), nachdem mit einem starken Hitzeshock das Vorhandensein des Gedächtnisses getestet wurdeQuelle: Bäurle/Universität Potsdam

Pflanze erinnert sich an Kälteperiode

Viele Zuhörer würden die Stirn runzeln wenn sie vom Gedächtnis der Pflanzen erzähle, sagt Bäurle. „Doch auch ohne Nervensystem haben Pflanzen einen Mechanismus, der ähnlich wie ein Gedächtnis funktioniert, über den man aber eben noch sehr wenig weiß.“ Für ihren Postdoc ging Bäurle an das John Innes Centre im englischen Norwich. Ihr Forschungsschwerpunkt dort: die Vernalisation. Viele ein- und zweijährige Pflanzenarten blühen erst, nachdem sie eine andauernde Periode mit niedrigen Temperaturen durchlebt haben. Das verhindert, dass die Pflanzen bereits vor Wintereinbruch zu blühen beginnen. „Das ist ein klassisches Beispiel dafür, dass eine Pflanze eine Art Gedächtnis hat, denn das Ende des Winters und der Beginn der Blühphase können Monate auseinander liegen“, so Bäurle.

Mit ihrem Team verfolgt sie nun gleich mehrere Ansätze, um herauszufinden, warum bestimmte Pflanzen ein besseres Gedächtnis haben als andere und sich so besser an wiederkehrenden Umweltstress anpassen können. Ihre Hypothese ist, dass epigenetische Prozesse eine bedeutende Rolle spielen. Also Prozesse, die die Expression von Genen über Generationen hinweg verändern können, ohne die DNA-Sequenz zu modifizieren. „Bei unserem Modellorganismus sind wir in der glücklichen Lage, dass es für jedes bekannte Gen eine Mutante gibt, die man praktisch aus der Schublade ziehen kann“, sagt Bäurle. Derzeit sucht sie nach Mutanten, die schneller vergessen, dass sie Hitzestress ausgesetzt waren. So hofft sie, Regulatoren des Gedächtnisses zu finden, deren Funktion sie dann auf molekularer Ebene weiter erforschen wird. Gleichzeitig sucht sie mit ihrem Team aber auch nach bisher unbekannten Genen, die beim Gedächtnis der Pflanzen eine Rolle spielen könnten.

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Vom britischen Norwich nach Potsdam

So flexibel Pflanzen auf Umweltbedingungen reagieren, so flexibel zeigt sich auch Isabel Bäurle in ihrer Forschung. Alte Annahmen werden ohne Reue über Bord geworfen, wenn sie sich als nicht mehr adäquat erweisen. Auch ihr Werdegang als Forscherin zeugt von dieser Flexibilität. Ihr Studium begann sie mit Deutsch und Französisch, wandte sich dann aber denjenigen Fächern zu, für die sie sich schon in der Schule am meisten begeistern konnte: Biologie und Chemie. Später war sie ein Jahr als Erasmus-Studentin in Italien. „Mich reizte einfach die Möglichkeit, eine neue Sprache zu lernen“, erinnert sie sich. Als sie allerdings merkte, dass sie dort wissenschaftlich unterfordert war, suchte sie sich kurzerhand einen Platz zur Mitarbeit in einem Labor. Ein kleine Kurskorrektur, die gleichzeitig entscheidend war: „Ich denke, damals bei der Laborarbeit habe ich den Reiz am Forschen entdeckt.“ Ihre Doktorarbeit führte sie in der Welt der Pflanzengenetik, mit Stationen in Tübingen und Freiburg.

Als Kovalevskaja-Preisträgerin 2010 ergab sich nun für Isabel Bäurle die Möglichkeit, von Großbritannien aus mit ihrem Forschungsprojekt an einer deutschen Forschungseinrichtung ihrer Wahl anzudocken. Potsdam ist für sie eine junge, dynamische Uni und auch durch das  nahe Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm besonders attraktiv. „Aber ich will nicht verschweigen, dass es auch einen privaten Grund für die Ortswahl gab“, sagt sie und lacht. Ihr Mann  hat Anfang dieses Jahres eine Professur für Genetik an der Universität Potsdam angenommen. Gemeinsam mit ihrer Tochter ist Bäurle vor wenigen Monaten nach Potsdam gezogen. Richtungswechsel stehen in dieser Hinsicht jetzt erst einmal nicht an.



Autorin des Textes: Ute Zauft

 

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